Der angeschlagene Automobilzulieferer ZF hat festgelegt, wie er in den kommenden Monaten die Produktionsstätten in Deutschland auf ihre Zukunftsfähigkeit prüfen will. Ein Team rund um den ZF-Manager Alexander Heilig soll „übers Land fahren“, die rund 40 Standorte besuchen und mit den Geschäftsleitungen die Lage besprechen, wie die F.A.Z. aus Unternehmenskreisen erfuhr. Entspricht die Profitabilität nicht den Vorgaben, soll nach neuen Produkten und nach weiteren Einsparmöglichkeiten gesucht werden, bevor sich ZF nach Käufern für die Werke umsieht. Erst danach stehe eine Schließung auf dem Plan.
Klar ist, dass Werke, die Komponenten für Antriebe herstellen, stärker gefährdet sind. Dazu gehören Fabriken in Saarbrücken, im bayerischen Schweinfurt und in Brandenburg an der Havel, aber auch die Entwicklung der Division für elektrifizierte Antriebe am Stammsitz in Friedrichshafen am Bodensee. In Saarbrücken lässt ZF 1200 befristete Verträge auslaufen und stellte klar, dass bis zu 4500 weitere Stellen gestrichen werden, falls sich die Auftragslage nicht bessert. In Brandenburg reduziert das Unternehmen die Zahl der Arbeitsplätze bis Ende 2025 um 200 bis 450 und bis Ende 2028 noch einmal um 400. In Schweinfurt und Friedrichshafen ist die Lage nach Betriebsratsangaben noch unklar. Während am Bodensee auf alle Fälle die Zahl der Elektroentwickler um bis zu 600 sinken könnte, hat sich in Schweinfurt für Donnerstag eine Delegation aus Friedrichshafen angesagt, um Gespräche zu führen. Insgesamt will ZF in Deutschland bis 2028 die Zahl der Beschäftigten von 54.000 um 11.000 bis 14.000 reduzieren, wie ZF Ende August mitteilte. Das ist im schlimmsten Fall ein Minus von 26 Prozent. Zudem legt der Zulieferer Werke und Produktionen zu Standortverbünden zusammen.
„Stellenabbau betrifft alle Standorte“
Im Moment arbeite ZF nach Unternehmensangaben an der Profitabilitätsanalyse der einzelnen Standorte und stehe im ständigen Austausch mit dem Gesamtbetriebsrat und den Betriebsräten der einzelnen Standorte. „ZF bespricht mit der Arbeitnehmervertretung in unterschiedlichsten Gremien wie auch in informellen Runden, wie der lang bekannte, vor allem der Transformation geschuldete Stellenabbau sozialverträglich gestaltet werden kann“, sagt ein Sprecher. „Das geschieht idealerweise in Ruhe und Gewissenhaftigkeit, jedenfalls intern und so geräuscharm wie in den meisten Unternehmen. Klar ist, dass der notwendige Stellenabbau alle Standorte betrifft – stärker dabei jene, an denen Produkte für den konventionellen Antrieb hergestellt werden.“
Gesamtbetriebsrat und Gewerkschaften kritisieren dagegen, dass effektive Gespräche darüber, an welchen Standorten wie viele Stellen auf welche Weise abgebaut werden, noch nicht in Gang gekommen sind. Bislang habe es erst eine echte Verhandlung gegeben, ein weiterer Termin sei ausgemacht. „Nach mehr als drei Monaten und bundesweiten Protestkundgebungen ist es dem Gesamtbetriebsrat gelungen, den Vorstand zu Verhandlungen an den Tisch zu bekommen. Ein Gesprächsformat ist vereinbart“, sagt Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich. Irritiert zeigte sich die IG Metall im Hinblick auf das Werk Brandenburg. „Die Zahlen für den Standort hat der Vorstand nicht mit der Geschäftsführung vor Ort abgestimmt und sowohl die Mitarbeiter als auch uns sehr überrascht“, sagt Stefanie Jahn, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Oranienburg und Potsdam. „In Brandenburg sind noch gar keine Gespräche geführt worden, dabei haben wir den Anspruch, dass für das Werk neue Produkte gefunden werden.“
In Friedrichshafen hat der Betriebsrat Vorstandschef Holger Klein am Montag auf einer Betriebsversammlung sieben Fragen vorgelegt – unter anderem zur Zukunft der E-Division und zu den Kosten der Unternehmensberatung McKinsey, aber auch zu möglichen betriebsbedingten Kündigungen bei gleichzeitigem Aufbau von Produktionen in Osteuropa. Das Unternehmen wollte nichts dazu sagen, wie Klein sich geäußert hat. Gesamtbetriebsratschef Dietrich sah die Fragen unzureichend beantwortet. „In seinen Ausführungen blieb Holger Klein sehr vage“, sagt Dietrich. „Die Belegschaft bleibt damit weiterhin in einer Dauerschleife der Ungewissheit.“
Der Aufsichtsrat fordert von Vorstand und Gesamtbetriebsrat bis zur Sitzung des Kontrollgremiums im Dezember, in der die operative Planung für 2025 verabschiedet werden soll, ein gemeinsames Konzept für die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen. An welchen Standorten die Analyse schon weiter fortgeschritten ist, könnte nächste Woche klar werden: Da trifft sich der Gesamtbetriebsrat, um sich über die Lage an allen deutschen Standorten auszutauschen.