Zoff um Schuldenbremse: Im Berliner Senat tobt jener Haushaltsstreit

Im Berliner Senat ist ein offener Streit über die Sparzwänge im Haushalt der schwarz-roten Koalition ausgebrochen. Nachdem die Berliner Innensenatorin Iris Spanger (SPD) in der vergangenen Woche vorgeprescht war und Kürzungen im Bereich der innere Sicherheit in Aussicht stellte, revanchierte sich der Koalitionspartner CDU und stellte das 29-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr zur Disposition, mit dem die SPD im Wahlkampf geworben hatte.

Das Ticket, mit dem die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin ab dem 1. Juli für monatlich 29 Euro genutzt werden können, belastet den Haushalt nach Einschätzung von Experten mit jährlich bis zu 300 Millionen Euro. Dabei plant der Senat für die Jahre 2024 und 2025 bei Rekordausgaben in Höhe von jeweils rund 40 Milliarden Euro mit pauschalen Minderausgaben in der Größenordnung von 2 Milliarden Euro pro Jahr, um die Schuldenbremse einzuhalten.

Bis zum Freitag hatten die einzelnen Ressorts Zeit, Sparvorschläge mit einem Volumen von zwei Prozent ihrer Etats bei Finanzsenator Stefan Evers (CDU) einzureichen, um einen Teil der geplanten Minderausgaben mit konkreten Einsparungen zu belegen. Die Vorschläge aus den Ressorts würden „in gewohnter Professionalität und mit der Verschwiegenheit, die dieser Koalition zu eigen ist, intern beraten, um dann gemeinschaftlich vertreten zu werden“, sagte Evers am Mittwoch bei der Sitzung des Hauptausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. „Ich bin wie immer grenzenlos optimistisch, dass das auch gelingt“, fügte er an.

Erst Anfang Juli soll das Parlament darüber informiert werden, wo im laufenden Jahr konkret gespart werden soll. „Ich glaube, dass das Verfahren wie wir es vorsehen ganz gut ist, auch wenn es in der zweiten Jahreshälfte natürlich dafür sorgen wird, dass es Unruhe gibt über einzelne Positionen“, sagte Evers.

Steuerschätzung erschwert Haushaltsplanung

Unruhe gibt es freilich schon jetzt und das Haushaltschaos treibt nicht nur die Koalitionäre um. „Verwaltungen und durch öffentliche Mittel geförderte Einrichtungen sind verunsichert, was in den nächsten beiden Jahren noch finanziert werden kann“, sagte Karin Klingen, die Präsidentin des Rechnungshofs von Berlin, schon Ende März in einer Rede vor dem Abgeordnetenhaus. „Es ist ihre Aufgabe, hier schnellstmöglich Antworten zu geben“, fügte sie hinzu. Die jüngste Steuerschätzung, die für dass laufende Jahr im Vergleich zu den Haushaltsplänen Mindereinnahmen in Höhe von 174 Millionen Euro in Aussicht stellt, erschwert die Aufgabe weiter.

Im nächsten Jahr muss der Senat noch einmal deutlich kürzer treten, weil er im laufenden Turnus eine Reihe von Einmaleffekten bemüht, um die Schuldenregel einzuhalten. Sie ist für die Länder strikter als für den Bund gefasst und erlaubt in normalen Zeiten keine Schuldenaufnahme. Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat sich in die Reihe derer gestellt, die eine Reform fordern.

Doch der Versuch der schwarz-roten Koalitionäre, die Schuldenbremse im Grundgesetz aufzubohren, um damit mehr Luft im engen Haushaltskorsett zu bekommen, stößt auf energischen Widerstand. Zudem ist Wegner damit auf Gegenkurs zu seinem eigenen Parteichef gegangen.

Unionspolitiker im Clinch

Friedrich Merz hat sich Ende November im Bundestag festgelegt, die Schuldenregel nicht zu öffnen. Spätestens da wurde der innerparteiliche Konflikt öffentlich.Damals watschte der CDU-Chef den Berliner Politiker im Parlament vor den Augen der ganzen Welt ab. „Wir werden an der Schuldenbremse des Grundgesetzes festhalten“, befand der Oppositionsführer, um mahnend in Richtung Regierungsbank anzufügen: „Versuchen Sie erst gar nicht, einen Keil in die Union zu treiben.“

Aus dem Koalitionsreihen erntete er den spöttischen Zwischenruf: „Der ist doch schon längst da!“ Das zielte nicht zuletzt auf Berlins Regierenden. Doch der CDU-Parteivorsitzende zeigte sich unbeeindruckt: „Die Entscheidungen werden hier im Deutschen Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin.“

Das hat Wegner offenkundig wenig beeindruckt, vielmehr scheint das seinen Kampfgeist nur angestachelt zu haben. Umgehend bekräftigte er seine Forderung. „Ich habe eine klare Haltung“, sagte er dem Magazin Stern. „Die Reform der Schuldenbremse für Zukunftsinvestitionen ist dringend erforderlich.“ Mit Blick auf den öffentlichen Rüffel von Merz meinte er launig-trotzig: „Im Übrigen freue ich mich als Regierender Bürgermeister, wenn Berlin im Bundestag eine so große Aufmerksamkeit erfährt.“ Andere CDU-Ministerpräsidenten zeigten sich in der Folge ebenfalls offen für eine Reform.

Bundes-CDU am längeren Hebel

Doch zunächst einmal hat sich Merz durchgesetzt. Auf dem Parteitag beschloss die CDU ihr neues Grundsatzprogramm. Dort heißt es: „Solide Finanzen sind ein Gebot der Generationengerechtigkeit. Die Garantie dafür ist die Schuldenbremse.“ Sie sichere die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte. Grundsätzlich sollten öffentliche Haushalte ohne neue Schulden aufgestellt werden. „Wir wollen, dass auch zukünftige Generationen die Ziele ihrer Politik selbst definieren und eigene finanzwirksame Entscheidungen treffen können.“ Es sollte der Grundsatz gelten, dass in Krisenzeiten aufgenommene Schulden in einer Generation zurückgezahlt werden.

Die von der Hauptstadt ersehnte Reform der Schuldenbremse stößt nicht nur in der CDU-Spitze auf entschiedenen Widerstand, auch die FDP lehnt das ab. Weil die Ampel-Parteien verabredet haben, nicht gegeneinander im Bundestag zu stimmen, ist das Ansinnen der Berliner zum Scheitern verurteilt. Damit nicht genug erntet das Land viel Häme, weil es meint, sich ein 29-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr leisten zu können – obwohl es seit vielen Jahren mit Abstand größter Empfänger im Finanzkraftausgleich ist. Allein im vergangenen Jahr flossen auf diesem Weg rund 3,8 Milliarden Euro in die Hauptstadt.

Lindner warnt vor neuen Schulden

Finanzminister Christian Lindner (FDP) referierte erst vor wenigen Tagen auf dem Steuerberaterkongress nicht nur grundsätzlich darüber, warum der vermeintlich leichte Weg, neue Schulden zu machen, falsch ist, sondern gab auch in dem Zusammenhang den Berlinern eins mit. Auf die Party folgten Zinslast und Tilgung. „Am Ende sind es immer die Steuerzahler, die das leisten müssen.“ Die Schuldenbremse erinnere daran.

Mit einer „Fußnote“ wandte sich der FDP-Vorsitzende dann der Lage in der Hauptstadt zu. Das Berliner 29-Euro-Ticket koste über den Daumen geschätzt 250 Millionen Euro im Jahr. „Ich frage mich, warum lässt man es nicht beim 49-Euro-Ticket.“ Der Deutschlandtarif sei doch schon recht günstig. Dann könnte man die 250 Millionen Euro direkt ohne Verschuldung in die Schulen investieren. Es brauche schlicht nur Mut, sich auf die Prioritäten zu konzentrieren, mahnte der Bundesfinanzminister.

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