Wer heute in Deutschland ein Eigenheim besitzt,
verdankt das häufig nicht der eigenen Arbeit, sondern den Eltern. Das zeigt
eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin: Kinder von Immobilieneigentümern haben eine höhere
Chance, selbst einmal Eigentum zu haben. Wer aus einer Mieterfamilie stammt,
hat diese Chance kaum. Damit wird deutlich: Der Wohnungsmarkt ist nicht nur
eine Frage des Einkommens, sondern der Herkunft – ein Prüfstein für
die soziale und generationelle Gerechtigkeit in unserem Land. Ausgerechnet in einem Land, das sich gern als Aufstiegsgesellschaft begreift.
Das vererbte Zuhause
Gut die Hälfte des gesamten privaten Vermögens in
Deutschland ist geerbt oder verschenkt, nicht selbst erwirtschaftet. Und
nirgendwo zeigt sich das deutlicher als beim Wohneigentum. Das Eigenheim ist
für viele Familien die zentrale Form der Vermögensbildung und Altersvorsorge –
aber der Weg dorthin ist für die junge Generation steinig. Wer Wohneigentum
erwerben will, braucht vor allem eines: Eltern, die schon welches haben.
Denn Eigentum wird nicht nur klassisch durch Erbschaften oder Schenkungen weitergegeben. Wohlhabende Eltern helfen oft schon früher – indem sie für Kredite bürgen, zinslose Darlehen vergeben oder das nötige Eigenkapital beisteuern. Wer selbst ein abbezahltes Haus besitzt, hat im Alter meist geringere Wohnkosten und damit finanziellen Spielraum, die eigenen Kinder zu unterstützen. Eltern, die zur Miete wohnen, können das selten.
Selbst mit Eltern in Wohneigentum ist der Kauf erschwert
Die neue Studie des DIW Berlin zeigt auch, dass die soziale Mobilität beim Wohneigentum in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen
hat. Das heißt, immer mehr Menschen leben anders als ihre Eltern – zumindest, was den Besitz von Immobilien angeht. In den 1950er-Jahrgängen lag die Wahrscheinlichkeit,
Wohneigentum zu besitzen, um 24 Prozentpunkte höher, wenn auch die Eltern
Eigentümer waren. Bei den in den 1980ern Geborenen sind es nur noch 15
Prozentpunkte. Das ist zwar ein Rückgang, aber immer noch ein deutliches Zeichen dafür, wie stark
die Herkunft zählt.
Zugleich zeigen die Daten eine andere Entwicklung: Immer mehr
Kinder von Eigentümern schaffen es selbst nicht mehr ins Eigentum. Bei Kindern von Mietern gibt es weiterhin kaum Chancen auf den Aufstieg. Das ist
doppelt problematisch, denn selbst vererbte Privilegien verlieren an Wert, während die Aufstiegschancen der Nicht-Privilegierten stagnieren. In
Summe wächst die Ungleichheit zwischen jenen, die Immobilien besitzen, und
jenen, die dauerhaft Mieter bleiben.
In kaum einem anderen europäischen Land hängt das
Wohneigentum so stark von den Eltern ab wie in Deutschland. Das ist kein
Zufall. Unser Mietmarkt bietet relativ gute rechtliche Sicherheit, während die
Hürden zum Eigentum hoch sind: strenge Eigenkapitalanforderungen, steigende
Preise, ein späterer Berufseinstieg und wenig steigende Realeinkommen in den
unteren Einkommensschichten. Zwischen 2011 und 2023 sind die Immobilienpreise
im Schnitt um 77 Prozent gestiegen, während die Realeinkommen durchschnittlich um
nur rund 15 Prozent zulegten. Für junge Menschen ohne familiäres Vermögen ist der Traum vom Eigenheim oft nur noch eine Illusion.
Generationengerechtigkeit in der Schieflage
Dass sich immer weniger junge Menschen Eigentum
leisten können, ist nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein
gesellschaftliches Problem. Wohneigentum kann für viele Sicherheit, Stabilität
und die Chance auf Vermögensaufbau bedeuten. Wer Eigentum besitzt, schafft für
sich und seine Kinder Reserven. Wenn Eigentum aber fast nur noch durch
Erbschaften oder familiäre Unterstützung entsteht, verfestigt sich Ungleichheit
über Generationen hinweg.
Diese Schieflage stellt auch die Idee der Generationengerechtigkeit infrage: Die junge Generation soll die Renten, Schulden und Klimakosten der Älteren tragen – und steht zugleich ohne oder mit wenig eigenem Vermögen da. Besonders alarmierend ist, dass Kinder aus Mieterfamilien in Deutschland nicht nur seltener Eigentum erwerben, sondern dass selbst ein wachsender Teil der Kinder von Eigentümern den Schritt ins eigene Heim nicht mehr schafft. Für die Generation der heute 30- bis 40-Jährigen ist Wohneigentum
in den Städten nahezu unerreichbar geworden, selbst mit gutem
Einkommen.
Was zu tun ist
Die Politik darf nicht länger so tun, als sei das
Eigentum allein eine Frage der persönlichen Leistung. Sie muss Strukturen
ändern, die Ungleichheit verfestigen. Dafür sind drei Ansätze zentral:
1. Eigenkapitalhürden abbauen
Staatliche Programme zur Eigentumsförderung helfen
bislang vor allem jenen, die ohnehin kaufen könnten. Statt teurer Subventionen
wie der früheren Eigenheimzulage braucht es gezielte Instrumente für Haushalte
mit mittleren und unteren Einkommen: staatliche Bürgschaften, Zuschüsse zum
Eigenkapital oder zinsvergünstigte Kredite für Erstkäufer ohne familiäre Hilfe.
Solche Modelle gibt es etwa in Österreich oder Kanada. Das DIW Berlin hat ein Modell des Mietkaufs vorgeschlagen, bei
dem der Staat jungen Menschen das Eigenkapital zum Eigenheimerwerb zu günstigen
Konditionen vorschießt.
2. Faire Besteuerung von Erbschaften und
Immobilienvermögen
Wer erbt, wird in Deutschland steuerlich geschont –
mit hohen Freibeträgen und zahlreichen Ausnahmen. Das belohnt Besitz und
bestraft Leistung. Eine gerechtere Erbschaftsteuer und eine Grundsteuer, die
unverdiente Bodenwertgewinne stärker abschöpft, könnten dazu beitragen,
Vermögen gerechter zu verteilen und den Wohnungsbau zu finanzieren.
3. Mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen
Die Eigentumsfrage darf nicht isoliert betrachtet
werden. Entscheidend ist, dass Wohnen insgesamt bezahlbar bleibt – unabhängig
vom Eigentum. Das erfordert mehr sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau, eine
stärkere Bodenpolitik der Kommunen und den Ausbau genossenschaftlicher Modelle,
die langfristig stabile Mieten garantieren. Nur so bleibt Wohnen ein Grundrecht
und kein Luxusgut.
Wohnen als Gradmesser für Gerechtigkeit
Das Zuhause ist mehr als ein Dach über dem Kopf –
es ist Ausdruck sozialer Sicherheit und gesellschaftlicher Teilhabe. Wenn sich
Eigentum vor allem vererbt, verlieren wir als Gesellschaft an Durchlässigkeit.
Die Frage, wer in Deutschland wo und wie wohnt, entscheidet sich nicht nur nach
Leistung oder Fleiß, sondern nach der Geburt.
Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten viel
getan, um soziale Sicherheit zu bewahren. Aber bei der Vermögensbildung und
beim Wohnen droht uns ein Rückschritt. Die junge Generation braucht eine faire
Chance, Vermögen aufzubauen – nicht über Spekulation, sondern über bessere
Startbedingungen.
Eine Gesellschaft, die Aufstieg verspricht, muss
diesen Aufstieg auch ermöglichen. Wohneigentum darf kein
Privileg der Erben bleiben.