Zu teutonisch zum Besten von den ESC? Schlappe zum Besten von Feuerschwanz

Die deutsche Mittelalter-Metal-Band Feuerschwanz galt als Favorit für den ESC, wurde aber von der Jury nicht zum Vorentscheid zugelassen. Dabei liebt die Welt deutsche Musik gerade dann, wenn sie ein bisschen skurril ist


Die Band Feuerschwanz bei einem Auftritt auf einem Rockfestival, 2024

Foto: Imago/CTK Photo


Mit Geschmack und Politik verhält es sich auf die gleiche Art sonderbar: Jeder hat seine Vorlieben. Jeder weiß, dass es andere gibt. Trotzdem kommt es manchem so vor, als sei er mit seinen Präferenzen der letzte Normale auf der Welt.

Der Autor dieser Kolumne zum Beispiel mag Metal. Aber es gibt Grenzen. Wird mir die Musik mit allzu viel Leder, Nieten und Feuerwerk serviert, werde ich skeptisch. Kommen dazu lyrische Texte über Wikinger, Jungfrauen oder Drachen, wird mir übel.

Wenn es dann noch „sexy“ zugeht, bin ich bereit, über die Grenzen der Kunstfreiheit zu diskutieren. Kurzum: Mit der Musik und dem Erscheinungsbild der deutschen Folk-Metal-Band Feuerschwanz aus Erlangen könnte man mich jagen. Aber die Welt dreht sich nicht um mich.

Feuerschwanz gibt es seit 2004. Mittelalter-Metal-Bands waren weder damals noch heute etwas Neues, aber die Erlanger empfanden die Szene als humorlos. Deswegen gaben sie sich Künstlernamen wie Richard Hodenherz, Walther von der Vögelweide oder Sir Lanzeflott und machten in ihren Songs ein paar Gags, die ihnen schon als Sexismus ausgelegt wurden. Das funktionierte. Unterdessen kann die Band zwei Nummer-1-Alben vorweisen und spielt in ausverkauften Hallen.

Feuerschwanz galt als Favorit für den ESC

Beim diesjährigen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest galt die Band als Favorit. Doch kurz vor der finalen Abstimmung in der Show mit Stefan Raab wurde bekannt gegeben, dass vor dem Publikumsvoting doch noch eine Juryauswahl stattfinden soll. Da waren Feuerschwanz dann raus. Im Jargon der Band: „Die Götter haben es anders gewollt.“

Das erinnert an den Vorentscheid 2022. Damals galt die musikalisch farbenfrohe Metal-Band Electric Callboy als Publikumsliebling, wurde aber von der Jury abgelehnt – ungeachtet dessen, dass die Gruppe mit ihrem unkonventionellen Stil vor allem international sehr erfolgreich ist.

Stattdessen treten nun zwei Newcomer beim Songcontest im Mai in Basel an: Abor & Tynna mit ihrem Electro-Popsong Baller. Von dem mag man halten, was man will. Nur so viel: Entgegen der Vorstellung von Rundfunkräten und Entertainment-Giganten wird Deutschland im Ausland nicht für seine popmusikalische Finesse bewundert. Die Welt liebt deutsche Musik, wenn sie so ist, wie die Deutschen in der Welt gesehen werden: unnötig direkt, hart und ein bisschen skurril. Deswegen kennt im Ausland jeder Kraftwerk und Rammstein, aber niemand AnnenMayKantereit. Begreifen lässt sich das allerdings nur, wenn man sich nicht für den letzten Normalen auf der Welt hält.

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Musiktagebuch

Konstantin Nowotny schreibt beim Freitag die Kolumne Musiktagebuch. Darüber hinaus schreibt er öfter über Themen rund um die Psyche und hin und wieder über Ostdeutschland

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Konstantin Nowotny schreibt beim Freitag die Kolumne Musiktagebuch. Darüber hinaus schreibt er öfter über Themen rund um die Psyche und hin und wieder über Ostdeutschland

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