Anschluss vsl nicht erreicht: Fallt nicht hinaus die Flixtrain-Verbindung dieser Bahn rein!
Mich bringt die Deutsche Bahn normalerweise nicht so aus der Ruhe. Eine Stunde später am Ziel? Okay, mehr Zeit, um aus dem Fenster zu schauen. Zwei Stunden? Na gut, dann kaufe ich doch die Erdnüsse im Bordrestaurant. Bordrestaurant hat schon geschlossen? Schade, aber die Witze darüber, die man mit den anderen reißen kann, machen die Fahrt gleich angenehmer. Mal ehrlich, es passiert genug Schlimmes auf der Welt – solange die Bahn uns irgendwie von A nach B bringt, ist doch alles in Ordnung. Aber dann kam dieser Tag, an dem alle Wege nach Fulda führten.
Egal, was ich tat, ich landete in Fulda. Fucking Fulda! (Nichts gegen die Stadt! Aber wenn sie nicht auf dem Weg liegt, wieso müssen alle Bahnreisenden durch Fulda?) Schuld daran: die DB Navigator App und ihre Kooperation mit Flixtrain. Möge sie in der Hölle schmoren. Warum diese Aufregung? Weil Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) die Verkündung, dass Evelyn Palla neue Chefin der Deutschen Bahn wird, nutzte, um zu verkünden: Bald sollen wir mit der DB Navigator App auch Flixtrain-Tickets kaufen können. „Für Begeisterung“ sorge diese Ankündigung „in der Branche“, schreibt der Spiegel.
Begeisterung? Ja, bei Flixtrain vielleicht! Aber doch nicht bei uns Bahnkunden. Aufruhr! Widerstand! Ich sage: Das muss verhindert werden.
„Teilstreckenpreis“ lautet das Zauberwort in der DB Navigator App, das in den Wahnsinn führt
Es ist folgendermaßen: Die Deutsche Bahn bekommt viele ihrer Strecken gerade nicht richtig hin, weil sie sanieren muss. Die Strecke Hamburg–Berlin beispielsweise. Andere Baustelle war im August: München–Berlin. Wer von diesen Störungen profitiert: das private Konkurrenzunternehmen Flixtrain. Die haben ungefähr fünf Prozent Marktanteil und wollen der DB Konkurrenz machen. 65 Züge will Flixtrain dazukaufen und so die „größte private Fernverkehrsflotte in Europa betreiben“, freute sich Flixtrain-Chef André Schwämmlein im Mai. Und die Deutsche Bahn will ihre Konkurrenz mit offenen Armen empfangen, zumindest in ihrer App.
Schon jetzt werden Verbindungen von Flixtrain in der DB Navigator App angezeigt, als wären sie ganz normale DB-Züge. Man kann diese Verbindung anwählen, man kommt zum Bezahlportal, man bezahlt das Ticket – fertig. Denkste! Ganz klein wird folgende Meldung angezeigt: Teilstreckenpreis. Und klickt man darauf, erfährt man: „Dieses Ticket gilt nur für eine Teilstrecke.“
Konkret heißt das: Man kauft in der DB-App ein Ticket Bozen–Berlin, hat aber eigentlich nur Bozen–Fulda bezahlt. Das Ticket mit Flixtrain ab Fulda ist nicht bezahlt. Kann man auch gar nicht in der DB-App. Bislang. Man hat also eine Verbindung Bozen–Berlin in der DB App gespeichert, man hat dazu ein Ticket gekauft und gespeichert, und man hat den winzigen Hinweis, dass das Ticket nur für eine Teilstrecke gilt. Bis Fulda nämlich. Ab da ist man dann aufgeschmissen. Doch genau das will Patrick Schnieder nun ändern.
Was Verkehrsminister Patrick Schnieder mit Flixtrain vorhat
Bald soll sich die DB Navigator App für die Konkurrenz öffnen. Dass Flixtrain begeistert ist, kann man sich denken: Weil die Bahn sich so selber sabotiert, natürlich freut sich da die Konkurrenz der Privaten. „Die Kunden erwarten, dass sie alle Bahnverbindungen über das Portal transparent mit Preisanzeige sehen und auch buchen können“, jubelt André Schwämmlein im Spiegel-Interview, und geht schon in die Planung: „Was die technische Lösung angeht, sind wir offen.“
Die Bahnkunden aber wissen noch gar nicht, was sie erwartet. Denn: Das Problem ist nicht der Ticketkauf an sich.
Wo waren wir? Ach ja, in München. Ich bemerke glücklicherweise schon vor Fulda, nämlich 30 Minuten vor Abfahrt meines ICEs in München, dass ich kein Ticket für die Fahrt von Fulda nach Berlin habe, sondern das bei Flixtrain kaufen muss. Ich hole mir die Flixbus-App und kaufe ein Flixtrain-Ticket.
Dann warte ich auf meinen ICE. Der kommt aber nicht. Zehn Minuten Verspätung werden angezeigt. Ist ja nicht viel. Oder? Ich überlege: Wie viel Umsteigezeit habe ich nochmal in Fulda? Ich gehe in die DB Navigator App. Umstiegszeit in Fulda: acht Minuten. Und schon zeigt mir die DB Navigator App die rote Meldung an: Anschluss wird voraussichtlich nicht erreicht.
Ich klicke auf Alternativen. Es gibt einen ICE von Fulda nach Berlin, nur 40 Minuten später. Nur: Mein Ticket gilt nicht für diesen ICE. Mein Flixtrain-Ticket gilt natürlich nur für Flixtrain Fulda–Berlin, nicht für eine Verbindung der Deutschen Bahn Fulda–Berlin. Den Flixtrain-Zug verpasse ich aber, wegen der DB-Verspätung in München.
„Ihr Vertrag mit der Deutschen Bahn endet in Fulda“
Ich gehe in das Service-Büro der DB in München. Zeige ihnen meine DB Navigator App. „Durch die Verspätung ist die Zugbindung aufgehoben“, sagt mir der Herr von DB, „Sie dürfen jetzt jeden Zug nach Fulda nehmen, den Sie wollen.“ „Ich will aber gar nicht nach Fulda“, entgegne ich. „Ich will nach Berlin.“ „Ihr DB-Ticket gilt nur bis Fulda“, weiß er zu antworten. Ich nicke. „Ich habe ein Flixtrain-Ticket ab Fulda.“ „Dann müssen Sie mit dem Flixtrain ab Fulda fahren“, weiß der DB-Mensch. Ich schüttele den Kopf. „Den verpasse ich ja wegen der Verspätung der Bahn.“ „Unser Vertrag endet in Fulda“, sagt jetzt der Herr der Deutschen Bahn. „Aber das Flixtrain-Ticket habe ich ja nur, weil die DB Navigator App es mir angedreht hat!“, sage ich. „Wenn ich den Flixtrain jetzt nicht bekomme …“ „Das tut mir leid. Aber Ihr Vertrag mit der Deutschen Bahn endet in Fulda.“
Jeder, der im vergangenen Jahr mal mit der DB gefahren ist, kann sich ausrechnen, wie oft sowas passieren wird: Dass ein Flixtrain-Anschluss wegen Verspätungen bei der Deutschen Bahn nicht erreicht wird und die Leute irgendwo stranden, wo sie ein irre teures DB-Flexticket kaufen müssen, um ans Ziel zu kommen.
Mein Wunsch an die neue Bahnchefin Evelyn Palla
Mein ICE fuhr übrigens eine Umleitung über Würzburg, wo er eine Stunde stehenblieb, weil vor ihm ein anderer ICE auf der Strecke liegen geblieben war und evakuiert werden musste. Der ICE, der zur Evakuierung losfuhr, wurde in Würzburg ebenfalls evakuiert, seine Insassen kamen zu uns (nicht, dass wir Platz hätten). Und wir? Mussten eine weitere Umleitung fahren. Über, tadaaa: Fulda. Wo mein Flixtrain vor inzwischen zwei Stunden abgefahren war – nach Berlin.
Zehn Stunden von München nach Berlin, 200 Euro. Danke, DB Navigator App. Mein Wunsch an die neue Bahnchefin Evelyn Palla: Wenn Ihnen irgendwas an der Bahn liegt, bitte Flixtrain rauslassen!