Wie schaffen es gute Deutsche eigentlich, immer dann konsequent wegzusehen, wenn sie besonders genau hingucken sollten? Ist das Dummheit, Bösartigkeit oder die menschliche Anfälligkeit für eschatologische Religionen, vom Christentum über Homöopathie bis zum FC St. Pauli, die sie oft so blind macht? Lieben sie als linke Schöngeister – gelangweilt von ihrem Kleinmädchen-Idealismus – heimlich das Böse? Haben sie Angst, eine wichtige Party zu verpassen? Mal schauen.
Der sonst so kluge Lion Feuchtwanger etwa interessierte sich bei seinem Moskaubesuch im schlimmsten Stalinismusjahr 1937 keine Sekunde für die Millionen Gulag-Opfer, eher für seinen Durchfall. Als in den Siebzigerjahren RAF-Terroristen demokratisch gewählte Politiker, hochrangige Juristen und unbeteiligte Sicherheitsleute abknallten, befanden deutsche Gymnasiasten und Studenten, dies seien nötige Opfer in einem gerechten Kampf, das habe ich sie oft sagen hören. Und im sonst eher stabilen Feuilleton einer beliebten Tageszeitung werden seit Wochen Hymnen auf den neuen Bürgermeister von New York, Zohran Mamdani, gedruckt, in denen sein propalästinensisch eingefärbter Hass auf Israel als Großtat herunter- und hochgespielt wird.