Arnold Schwarzenegger in »Fubar«: Netflix-Serie nach Art von »True Lies«

Arnold Schwarzenegger als Geheimagent Luke Brunner: Ausbruch aus der Festung der Achtsamkeit

Arnold Schwarzenegger als Geheimagent Luke Brunner: Ausbruch aus der Festung der Achtsamkeit


Foto: Christos Kalohoridis / Netflix

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Arnold Schwarzenegger ist 75 Jahre alt. Wenn er in einer Comedy mitspielt, in der er selbstironisch die Relevanz und Potenz von in die Jahre gekommenen Actionhelden ins Visier nimmt, so wie jetzt in der Netflix-Serie »Fubar«, darf ein Gag über Viagra natürlich nicht fehlen.

Und der Gag geht so: Schwarzenegger soll als Geheimdienstagent in Kasachstan einen Hochgeschwindigkeitszug mit Material für eine schmutzige Bombe stoppen, gleichzeitig beauftragt er seinen Sidekick, den auch nicht mehr ganz taufrischen neuen Galan seiner Ex-Frau zu observieren. Der wirft sich vor dem Date gleich vier Viagra-Pillen ein. »Vier Blaue!«, schreit der Sidekick in den Knopf im Ohr von Schwarzenegger, was dieser als Handlungsanweisung versteht, vier blaue Ventile zu öffnen, um den Zug mit dem Bombenmaterial zu stoppen. Der Zug hält tatsächlich – und die atomare Katastrophe kann allen Schäferstündchen-Scherereien zum Trotz abgewendet werden.

Selbstironie hin oder her, Schwarzenegger will Zweifel über die eigene Manneskraft offenbar nicht aufkommen lassen: Viagra brauchen andere, nicht er. Schließlich ist er gerade offiziell von Netflix zum »Chief Action Officer« ernannt worden, schlapp machen gilt da nicht.


Szene aus »Fubar«: Im Verlauf der unvermeidlichen Tötungsvorgänge bleibt viel Zeit für familientherapeutische Belange

Szene aus »Fubar«: Im Verlauf der unvermeidlichen Tötungsvorgänge bleibt viel Zeit für familientherapeutische Belange


Foto: Christos Kalohoridis / Netflix

Bei all der Weltenrettung hat Schwarzeneggers kurz vor der Pensionierung stehender Geheimagent über die letzten 30 Jahre Frau und Tochter vernachlässigt; in Tarnung eines Handelsreisenden für Sportgeräte zog er über den Globus, um Superschurken auszuschalten. Die verlorene Frau (Fabiana Udenio) lässt er ausspionieren, um sie zurückzugewinnen; die Tochter (Monica Barbaro) ist inzwischen ohne sein Wissen selbst Superagentin geworden.

Wo war Dad bei der Mathe-Olympiade?

Weil die Geheimdienstzentrale und der Netflix-Writers-Room es so wollen, müssen Vater und Tochter fortan gemeinsam zu Auslandseinsätzen aufbrechen. Im Verlauf der unvermeidlichen Tötungsvorgänge bleibt viel Zeit für familientherapeutische Belange. Während die beiden im Dschungel von Guyana mit dem Jeep Terroristen totfahren, jammert die Tochter darüber, wie sie früher bei Geigenkonzerten und Mathe-Olympiade Dads Unterstützung vermisste. Und während sie in Unterwäsche in Moldawien einem Wissenschaftler geheime Informationen zu entlocken versucht, sinniert der Alte bei der Observation der Liebesfalle, ob bei der Aufklärung der Tochter im Teenageralter wohl alles richtig gelaufen ist.

Seine Ex stalken, der Tochter beim Sex zuschauen – »Fubar« enthält Passagen, die in ihrer Fragwürdigkeit selbst in einer testosterongetriebenen Zotenparade wie diesem Schwarzenegger-Vehikel verwundern. Zumal der Kinostar ausgerechnet bei Netflix erstmals die Hauptrolle für eine Serie übernimmt. Der US-Streamingdienst gilt als Festung der Achtsamkeit.


Schwarzenegger in »Fubar«: Im Gag-Massaker

Schwarzenegger in »Fubar«: Im Gag-Massaker


Foto: Christos Kalohoridis / Netflix

In »Fubar« aber werden alle Diversitätsgebote und Korrektheitsvorschriften regelrecht über den Haufen geballert: Schwarzeneggers Sidekick in der Serie ist ein krakeelender Schwarzer (Milan Carter), der am Computer für Chaos sorgt. Für den Comic Relief während blutiger Einsätze ist eine lustige Dicke in unvorteilhaften Klamotten (Fortune Feimster) zuständig. Der geopolitische Hintergrund zwischen südamerikanischem Dschungel und anarchischem Kaukasus wirkt wie kurz nach Zerfall der Sowjetunion. Arnie is back – und er hat uns die Neunziger mitgebracht.

Das allein wäre ja nicht schlimm. Aber es werden dadurch eben auch Erinnerungen wach an ein Jahrzehnt, in dem Schwarzenegger sein Image als Actionheld bereits sehr viel kunstvoller auf die Schippe nahm.

Barbar, Cyborg, Comedian

Kaum hatte er sich in den Achtzigern als Barbar (Conan) oder Cyborg (Terminator) als Hollywoods effizienteste Menschmaschine etabliert, da spielte er schon lustvoll mit dem Männlichkeits- und Unkaputtbarkeitskult um seine Person: Die in dieser Zeit entstandenen Filme, »Last Action Hero« von John McTiernan (1993) etwa oder »True Lies« von James Cameron (1994), sind Höhepunkte des Popcornkinos, die ziemlich gut gealtert sind. Was auch daran liegt, dass sie bei riesigem Produktionsaufwand auch immer die Mittel der Herstellung und die Tricks hinter dem Storytelling reflektierten.

Diese selbstironische Raffinesse sucht man bei »Fubar« (Regie: Phil Abraham) vergeblich – obwohl der Plot vom zerrissenen Actionhelden, der zwischen Weltenrettung und Familienleben aufgerieben wird, deutlich von »True Lies« inspiriert ist. Doch wo in Camerons Kinoepos den Helden der Spagat zwischen Biedermann und Brechstange in aberwitzige Stunt-Parcours führte, da wird der Stoff nun nach aktueller Netflix-Manier auf die allergängigste Serienformel runtergebrochen, die sich mit ihrem dramaturgischen Dauerleerlauf voll den aktuellen Comedy-Konventionen des Streaminganbieters fügt. »Emily in Paris«, »Arnie in Kasachstan«, man kann bequem von einem Format zum anderen hoppen.

Dass die Figur Schwarzenegger in dem um sie herumgebauten Format zu verschwinden droht, ist die ungewollte ironische Pointe der Serie. Ihr Titel, »Fubar«, ist ein aus dem Militärischen entlehnter Begriff, der als Akronym für die Zustandsbeschreibung von Verletzten gilt: Fucked up beyond all recognition, bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Das trifft nach diesem Gag-Massaker leider auch auf die Actionikone Schwarzenegger zu.

»Fubar« läuft bei Netflix