Berlin und Paris sind seit Montag erstmals mit einem Direktzug verbunden. Jean-Pierre Farandou, Chef der französischen Staatsbahn SNCF, sprach bei der Einweihung von einem „Tag des Feierns“, mit dem Europa gestärkt werde. Er zeigte sich überzeugt, dass die neue Linie ein kommerzieller Erfolg werden wird. Ähnlich äußerte sich vor Abfahrt des ersten Zuges vom Pariser Ostbahnhof um 9.55 Uhr die Produktionschefin der Deutschen Bahn, Anja Schöllmann. Die neue Verbindung lasse Europa weiter zusammenwachsen, und man habe mit Einrichtung des Direktzugs zwischen Stuttgart und Paris gesehen, dass danach kaum noch geflogen werde, sagte sie. Gleiches gelte für die Verbindung Frankfurt–Paris.
Die neue Direktverbindung verkehrt einmal täglich in beide Richtungen. Der erste Zug in Berlin fuhr am Montag um 11.54 Uhr im Beisein von Bahnchef Richard Lutz, Bundesverkehrsminister Volker Wissing und des französischen Botschafters in Deutschland, François Delattre, ab. Die Fahrzeit beträgt in beide Richtungen planmäßig etwas mehr als acht Stunden. Mit Straßburg, Karlsruhe, Frankfurt-Süd und Berlin-Spandau gibt es vier Zwischenhalte; dass nicht die kürzere Strecke über Saarbrücken gewählt wurde, ist dem französischen Drängen auf die Einbeziehung der Europastadt Straßburg geschuldet.
Wer bislang mit dem Zug von Berlin nach Paris wollte, musste mindestens einen Umstieg einplanen. Gelang er, war die Fahrzeit nur unwesentlich länger als die der neuen Linie. Doch wegen der chronischen Verspätungen der Deutschen Bahn reicht die Viertelstunde Umsteigezeit in Mannheim oft nicht. Die Direktverbindung sei insofern ein wirklich neues Angebot, machte SNCF-Chef Farandou im Gespräch mit Journalisten deutlich. Mit Blick auf die Probleme im deutschen Zugnetz gab er sich diplomatisch. Man habe Vertrauen in die Kollegen und auch in Frankreich viele Bauarbeiten.
Nach wie vor steht den mehr als acht Stunden mit dem Zug eine Flugdauer zwischen Berlin und Paris von weniger als zwei Stunden gegenüber. Auch ist die neue Direktverbindung nicht unbedingt günstiger als das Flugzeug: Deutsche Bahn und SNCF werben zwar mit Einstiegspreisen von 59 Euro in der zweiten und 69 Euro in der ersten Klasse. Doch bei kurzfristiger Buchung, beispielsweise für den Montag in der kommenden Woche, kostet das günstigste Ticket von Berlin nach Paris 119,99 Euro, während die Billigfluggesellschaften Easyjet und Transavia mit Preisen von 84 und 94 Euro werben.
Die Bahnvertreter halten mit dem Komfortargument und der einfacheren wie günstigeren Gepäckmitnahme dagegen. Hinzu komme der Klimaschutz: Die neue Direktverbindung sorge je Passagier für hundertmal weniger CO₂-Ausstoß, sagte die Deutsche-Bahn-Managerin Schöllmann. „Der Zug ist die Lösung“, befand auch ihr französischer Kollege Farandou mit Blick auf den Klimaschutz. Und was die Zeitersparnis durch das Flugzeug angehe, so relativiere sie sich gerade im Fall von Berlin und Paris. Anders als die Bahnhöfe lägen die Flughäfen in diesen beiden Städten schließlich alles andere als innenstadtnah.
320 Kilometer je Stunde in der Spitze
Die enge Zusammenarbeit zwischen Deutscher Bahn und SNCF besteht seit nunmehr 17 Jahren. Seither gibt es Direktverbindungen zwischen Paris und Stuttgart, München und Frankfurt sowie zwischen Frankfurt und Marseille. Vergangenes Jahr kam eine saisonal im Sommer verkehrende Linie zwischen Frankfurt und Bordeaux hinzu. Diese Angebote gelten als kommerziell erfolgreich – anders als einige der jüngst wiederbelebten Nachtzugverbindungen. Fast 33 Millionen Kunden hätten die deutsch-französischen Verbindungen bislang genutzt, bilanzieren die beiden Konzerne. Welche Zugmodelle dabei eingesetzt werden, ist genau festgelegt. Auf den Linien von Frankfurt nach Marseille sind es beispielsweise ausschließlich französische TGV, von Frankfurt nach Paris hingegen TGV und ICE.
Auf der neuen Direktverbindung Berlin–Paris sind es wiederum ausschließlich ICE 3 mit 444 Sitzplätzen, davon 111 in der ersten Klasse. Auf der französischen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Paris und Straßburg kann er sich mit in der Spitze 320 Kilometer je Stunde austoben. Dadurch schafft er knapp 40 Prozent der Gesamtdistanz in einer Stunde und 45 Minuten. Könnte er dieses Tempo auf deutscher Seite fortsetzen, betrüge die Fahrzeit weniger als fünf Stunden. Wie üblich im französischen Fernverkehr besteht für die Streckenabschnitte in Frankreich eine Sitzplatzreservierungspflicht.