Angekündigter Realitätscheck: Bereitet Katherina Reiche Kehrtwende welcher Energiepolitik vor?

Das Bundeswirtschaftsministerium will bis Ende August eine Übersicht darüber gewinnen, wie die Energiewende verlässlicher sowie für private und gewerbliche Verbraucher kostengünstiger gestaltet werden könnte. Dazu hat das Haus von Katherina Reiche (CDU) Ende Juni bei Fachinstituten eine Bestandsaufnahme samt Handlungsempfehlungen in Auftrag gegeben, wie ein Ministeriumssprecher am Freitag bestätigte. Der Leistungsbeschreibung des sogenannten Monitorings zufolge soll ein Entwurf des Endberichts Ende Juli, die Schlussfassung dann am 31. August vorliegen. Unter Energiewende versteht man den Umbau im Sinne des Klimaschutzes.
Die möglichen politischen Konsequenzen der Überprüfung könnten weit reichen, ein grundlegendes Umsteuern in der Energiepolitik ist nicht ausgeschlossen. „Ausgehend von der Bestandsaufnahme ist zu fragen, ob es einer Neuausrichtung der Energiepolitik bedarf, um bei der Umsetzung nationaler und europäischer Klimaziele Kosten zu minimieren und Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, heißt es in der Leistungsbeschreibung.
Das Thema erreicht neue Brisanz
Die vorzuschlagenden Handlungsoptionen seien „nicht an die bisherigen Zielszenarien der Bundesregierung gebunden“. Es sei „explizit eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Szenarien und deren Annahmen gewünscht, insbesondere wenn diese nicht alle tatsächlich bestehenden Restriktionen und Kosten sowie technologischen Optionen in den Blick genommen haben sollten“.
Das Thema hat neue Brisanz erreicht, da die schwarz-rote Regierung ein anderes Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag zur Verringerung der Energiekosten vorerst nicht einhalten kann oder will: Die als „Sofortmaßnahme“ angekündigte Senkung der Stromsteuer „für alle“ auf das europäische Mindestmaß, also auch für Privathaushalte, wird gemäß Koalitionsausschuss vorerst nicht kommen, da dafür angeblich das Geld fehlt.
Das Ziel ist ein „gesamtsystemisch konsistentes Bild“
Zu dem jetzt in Auftrag gegebenen Prüfbericht sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums: „Unter Berücksichtigung der Klimaschutzziele ist eine konsequente Ausrichtung aller Bereiche auf Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit die Leitschnur des Monitorings und der darauf aufbauenden Handlungsoptionen.“ Das Ziel sei ein „gesamtsystemisch konsistentes Bild“. Im Koalitionsvertrag wird ein Monitoring versprochen, „mit dem bis zur Sommerpause 2025 der zu erwartende Strombedarf sowie der Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Ausbaus der erneuerbaren Energien, der Digitalisierung und des Wasserstoffhochlaufs als eine Grundlage der weiteren Arbeit überprüft werden“.
Das Ministerium präzisierte am Freitag: „Der klare Fokus liegt hierbei auf dem energiepolitischen Zieldreieck aus Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit.“ Es gehe hinsichtlich der „bisherigen“ Ziele der Bundesregierung um eine Analyse der „Erreichbarkeit, Konsistenz und der damit verbundenen Kosten“.
Hintergrund für die Überprüfung sind Hinweise aus der Branche, etwa von Netzbetreibern, Versorgern und Wissenschaftlern, dass die gegenwärtigen Pläne zur Finanzierung und zum Ausbau des Ökostroms und der Leitungen übertrieben und damit zu teuer sein könnten.
Kritik von Klimaschützern
So steigt die Stromnachfrage einigen Studien zufolge nicht so schnell wie angenommen. Zudem entstünden überdimensionierte oder fehlplatzierte Speicher, Wind- und Solarparks sowie Dachanlagen. Die Einspeisevergütung erfolge unabhängig vom Bedarf und dem aktuellen Strompreis, Erzeuger würden bisher nicht an den hohen Systemkosten zur Netzstabilität beteiligt, die (digitale) Verteilung sei unzureichend, es würden teure Erdkabel statt Freileitungen verlegt, und für Zeiten unzureichender Ökostromerzeugung (Dunkelflauten) fehlten in Zukunft die regelbaren konventionellen Kapazitäten für die gesicherte Leitung.
Das Ministerium teilte mit, am 26. Juni das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln (EWI) sowie das Beratungsunternehmen BET Consulting in Aachen mit dem Monitoring beauftragt zu haben. An dem Verfahren ohne weitere Ausschreibung hatte es Kritik gegeben. Das Ministerium erwiderte, aufgrund des Zeitdrucks habe man einen Rahmenvertrag mit BET als Konsortialführer vergeben. In der Leistungsbeschreibung ist von einem „extrem ambitionierten Zeitplan“ die Rede.
Klimaschützer, etwa aus den Reihen der Deutschen Umwelthilfe (DUH), äußerten Kritik. Offenbar gebe es Vorgaben für die Auftragnehmer, den Strombedarf „runterzurechnen“. Reiche suche nach Begründungen, um den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze zu bremsen.