Woidkes Szenario einer AfD ohne Extremisten ist realitätsfremd

Fällt die Brandmauer der SPD zur AfD? Eine Äußerung von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke könnte auf den ersten Blick so wirken. Der SPD-Landeschef sagte, die AfD habe es selbst in der Hand, die Brandmauer überflüssig zu machen. Sie müsse nur alle Extremisten rausschmeißen, dann könne man mit einer „anderen AfD zusammenarbeiten“.

Mit beiden Teilen der Äußerung hat Woidke grundsätzlich recht. Bei einer Partei frei von Extremismus gäbe es tatsächlich keinen Anlass mehr für eine Brandmauer. Schließlich sind der innerhalb der AfD weit verbreitete Rechtsextremismus und die Kooperation mit rechtsextremen Organisationen der Grund für die berechtigte Entscheidung der anderen Parteien, nicht mit der AfD koalieren zu wollen.

Aber ein Szenario des Rausschmisses „aller Extremisten“ ist fernab jeder Realität. In der AfD gibt es nicht bloß vereinzelte Extremisten, die man einfach ausschließen könnte. Eine solche Sichtweise wäre mindestens naiv. Rechtsextremisten werden in der AfD längst in führende Ämter gewählt. Sie sind in der Partei bestens vernetzt, halten sich trotz andauernder Grenzüberschreitungen in ihren Posten, haben Vertraute in den Fraktionen im Bundestag, den Landtagen und im Europaparlament. Wer ihnen früher noch widersprochen hat, ist entweder längst ausgetreten oder weitgehend verstummt.

Dies betrifft insbesondere den Landesverband Brandenburg, der neben dem Thüringer Verband um Landeschef Björn Höcke zu den radikalsten Gliederungen der Partei gehört. Ein Blick auf die Brandenburger Landtagsfraktion zeigt, dass Extremisten den Landesverband geradezu dominieren.

Fraktionschef Hans-Christoph Berndt diffamiert etwa Asylsuchende als „Invasoren“ und schwärmt vom Neonazi Marcel Forstmeier, der in Berndts Verein aktiv ist und früher der Kopf einer wegen „Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus“ verbotenen Kameradschaft war. Deutschland sei „das Land der Deutschen“ und solle „das Land der Deutschen bleiben“, fordert Berndt – und erinnert damit an die völkische Parole „Deutschland den Deutschen“, die ihren Ursprung in nationalistischen und antisemitischen Organisationen in der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik hat und seit Jahrzehnten von Neonazis verwendet wird.

Im Landtagswahlkampf im vergangenen Jahr forderte seine Fraktion nach dem islamistischen Terroranschlag in Solingen ein „Betretungsverbot öffentlicher Veranstaltungen für Asylantragsteller, Asylberechtigte, ukrainische Kriegsflüchtlinge sowie vollziehbar ausreisepflichtige, geduldete und subsidiär schutzberechtigte Ausländer“. Der Migrationsforscher Gerald Knaus nannte diesen Generalverdacht gegen Zehntausende zu Recht „absurd, stigmatisierend und menschenverachtend“.

Hämische Bemerkungen über die Geiseln der Hamas

Auch mehrere aktuelle Fälle in der Brandenburger AfD-Landtagsfraktion zeigen, wie illusorisch gerade dort eine AfD ohne Extremismus ist. So haben sich die Vize-Fraktionschefin Lena Kotré und Fabian Jank im Juli mit dem „irischen Nationalisten Keith Woods“ (Zitat Jank) getroffen, der regelmäßig über „jüdische Macht“ schwadroniert, sich selbst einen „rassischen Nationalismus“ zuschreibt und in Israels Regierung „blutrünstige Psychopathen“ erkennen will. Der AfD-Landesvorstand entschied sich gegen Parteiordnungsmaßnahmen, der Bundesvorstand hatte in der Sitzung der vergangenen Woche nichts einzuwenden. Und Kotré erklärte im Interview mit Woods ohne jede Abgrenzung, das „komplette rechte Spektrum in Deutschland“ müsse sich „zusammentun“.

Und da ist Dominik Kaufner, erinnerungspolitischer Sprecher der Fraktion. Nachdem der Junge-Union-Bundesvorsitzende Johannes Winkel kürzlich kritisiert hatte, dass sich in Deutschland kaum jemand für die deutschen Staatsbürger unter den Hamas-Geiseln interessiert habe, machte Kaufner den Einsatz für die Verschleppten verächtlich. In Bezug auf Gali Berman, der über zwei Jahre lang von der islamistischen Terrororganisation festgehalten worden war, schrieb er in der vergangenen Woche: „Linke kümmern sich um die Mohammeds, CDUler um die Galis.“ Er suggerierte damit, die Union würde sich vor allem für Menschen mit modernen hebräischen Vornamen ohne biblische Tradition interessieren – das sind meistens Juden.

Diese Liste könnte man noch lange fortführen. Woidkes linke Kritiker übersehen, dass sein Statement als Stellungnahme für die Brandmauer verstanden werden muss. Denn eine von Extremisten entkernte AfD ist mittlerweile nahezu unmöglich. Jedenfalls weist innerhalb der Partei jede Entwicklung und Häutung der vergangenen Jahre in die andere Richtung.

Source: welt.de

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