Ein vermeintliches Fahndungsplakat in Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“, das Stefan Aust mit einem falschen Foto aufgeführt hatte, löste einen Rechtsstreit aus. Nun hat sich der Journalist gegen das ZDF und den Satiriker durchgesetzt.
Der frühere „WELT“-Herausgeber Stefan Aust hat sich vor Gericht gegen das ZDF durchgesetzt. Nachdem Jan Böhmermann in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ ein fiktives Fahndungsplakat gezeigt hatte, das unter anderem den Journalisten aufführte, aber mit einem fremden Foto versehen war, klagte dieser vor dem Landgericht Hamburg. Aust siegte in mehreren Instanzen und war nun auch vor dem Bundesgerichtshof erfolgreich, wie das Rechtsmagazin „Legal Tribune Online“ berichtet.
Auslöser der Prozesse war eine Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ im November 2022. In dieser hatte Böhmermann die Debatte um die mögliche Entstehung einer „Klima-RAF“ aufgegriffen, vor der unter anderem der damalige Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Alexander Dobrindt, mit Blick auf Aktivisten der „Letzten Generation“ gewarnt hatte.
Auch der frühere FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte „große Sorgen über die immer weiter fortschreitende Radikalisierung von Teilen der Klimabewegung“ geäußert. Der ZDF-Satiriker griff den Vorwurf der Radikalisierung auf und beschuldigt die FDP ebendieser.
„Die wahren Staatsfeinde haben sich jahrelang hinter einer bürgerlichen Fassade versteckt und besetzen inzwischen höchste Regierungsämter“, führte er damals aus. Böhmermann riss Statements der Partei aus dem Zusammenhang oder legte sie bewusst falsch aus, um sie in den Kontext einer terroristischen Vereinigung stellen zu können. „RAF und FDP, beides gefährliche, radikale Studentenbewegungen – staatlich finanziert“, sagte er in seiner Show. Christian Lindner bezeichnete er als „Arbeiterführer“.
In diesem Zusammenhang imitierte der Satiriker das bekannte Fahndungsplakat, mit dem Anfang der 1970er-Jahre nach der „Baader/Meinhof-Bande“ gesucht worden war. Dabei ersetzte er „Anarchistische Gewalttäter“ durch „Linksradikale Gewalttäter“ sowie die Fotos von Ulrike Meinhof oder Gudrun Ensslin etwa durch den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, dessen früheren Parteikollegen Thomas Kemmerich, den Kabarettisten Dieter Nuhr oder Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE. Auch Stefan Aust erschien auf dem Plakat, den Böhmermann als Herausgeber der „staatsfeindlichen Aktivistenvereinigung“ „WELT“ vorstellte.
Gegenüber „WELT“ rügte Aust das Vorgehen Böhmermanns eindringlich. Das „als Satire getarnte“ Fahndungsplakat sei eine „Unverschämtheit und Beleidigung“. Wenn es nicht von dem „linken“ Satiriker stammte, sondern von rechts käme, wäre es vor Gericht bestraft worden, betonte der Journalist. „Es war allen Betroffenen klar, dass scheinbar linke ‚Satire‘ hier machen kann, was sie will.“
Der Journalist klagte jedoch nicht wegen des Plakats als solches gegen das ZDF, sondern stieß sich daran, dass sein Name in Verbindung mit einem Foto des Schauspielers Volker Bruch abgedruckt worden war, der 2008 den jungen Stefan Aust im Film „Der Baader Meinhof Komplex“ gespielt hatte. „Wer Leute verunglimpfen will, sollte wenigstens das richtige Foto nehmen. Und selbst das können sie nicht“, erklärte der einstige „Spiegel“-Chefredakteur gegenüber „WELT“. „Insofern war die Klage eigentlich ein kleiner Scherz.“
Aust gewann sowohl das einstweilige Verfügungsverfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Hamburg sowie das anschließende Hauptsacheverfahren. Nun hat auch der Bundesgerichtshof die gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen. Der Journalist müsse es nicht hinnehmen, dass sein Name in einem satirischen Fahndungsaufruf einem falschen Foto zugeordnet werde.
Die „Legal Tribune Online“ hatte das Verfahren bereits Anfang 2024 kommentiert. „Der satirische Clou der Sendung war der Versuch von Böhmermann, mit einer Hyperbel die Absurdität des RAF-Vergleichs zu verdeutlichen“, schrieb damals Felix W. Zimmermann. „Er behauptete mit absichtlich schwachen und konstruierten Argumenten, dass eigentlich die FDP die neue RAF sei.“ Dass nicht etwa das Fahndungsplakat, sondern eine „Lappalie“ dem Moderator und seinem Sender eine gerichtliche Niederlage eingebracht habe, stelle „das zentrale Satireelement des Spiels mit Wahrheit infrage“.
Im Zuge der Verhandlungen hatte die Kanzlei Redeker Sellner Dahs die Verteidigung des ZDF übernommen. Sie argumentierte, dass das Plakat „keine authentische Darstellung“ beanspruche, sondern eine „einheitliche satirische Gesamtkonzeption mit mehreren Ebenen“ darstelle. Mithilfe des Fotos von Volker Bruch werde die „satirische Verfremdung“ weiter gesteigert. Damit werde auf die „verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion Bezug genommen“. Dass es dabei zu Missverständnissen kommen könne, gehöre zum Risiko von Satire.
Die Hamburger Zivilgerichte hatten dieser Darstellung widersprochen. Bei der unwahren Behauptung, das Foto zeige Stefan Aust, handele es sich nicht um Satire. Sie sahen es lediglich als Satire an, dass die abgebildeten Personen eben keine „linksradikalen Gewalttäter“ seien. Zuschauer gingen im Gesamtkontext davon aus, dass die Namen zu den dargestellten Personen passten.
Insbesondere mit dem ZDF ging Aust nach dem jüngsten Urteil hart ins Gericht. „Ihre jeweiligen Schreiben von 40-50 Seiten bei jedem Prozess waren offensichtlich nicht mal das Papier wert, auf dem sie geschrieben waren“, bemängelte er gegenüber „WELT“. Dennoch habe die Rundfunkanstalt „immer weiter geklagt und immer wieder verloren“.
Seiner Ansicht nach werfe diese Vorgehensweise die Fragen auf, wer die Gerichts- und Anwaltskosten bezahle – und ob die Verfahrenskosten letztlich beim Gebührenzahler landen würden. „Das wäre dann ein möglicher weiterer Skandal“, kommentierte Aust. „Ob dem so ist, kann nur das ZDF selbst beantworten. Derzeit hüllt es sich noch in Schweigen.“
Laut „Legal Tribune Online“ sei es „sowohl rechtlich als auch tatsächlich sehr gut nachvollziehbar“, dass sich das ZDF bis zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe zur Wehr gesetzt habe. Immerhin habe dieses bereits zahlreiche Hamburger Urteile aufgehoben. Dass der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Begründung zurückgewiesen habe, bedrohe nun Böhmermanns satirisches Konzept. Denn dieses sei darauf ausgerichtet, „in gewissen Bereichen mit der Unsicherheit der Zuschauer über den Tatsachengehalt einer Aussage zu spielen, wie etwa die berühmte Varoufakis-Fake-Geschichte“ gezeigt habe. Vieles spreche nun dafür, dass das ZDF vor das Bundesverfassungsgericht ziehen werde.
Source: welt.de