Antigrün und bürgerlich – so gewinnt man Großstädte!

„Dealer, Diebe, aggressive Bettelei“

Was der 56-jährige den Wählern versprach, war eine kantige bürgerliche Agenda samt Distanzierung von grün-roten „Träumereien“. Das kam an. Ungeschminkt beschrieb er Kriminalität und Verwahrlosung, nannte grassierenden Drogenkonsum samt damit verbundener Beschaffungskriminalität die „größte Herausforderung“ (neben besserer Standortpolitik), schimpfte über „Dealer, Diebe und aggressive Bettelei“ – und erklärte zunehmende „Gewalt- und Straßenkriminalität“ zum Top-Problem. Das verschaffte ihm Profil. Denn SPD-Oberbürgermeister Thomas Westphal und die Grünen reagierten darauf meist unvorteilhaft: mit einer Relativierung dieser Probleme. Auch den CDU-Antrag, Betteln in der Innenstadt zu verbieten, lehnten sie ab (erst vor der Wahl steuerte Westphal etwas um). Einen härteren Kurs gegenüber Drogenkonsum auf Straßen und Plätzen ließen sie abblitzen. Die Eröffnung weiterer Drogenkonsumräume wurde verzögert, während Kalouti hier auf mehr Tempo drängte. Und sein Plan, den kommunalen Ordnungsdienst (KOD) von 78 auf gleich 200 Außendienstler auszubauen, fand bei SPD und Grünen gleichfalls keine Gnade. Beim Wähler hingegen schon.

„Deutschland mit seiner Kultur sollte im Zentrum stehen“

Zu Kaloutis Erfolgsrezept gehörten auch betonte Unterschiede in Fragen der Integration. Westphal schnurrte ein ums andere Mal sein Plädoyer für „Vielfalt“, „Weltoffenheit“ und eine bunte Stadtgesellschaft herunter. Kalouti dagegen warnte vor „weltfremden Idealisierungen“ und mahnte, „eine starke Betonung der Abstammungshistorie“ schade „oft mehr als sie nutzt. Wenn sich Menschen primär über Minderheitenzugehörigkeit definieren, werden nur identitäre Schützengräben vertieft“, hieß es von ihm. Für Zugewanderte sollte „Deutschland mit seiner Kultur im Zentrum stehen – auch wenn Migranten noch etwas anderes im kulturellen Gepäck“ trügen.

Dass er gleichwohl weltoffen ist, muss Kalouti nicht aussprechen, das lebt er: Seine Mutter ist evangelische Brandenburgerin, sein Vater muslimischer Palästinenser. Im Großraum Jerusalem hat Kalouti hunderte Verwandte. Er selbst ist in Beirut geboren, wuchs im Badischen auf und studierte in London. (Zeitweise arbeitete er übrigens als Schauspieler, bis zur Wahl war er als Pressesprecher des Theaters in Dortmund tätig, womit er wohl nicht dem Klischee eines Law-and-order-Politikers entspricht).

Distanz zu den Grünen gewahrt

Seinen klaren Kurs behielt er auch vor der Stichwahl bei – in einer schwierigen Situation. Er hatte 17 Prozent der Stimmen bekommen, Westphal 27. Die Grünen signalisierten, sie würden für Kalouti keine Wahlempfehlung abgeben, wenn er bei seinen zentralen Forderungen nicht Abstriche mache. Doch Kalouti verzichtete auf grüne Hilfe und pflegte lieber sein bürgerliches Profil. Und siehe da: Das trug ihn zum Sieg. Im zweiten Wahlgang, in dem der konservative unabhängige Kandidat Martin Cremer und der AfD-Kandidat nicht mehr antraten, kletterte Kalouti auf fast 53 Prozent. Aber wie erwähnt: Ein Blick auf den künftigen Stadtrat verrät, dass ihm dort die Mehrheit fehlt, um seine Agenda durchzusetzen. Will er eine solche organisieren, braucht er SPD oder Grüne. Die aber beäugen seine Pläne mit viel Skepsis. Werden die CDU-Wähler bald also lange Gesichter ziehen?

Vielfalt, Buntheit, Weltoffenheit – kein Thema

Kölns neuen Oberbürgermeister Torsten Burmester unterscheidet zweierlei von Kalouti: Sein Sieg war weniger historisch, zudem ist er Sozial-, nicht Christdemokrat. Was den 62-Jährigen aber doch mit Kalouti verbindet, sind zum einen bürgerliche und antigrüne Akzente, zum anderen große Erwartungen, die er damit erweckt hat – und die er ebenfalls schwerlich wird erfüllen können. Burmester setzte sich rhetorisch gekonnt von seiner grünen Konkurrentin Berivan Aymaz ab, die die Trias Vielfalt, Buntheit, Weltoffenheit zu einer Art Fundament ihrer Reden machte, ergänzt allenfalls um das Duo „Hass und Hetze“. Der langjährige Ministerialbeamte und Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes dagegen verzichtete auf alles, was man grün-rote Großstadtfolklore nennen könnte.

„Den Grünen zeigen, was eine Harke ist“

Obendrein nannte er die Entscheidung zwischen ihm, dem Roten, und Aymaz, der Grünen, eine „Richtungsentscheidung“ – sprich: eine Wahl zwischen grundlegend unterschiedlichen Politikentwürfen. Auch haute er Sprüche heraus wie „Jetzt zeigen wir den Grünen mal, was ’ne Harke ist“. Unablässig ritt er zudem auf den Themen Sicherheit, Sauberkeit und offene Drogenszenen herum. Während Aymaz in Sachen innere Sicherheit forderte, Polizei und Ordnungsamt müssten „deeskalierend“ wirken, predigte Burmester, in Köln sei „das Sicherheitsgefühl ins Wanken geraten“, die Stadt müsse endlich „sicher und sauber“ werden. Ebenso forderte er einen Ausbau des kommunalen Ordnungsamts. In einer Schwulenbar bekam er dafür bei einer Wahlkampfveranstaltung an den Kopf geworfen, er solle mit dem „CDU-Gelaber“ aufhören. Außerhalb dieser Bar konnten die Wähler damit jedoch mehr anfangen.

An die Nöte der Mehrheit denken

Auf sie zielte Burmester. Noch zwei Tage vor der Wahl verbrachte er zehn Stunden am Neumarkt, dem Top-Hotspot der Drogensüchtigen, die dort schreien, defäkieren, onanieren, sich einen Schuss setzen oder prügeln. Seine Forderung: Im Eiltempo müssten sozialmedizinische Anlaufstellen für Süchtige geschaffen werden. Im Gegenzug sollten sie all das, womit sie bislang die Bürger verschrecken, nicht mehr auf Straßen und Plätzen tun dürfen und notfalls vertrieben werden. Publikumswirksam mahnte Burmester die Grünen daher, im Umgang mit

Drogenszenen stärker an die Nöte der Mehrheit zu denken.

Den Grünen-Kritiker gab er auch beim Thema Verkehrswende. Aymaz flirtete mit dem typisch-grünen Instrumentarium: Mehr Tempolimits und autofreie Zonen, mehr Fahrradspuren und Parkgebühren, dafür weniger Autospuren und Parkplätze. Burmester setzte dagegen, er wolle dem Auto mehr Raum lassen, man dürfe Autofahrer nicht mobben. Auch deshalb warb er für den teuren Bau eines unterirdischen ÖPNV-Tunnels, um insgesamt mehr Platz für Verkehrsteilnehmer zu bekommen (was Aymaz folgerichtig ablehnte). All das kam an bei 53 Prozent der Wähler.

Doch auch die könnten bald enttäuscht werden – und erkennen: Mit bürgerlich-grünenkritischen Inhalten kann man zwar gut Wahlen gewinnen, aber noch lange nicht gut regieren. Denn um eine Mehrheit im Stadtrat zu bekommen, ist auch Burmester auf die Grünen oder die Linke oder auf beide angewiesen. Und auch diese Parteien beäugen seine Pläne mit großer Skepsis.

Source: welt.de