Apple: Mit „Vision Pro“ will man die virtuelle Realität neu erfinden. Für 4000 Euro – WELT

Der iPhone-Konzern Apple hat am Montagabend seine erste Virtual-Reality-Brille vorgestellt – unter dem Namen „Apple Vision Pro“ soll sie im kommenden Jahr auf den Markt kommen. Sie ist das erste grundlegend neue Gerät des Konzerns seit fast zehn Jahren. Apple-CEO Tim Cook nannte die Brille einen „räumlichen Computer“ („spatial computer“) und verglich die Bedeutung des Geräts für Apple mit der Einführung des ersten Personal Computers 1984 und des ersten iPhones 2007.

„Ihre Umgebung wird eine unendliche Leinwand für Inhalte“, erklärte Cook das Grundkonzept der „Vision Pro“. Die Idee Apples: Die Brille soll vor allem Arbeits- und Kommunikationsgerät werden und die Programme und 2D-Inhalte der Apple-Produkt-Welt in einen dreidimensionalen, virtuellen Raum überführen. Damit unterscheidet sich Apples Ansatz von dem des Virtual-Reality-Vorreiters Meta, der mit seinen Quest-Brillen vor allem auf 3D-Spiele und interaktive Inhalte setzt.

Apple sieht die „Vision Pro“ als einen Computer, der allein für sich stehen kann – er soll grundlegend ändern, wie seine Nutzer arbeiten, kommunizieren oder entspannen und Filme gucken. Gleichzeitig versucht Apple, einige grundlegende Probleme der Virtual Reality auszuräumen, indem die „Vision Pro“ ihren Nutzer nicht von seiner Umwelt abschneidet.

5000 Patente und die Hoffnung auf den Durchbruch für die Technologie

Apples Entwickler präsentieren dafür einige ungewöhnliche Lösungen zur Bedienung und zur Einbindung des Nutzers. Sie gaben an, seit Jahren an dem Gerät zu arbeiten und inzwischen mehr als 5000 Patente dafür angemeldet zu haben. Ein wenig erinnerte die Präsentation an den Moment, in dem Steve Jobs 2007 bei der Präsentation des iPhones auf die Patente verwies, die das damals neue Bedienkonzept schützten. Auch diesmal – wie damals beim Smartphone – könnte Apple es schaffen, eine bislang kommerziell erfolglose Technologie zum Massenerfolg zu verhelfen.

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Apple Grundidee ist es, die „Vision Pro“ mittels zwölf Kameras, fünf Bewegungssensoren, sechs Mikrofonen und IR-Sensoren in die Umwelt einzubinden. Nutzer sollen sich stets ihrer Umgebung bewusst sein, und umgekehrt sollen die Umstehenden den Nutzer weiterhin sehen.

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Dafür hat Apple nicht nur zwei stereoskopische Displays in die Brille eingebaut, sondern auch die Außenseite mit einem gebogenen 3D-Bildschirm unter Glas gestaltet. Ein wenig erinnert die Form an eine übergroße Skibrille, durch die das Gesicht des Nutzers durchscheint. Die Augenbewegungen auf dem Bildschirm außen entsprechen der realen Blickrichtung. So soll Augenkontakt möglich sein, selbst wenn der Nutzer die Brille trägt. Auch vermeidet Apple ohrabschließende Kopfhörer, stattdessen sind Lautsprecher im Brillenband eingebaut. Auf dem Außenbildschirm können Umstehende sehen, ob der Nutzer gerade Medieninhalte ansieht oder aber seine Umgebung anblickt.

Die Displays in der Brille sollen mit insgesamt 24 Millionen Pixeln derart fein auflösend darstellen, dass der Nutzer keinerlei Pixelstrukturen mehr wahrnehmen kann. Dank der Kameras außen kann er also wahlweise seine Umwelt wie real sehen oder aber eine virtuelle Umwelt und reale Umgebung verschmelzen, also etwa das reale Wohnzimmer um eine virtuelle Aussicht auf einen nächtlichen Vulkan ergänzen oder die Wohnung zugunsten eines virtuellen Kinos ganz ausblenden.

Die Nutzer finden alles aus der Apple-Welt in der virtuellen Realität wieder

Alle Inhalte, Apps und Programme, die die Nutzer bereits von ihren anderen Apple-Geräten kennen, werden in der virtuellen Realität ebenfalls dargestellt, allerdings haben sich die Apple-Designer große Mühe gegeben, die üblichen Programm-Symbole und Fenster in die dritte Dimension zu übertragen, etwa durch Schattenwurf und 3D-Struktur. Insbesondere Arbeitsprogramme werden nahtlos umgesetzt, so etwa die komplette Microsoft-Office-Suite oder Kollaborations-Programme wie Teams, 3D-lastige Design-Programme oder Photoshop. Dank der hohen Auflösung der Displays werden selbst feine Schriften problemlos dargestellt, so soll ermüdungsfreies Arbeiten auf riesigen virtuellen Bildschirmen möglich sein, die frei skalierbar virtuell vor dem Nutzer schweben.

Auch die Bedienung der virtuellen Realität will Apple neu gedacht haben. Ähnlich wie Anfang der 80er-Jahre mit der Maus und beim iPhone mit Multitouch erfindet Apple das Nutzerinterface nicht komplett neu, aber kombiniert vorhandene Technologien auf potenziell revolutionäre Weise. Die Entwickler setzen für die Bedienung ihrer Brille auf die Kombination von Blickwinkel-Verfolgung, Spracherkennung und 3D-Handgesten, die von speziellen Kameras am unteren Rand der Brille erfasst werden.

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Nutzer benötigen keinerlei Hand-Kontroller oder kabelgebundene Geräte, können aber alternativ die realen Tastaturen und Trackpads ihrer Mac-Computer in die virtuelle Realität einbinden. Eine Drehkrone ähnlich wie bei der Apple-Watch ermöglicht, grundlegende 3D-Einstellungen wie etwa den Zoom-Faktor per Handgriff zu regeln. Mittels Foto-Taste am Display-Rahmen können die Nutzer ihre Umgebung dreidimensional aufzeichnen.

Überhaupt bleibt der Eindruck, dass Apple seine gesamten Entwicklungsergebnisse und Technologien der vergangenen Jahre zusammengeführt und in die Brille gesteckt hat: Der leistungsstarke M2-Chip stammt aus dem Macbook Pro, die Sensorik aus den Mobilgeräten, die Krone aus der Apple Watch, die Bildverarbeitung aus den iPhones, die Audiotechnik aus den Airpods.

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Software-Grundlage für das spatiale Betriebssystem ist ein vollständig überarbeitetes iOS, dabei legten die Programmierer insbesondere auf völlig ruckelfreie Darstellung viel Wert – Apple will die „Motion Sickness“, die Übelkeit dank Virtual Reality bei empfindlichen Nutzern, unbedingt vermeiden.

Die Brille stellt nicht nur Inhalte vom iPhone wie 3D-Fotos auf neue Art dar, sondern kann auch sämtliche Apps aus dem iOS-Universum und vom Mac übernehmen. Die Nutzer müssen nicht erst neue Inhalte und Programme kaufen, sie finden in der VR-Welt eine vertraute Umgebung vor. Damit hat Apple gegenüber anderen Anbietern einen erheblichen Vorteil. Die „Apple Vision Pro“ wirkt wie eine spektakuläre Erweiterung der Apple-Welt, das gesamte Design kommuniziert: Hier kommt etwas Neues – aber der Nutzer wird es dennoch so einfach nutzen können wie sein iPhone oder seinen Mac.

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Ganz nebenher haben sich die Apple-Ingenieure zudem Gedanken um praktische Probleme gemacht, die das VR-Ergebnis bei der Konkurrenz bislang schmälern: Anstatt Passwörter mühsam einzugeben, hat Apple unter dem Namen „OpticID“ einfach mal einen Iris-Scanner eingebaut. Anstatt mühsam zu versuchen, die Brille für jede Kopfform passend zu machen, bietet Apple die sogenannte Lichtschürze, also die Abdeckung um die Augen, sowie das Kopfband in unterschiedlichen Größen an.

Die Akkus werden aus der Brille an den Gürtel oder in die Hosentasche verbannt, um das Gerät so leicht wie möglich zu machen. Sie sind zudem vom Kabel abnehm- und austauschbar, halten zwei Stunden pro Ladung. Schließlich kümmert sich Apple auch um die Brillenträger: Zusammen mit dem deutschen Optik-Spezialisten Zeiss will der Konzern austauschbare Linsen anbieten, die an die Sehstärke des Nutzers angepasst werden.

Kurz, Apple hat viel Zeit und Geld investiert, um die „Pain Points“, die störenden Punkte rund um die virtuelle Realität, verschwinden zu lassen. Tim Cook nennt die „Vision Pro“ das fortschrittlichste Mobilgerät der Welt. Dafür aber will der Konzern einen fürstlichen Preis aufrufen. In den USA soll die Brille 2024 für 3499 Dollar netto eingeführt werden, zuvor sollen bereits ausgewählte Entwickler-Studios mit den Geräten arbeiten können, um passende Inhalte zu entwerfen.

Der Preis dürfte die Brille zum Statussymbol machen

In Europa wird der Preis damit voraussichtlich bei über 4000 Euro brutto liegen, damit würde die Brille zugleich auch zu einem Statussymbol. Details zur Markteinführung nannte Apple jedoch noch nicht.

Facebook-Mutterkonzern Meta, vom Gründer Mark Zuckerberg seit zwei Jahren komplett auf Virtual Reality ausgerichtet, wählt einen anderen Ansatz als Apple: Zuckerberg selbst stellte am Freitag seine neue VR-Brille Meta Quest 3 vor – bewusst vor dem Apple-Termin, damit die Brille nicht in den Apple-Nachrichten untergeht. Doch das Meta-Produkt richtet sich an eine andere Zielgruppe: Mit 570 Euro ist die Quest 3 deutlich günstiger als Apples Vision Pro und massentauglich, und sie ist vor allem eine Virtual-Reality-Brille.

Der Durchblick in die reale Welt ist dennoch mittels Kameras möglich, „Full-Color Passthrough“ nennt Meta das. Zuckerberg stellte die Idee vor, damit etwa Interaktionen mit digitalen Objekten wie Spielfiguren in realer Umgebung zu ermöglichen. Jedoch können die Umstehenden den Nutzer nicht anblicken, die revolutionäre Idee eines Außendisplays, dass den Nutzer zeigt, hat Apple für sich.

Damit richtet sich die Quest vor allem an Computerspieler, auch wenn Meta aktuell dringend versucht, Anwendungen über die Spiele-Welt hinaus zu finden. Der verbaute Snapdragon-XR2 Prozessor hat genügend Leistung für aufwendige 3D-Spiele, soll mehr als doppelt so schnell arbeiten wie die Hardware der Vorgängerbrille Quest 2. Die Brille ist zudem leichter und schmaler als die Quest 2. Am 27. September will Zuckerberg mehr Details nennen und dann auch ein Startdatum nennen – voraussichtlich vor Apple.

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Source: welt.de