Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen sich hinter den Zukunftsentscheid

Kurz vor dem Volksentscheid zum Hamburger Klimaschutzgesetz erhöht sich die Frequenz im Schlagabtausche. In einem offenen Brief fordern 70 Forschende ein „Ja“ zum Zukunftsentscheid. Man benötige die darin geforderten Verbindlichkeiten zum Erreichen der Klimaziele.

In den Tagen vor dem Volksentscheid zum Hamburger Klimaschutzgesetz am 12. Oktober haben sich zahlreiche Akteure öffentlich positioniert – teils mit klaren Empfehlungen, teils mit scharfer Kritik wie im überparteilichen Wahlaufruf, den mehrere SPD-Senatorinnen und Senatoren unterzeichnet haben.

Die Kritiker warnen vor einer Überforderung der Stadt durch zu ambitionierte Zielvorgaben. So nehme der Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes zu wenig Rücksicht auf wirtschaftliche Realitäten, wie etwa steigende Baukosten.

Parallel dazu formiert sich auch Unterstützung – etwa aus der Wissenschaft. 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie mehr Verbindlichkeit im Hamburger Klimaschutzgesetz fordern und den Zukunftsentscheid als Chance für die Stadt bewerten.

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Der Brief, dessen Existenz die Initiatoren sowie Unterstützer des Zukunftsentscheids am Mittwoch auf einer Pressekonferenz publik machten, versammelt Stimmen aus Klimaforschung, Soziologie, Meteorologie, Stadtplanung und Energieökonomie.

Zu den Unterzeichnenden zählen mehrere bundesweit bekannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Darunter etwa Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie und koordinierender Leitautor in mehreren Berichten des Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC), sowie Dirk Notz, Experte für Meereis und Erdsystemwissenschaften. Auch die Energieökonomin Claudia Kemfert von der Leuphana Universität, die Klimaforscherin Daniela Jacob vom Climate Service Center Germany und die Soziologin Anita Engels, Sprecherin des Hamburger Exzellenzclusters CLICCS, gehören zu den Unterzeichnenden.

Der offene Brief formuliert einen deutlichen Appell: „Aktuell passiert zu wenig – wir brauchen Verbindlichkeit.“ Die geltende Gesetzgebung in Hamburg reiche nicht aus, um sicherzustellen, dass die Stadt die notwendigen Maßnahmen für den Klimaschutz umsetze. Der Hamburger Klimabeirat habe bereits auf eine „eklatante Regelungslücke in Bezug auf eine Nachsteuerung bei Zielverfehlung“ hingewiesen.

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Stefan Aykut, Soziologe an der Universität Hamburg und einer der bekannten Unterzeichner, erklärte auf der Pressekonferenz, warum sich die Wissenschaftler hinter die Ziele des Entscheids stellen. Er verwies auf die besonderen Risiken für Hamburg: „Wasser von vier Seiten – das beschreibt wirklich die Situation hier.“ Gemeint seien der steigende Meeresspiegel, zunehmende Niederschläge, ein höherer Grundwasserspiegel und die Elbe als potenzielle Überschwemmungsquelle. Aus Sicht des Forschers sei es daher „logisch, dass Hamburg in dieser Frage vorangeht“.

Aykut kritisierte, dass die Umsetzung bestehender Klimaziele auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene oft hinterherhinke. „Was wir dann beobachten können, sind Konflikte, Zuspitzungen, Polarisierungen – in dem Moment, wenn nachgesteuert werden muss.“ Als Beispiele nannte er das Gebäudeenergiegesetz und das geplante Aus für Verbrennungsmotoren.

Er sieht in solchen Konflikten ein strukturelles Problem: „Oft wird das nicht sozial ausgeglichen gestaltet, und dadurch kommt es zu Konfliktspiralen.“ Auch für die Zukunft prognostizierte er Spannungen, etwa durch die Ausweitung des europäischen Emissionshandels ab 2027. „Es ist im Moment nicht geplant, dass das sozial ausreichend abgefedert wird.“ Vor diesem Hintergrund bezeichnete Aykut den Zukunftsentscheid als „gut durchdacht“. Die Kombination aus jährlichen Zwischenzielen und verbindlicher Sozialverträglichkeit sei aus wissenschaftlicher Sicht angemessen.

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Der offene Brief hebt zudem hervor, dass Klimaschutz auf lokaler Ebene konkrete Vorteile für Gesundheit und Lebensqualität bringen könne – etwa durch saubere Luft, bessere Mobilität und moderne Infrastruktur. Während Städte wie Stockholm, Kopenhagen oder Paris Klimaneutralität als Innovationschance begreifen, drohe Hamburg ins Hintertreffen zu geraten. Als internationale Hafen- und Wirtschaftsmetropole trage die Stadt eine besondere Verantwortung, heißt es in dem Schreiben.

Besorgt zeigte sich Aykut über politische Gegenbewegungen. „Wir sehen eine Art vorauseilenden Rückbau von Klimaschutz, weil befürchtet wird, dass das rechten Kräften in die Karten spielt.“ Der Aufstieg der AfD und anti-ökologische Reflexe seien bereits spürbar. Gleichzeitig betonte er, dass es nach wie vor breite gesellschaftliche Unterstützung für Klimaschutz gebe – „wenn die Maßnahmen sozial flankiert werden“.

Source: welt.de

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