Wo wurde die AfD in NRW stark? Zusätzlich den Fluch von Gelsenkirchen und Hagen

Die AfD kommt bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen auf 15 Prozent. AfD-starke Städte wie Gelsenkirchen, Hagen und Waldbröl erfahren plötzlich große Aufmerksamkeit. Doch Vorsicht


Wo wurde die AfD stark? Vielleicht ist das die falsche Frage

Foto: André Hirtz/Imago


Und wie stark wurde die AfD? War dies eine Frage, die in den vergangenen Jahren vor allem die Diskussion nach Wahlen in ostdeutschen Bundesländern prägte, wird mit dieser Brille jetzt auch auf Nordrhein-Westfalen geschaut. Mit 15 Prozent liegt die AfD bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen zwar insgesamt unter ihrem bundesweiten Durchschnitt, doch hat sie gegenüber den letzten Wahlen um zehn Prozent zugelegt und ihr Ergebnis damit verdreifacht. Vor allem in drei Gemeinden räumte die rechtsextreme Partei ab: Gelsenkirchen, Hagen oder kaum bekannte Orte wie Waldbröl könnten die neu auserkorenen Problemkinder werden, auf die sich die bundesweite Aufmerksamkeit in den kommenden Tagen richten wird. Schließlich wurde die AfD in Gelsenkirchen bei der Bundestagswahl erstmals stärkste Kraft.

Das konnte die SPD diesmal verhindern, gerade so. In Gelsenkirchen sorgten einst Stahl- und Kohleindustrie für Wohlstand, mittlerweile ist die Arbeitslosenquote dort die bundesweit höchste, dazu kommen Wohnraummangel und Leerstand. 29,9 Prozent der Stimmen holte die AfD hier und wurde so knapp zweitstärkste Kraft hinter der SPD, die 30,4 Prozent erhielt. Der AfD-Oberbürgermeisterkandidat Norbert Emmerich, 72 Jahre alt und ehemaliger Grenzschützer, wird voraussichtlich gegen die SPD-Kandidatin in der Stichwahl antreten und chancenlos bleiben.

In Hagen und Waldbröl gibt es neue AfD-Wähler zu bestaunen

In Hagen, einer Großstadt am Rande des Ruhrgebiets, die im Rest des Landes vor allem für ihre Fernuniversität bekannt ist, holte der Oberbürgermeisterkandidat Michael Eiche 21,5 Prozent und fiel damit auf Platz zwei nach Dennis Rehbein von der CDU. Der ausgebildete Pianist und Chordirigent Eiche hatte im Wahlkampf vor allem mit „Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung“ geworben, er bezeichnet sich auf seiner Webseite als „Hobbygärtner und Weltreisender“. Ein Problem mit „unterschiedlichen Kulturkreisen“ hat er trotzdem. In der Gemeinde holte seine Partei 22,9 Prozent und blieb damit ebenfalls hinter der CDU.

In der Kleinstadt Waldbröl, in der rund ein Viertel der Bevölkerung russische Wurzeln hat, gewann die AfD mit 22,9 Prozent der Stimmen für den Gemeinderat und wurde so ebenfalls zweitstärkste Kraft hinter der CDU.

Chancen auf einen Oberbürgermeister-Posten in Nordrhein-Westfalen hat die AfD also nicht, und dennoch hat sie ein wichtiges Ziel erreicht. Schon vor der Wahl fuhren Journalist*innen eifrig nach Gelsenkirchen, jetzt könnten sie auch nach Hagen touren, um die neuen AfD-Wähler zu bestaunen. Aufmerksamkeit, die strukturschwache Städte mit hohen Arbeitslosigkeitsquoten, Leerstand und Wohnungsmangel sonst kaum erlangten. Politiker:innen werden über die Probleme vor Ort sprechen, die Sorgen der Menschen werden Gehör finden, womöglich wird sich tatsächlich etwas ändern: Das Ziel vieler AfD-Wähler:innen – endlich gehört zu werden – wird erfüllt, ohne dass die AfD auch nur einen Finger in der Kommunalpolitik rühren muss.

„Die AfD hat es irgendwie geschafft, den Osten wieder positiv zu besetzen“, so fasste es schon der Schriftsteller Ingo Schulze zusammen.

Thyssenkrupp baut Arbeitsplätze ab, Mieten sind teuer

Die Wahl der AfD erfüllt ihren Zweck. Wie viele Wähler:innen können also gefährlicherweise schlussfolgern: Das hat gut geklappt, das machen wir bei der nächsten Wahl gleich nochmal? Wenn sich die Aufmerksamkeit von Politik und Medien erst auf strukturschwache Regionen richtet, sobald ein blauer Punkt auf der Landkarte aufpoppt, kommt sie meist zu spät.

Dass vor allem das Ruhrgebiet vor großen Umwälzungen steht, die tiefe Risse in der Gesellschaft hervorrufen könnten, ist jedoch nicht erst bekannt, seit die AfD bei der letzten Bundestagswahl stärkste Kraft in Gelsenkirchen wurde. Zehntausende Arbeitsplätze sollen hier in den kommenden Jahren wegfallen, etwa beim Duisburger Stahlproduzenten Thyssenkrupp. Schon jetzt ist die Arbeitslosenquote in Nordrhein-Westfalen deutlich höher als in den meisten anderen westdeutschen Bundesländern.

Auch bezahlbarer Wohnraum ist knapp. So sind die Mieten im bevölkerungsreichsten Bundesland seit 2021 laut Deutschem Mieterbund im Schnitt um 20 Prozent gestiegen. Rund 1,9 Millionen Wohnungen stehen leer, die Zahl der wohnungslosen Menschen hat einen Höchststand erreicht. Antworten auf diese drängenden Fragen lieferten die demokratischen Parteien bisher kaum.

Die Linke schneidet bei den Kommunalwahlen gut ab – aber nicht so gut, wie ihr Trend versprach

Die Linke konnte im Gegensatz zur AfD nur bedingt an ihren überraschenden Erfolg bei der diesjährigen Bundestagswahl anknüpfen. Zwar erzielte die Partei immerhin das beste Ergebnis bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen jemals. Mit 5,4 Prozent der Stimmen blieb die Partei aber hinter ihren Erwartungen zurück. Parteivorsitzender Jan van Aken wollte sich das Ergebnis dennoch nicht mies machen und sprach von einem „grandiosen Erfolg”. Ein großes linkes Feuerwerk, wie bei der Bundestagswahl, blieb aus.

Im Wahlkampf setzte die Partei vor allem auf soziale Fragen, direkte Ansprache und eingängige Botschaften. „Hol dir deine Stadt zurück”, „Wir legen uns mit den Reichen an” und „Zuhause statt zu teuer” war etwa auf den Wahlplakaten zu lesen – Themen, die auch Wähler:innen in Nordrhein-Westfalen ansprechen dürften. Gleichzeitig ist die Linke auf kommunaler Ebene kaum verankert, viele Ortsverbände sind klein oder voll von neuen und unerfahrenen Mitgliedern, ein Umstand, der es der Linken schwerer gemacht haben dürfte. Immerhin: Unter den 16- bis 24-Jährigen schnitt die Linke deutlich besser ab und holte 18 Prozent.

Die AfD ist kein ostdeutsches Problem

Trotz ruckeliger erster Monate Regierungszeit auf Bundesebene wurden SPD und CDU weitgehend verschont. Die CDU konnte ihr Ergebnis von 2020 halten und holte 34,6 Prozent der Stimmen. Die SPD brach leicht ein und holte 22 Prozent. Am stärksten stürzten die Grünen ab, die nur noch 12,9 Prozent gewannen und sich im Vergleich zu 2020 fast halbierten.

Vor lauter Schulterklopfen finden die Parteien am Wahlabend trotzdem keine Antwort auf den Rechtsruck, der, wie einmal mehr deutlich wird, kein ostdeutsches Problem ist.

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