Aufbau | Pionierinnen jener Informatik: Wie Ada Lovelace und Hedy Lamarr die Welt veränderten

Die Geschichte der Frauen in der Mathematik und Informatik folgt einem bekannten Muster. Wer etwas Großes entdeckte, wurde oft von Männern verdrängt. Das Museum für Kommunikation in Berlin erzählt die Geschichte dieser Pionierinnen


„Ich stelle durch“: Eine Telefonistin aus dem Jahr 1890 an ihrem Arbeitsplatz

Foto: Museum für Kommunikation Berlin


Sie saßen am Telegrafen oder stöpselten als „Fräulein vom Amt“ im Fernsprechdienst, waren als Spioninnen tätig, entwickelten wie Ada Lovelace einen Algorithmus für eine Rechenmaschine, programmierten die ersten Computer oder entschlüsselten Geheimcodes. Frauen waren als Wissenschaftlerinnen und Erfinderinnen wichtige Wegbereiterinnen in den Kommunikationsmedien, obwohl sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum bekannt sind.

Das gilt noch mehr für das Heer von Telefonistinnen und Postangestellten, die in den Ämtern arbeiteten und ohne die der Wirtschaftsaufschwung im Deutschen Kaiserreich kaum möglich gewesen wäre. Häufig waren es Kriege, die die Frauen an die Berufsfront spülten.

Anlässlich des Frauentages am 8. März lädt das Berliner Museum für Kommunikation deshalb zu einer einmaligen Führung durch Post-, Telefon- und Verkehrssaal ein und in seine so genannte Schatzkammer, um auf diese vergessenen Leistungen aufmerksam zu machen.

Kommunikatorinnen lebten gefährlich

Ob die Frauen als bessere Kommunikatorinnen prädestiniert waren für diesen Berufszweig oder einfach der Bedarf an billigen Arbeitskräften sie in die Post- und Fernsprechämter brachte, ist ein Thema, das die historische Forschung seit langem beschäftigt. Sicher ist, dass Geschicklichkeit, Geduld mit den Kunden und gute Umgangsformen Voraussetzungen waren, auf die die männlichen Vorgesetzten gerne zurückgriffen.

Nachdem die jungen Frauen 1880 im Deutschen Kaiserreich endlich zum Fernsprechdienst zugelassen wurden, mussten sie eine Kaution hinterlegen und elf Stunden Schicht schieben. Sie lebten auch durchaus gefährlich, denn immer wieder kam es zu Stromstößen bei der Vermittlung oder elektrischen Entladungen bei Gewittern, die zu Krankheitsausfällen führten. Heirateten sie, wurden sie aus dem Dienst entlassen, als Ledige steckten sie in subalternen Funktionen ohne Aufstiegschancen fest. Immer waren sie dem Misstrauen ausgesetzt, die amtliche Autorität am Telefon unzureichend zu vertreten oder das Postgeheimnis nicht wahren zu können.

Soweit es sich um anspruchsvollere, konspirative oder gefährliche Tätigkeiten handelte, waren es möglicherweise gar nicht nur die kommunikativen Fähigkeiten, sondern auch unkonventionelles Denken oder Unerschrockenheit, die den Informatikerinnen oder Spioninnen eigen war.

Placeholder image-2

Mutige Pionierinnen waren Alice Dubois und Hedy Lamarr

Eine der Mutigen war die 1880 geborene, weltläufige und vieler Sprachen mächtige Französin Louise de Bettignies, die unter dem Pseudonym Alice Dubois im Ersten Weltkrieg für den englischen Geheimdienst die Bewegungen der deutschen Truppen auskundschaftete und in der Region Lille mit einem Netzwerk von 80 Personen zusammenarbeitete, bis sie 1915 aufflog. Ein Jahr später wurde de Bettignies zum Tode verurteilt, aufgrund öffentlicher Proteste jedoch begnadigt. Sie starb 1918 in einem Kölner Hospital infolge einer nicht versorgten Infektion.

Im Telefonsaal des Museums begegnet man auch der 1914 in Wien geborenen Erfinderin Hedy Lamarr, einer Hollywood-Schauspielerin, die sich aber mehr für Technik interessierte und im Kampf gegen die Nazis das Frequenzsprungverfahren entwickelte, um feindliche Formationen auf dem Radar erkennen zu können. Es ist noch heute die Grundlage mobiler Telekommunikation.

Die Rolle der Frauen in der Informatik ist nicht erst seit dem Film The Imitation Game (2014) über Alan Turing bekannt. Unter den 12.000 Personen, die den Code Emigma M4 zu dechiffrieren versuchten, waren auch zahllose despektierlich „Rechnerinnen“ genannte Expertinnen, darunter die Kryptologinnen Joan Clarke und Agnes Meyer Driscoll, die zu dem Team gehörten, das ihn schließlich knackte. Länger dauerte es, bis die Pionierarbeit von Ada Lovelace anerkannt wurde. Die Tochter des englischen Dichters Lord Byron, die mit dem Mathematiker Charles Babbage zusammenarbeitete, schrieb bereits in den 1840ern den ersten speziell auf die Ausführung durch einen Rechner zugeschnittenen Algorithmus. In den 197oern wurde die Programmiersprache ADA nach ihr benannt.

Unterschätzte „Rechnerinnen“

Aber wer kennt über Fachkreise hinaus den Namen der Mathematikerin Grace Hopper, die in den 1940ern am Computerlabor der Harvard University als Freiwillige an den Computern Mark I-III arbeitete und 1951 an der Entwicklung des ersten Computers beteiligt war, der in Serie hergestellt wurde? So wenig wie die Namen der vielen Mathematikerinnen übrigens, die ab 1940 in den besetzten Gebieten im Auftrag der nationalsozialistischen Luftfahrtsforschung Rechendienste leisteten oder dazu gezwungen wurden. Hier gäbe es für das Museum noch Lohnendes aufzufinden, um auch die Schattenseite deutscher Forschung zu beleuchten.

Die Geschichte der Frauen in der Mathematik und Informatik, wie sie sich beim Gang durch das Museum für Kommunikation offenbart, lässt jedoch eine Regel erkennen, die schon den Aufstieg der Chemie bestimmte, und die sich später in den Biowissenschaften wiederholen wird. So lange eine Disziplin noch in den Kinderschuhen steckt, wenig anerkannt ist und keine Karriere verspricht, haben Frauen Chancen, an vorderster Front mitzumischen. Erst wenn sich deren Grundlagen gefestigt haben und die Erkenntnisse sich wirtschaftlich verwerten und in Geld, Status und Macht ummünzen lassen, werden die Pionierinnen verdrängt und Männer besetzen die lukrativen Forschungsfelder.

HERstory findet am 8. März im Museum für Kommunikation in Berlin statt