Seit Jahren wird über einen Industriestrompreis diskutiert, jetzt könnte er schnell kommen. Für die Wirtschaft wäre die neue Subvention eine wichtige Stütze – auf den Staat kommen aber hohe Kosten zu.
Unternehmen mit besonders hohem Energiebedarf sollen ab dem kommenden Jahr durch einen staatlich subventionierten Industriestrompreis entlastet werden. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) kündigte in Berlin an, dass sie von einer Einführung zum 1. Januar 2026 ausgehe.
Unternehmen in Deutschland klagen seit langem über im internationalen Vergleich hohe Strompreise. Firmen seien daher nicht wettbewerbsfähig. Auch die IG Metall warnte, ohne wettbewerbsfähige Energiepreise drohten Zehntausende Arbeitsplätze verloren zu gehen.
Kurz vor dem für Donnerstag geplanten Gipfel zur Stahlindustrie kündigte Reiche zudem die Verlängerung der insbesondere für die deutsche Stahlindustrie wichtigen staatlichen Kompensation des Strompreises über das Jahr 2030 hinaus an. Einen Beschluss dazu erwarte sie in den kommenden Wochen, es gebe positive Signale der EU-Kommission dazu.
Stahlgipfel im Kanzleramt
Angesichts der Krise in der Branche lädt Bundeskanzler Friedrich Merz zu einem „Stahlgipfel“ am 6. November im Kanzleramt ein. Wie ein Regierungssprecher in Berlin sagte, sollen daran weitere Regierungsmitglieder wie Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sowie Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) teilnehmen – daneben Vertreter der Branche sowie Ministerpräsidenten aus Ländern mit Stahlindustrie. Bei dem Treffen solle es um Themen wie Resilienz, Handelsbeziehungen und Energiepreise gehen.
Offenbar Einigung mit der EU-Kommission
Reiche sagte, man sei bei Verhandlungen zum Industriestrompreis mit der EU-Kommission in den letzten Zügen. Die Kommission muss zustimmen, weil es sich um eine Beihilfe handelt. Reiche sagte bei einer Industriekonferenz mit anderen EU-Ministern, Haushaltsmittel sollten rückwirkend 2027 eingesetzt werden. Man habe mit der EU-Kommission vereinbart, dass Nachweise der Unternehmen, im Gegenzug für einen Industriestrompreis mehr in Effizienz zu investieren, so „bürokratiearm“ wie möglich sein sollten.
Am Rande der Konferenz sagte Reiche, sämtliche Mitgliedstaaten der EU müssten die Probleme der Industrie auf dem Kontinent gemeinsam anpacken. Aus Europa solle ein „Silicon Valley des Aufbruchs“ und nicht der Bürokratie werden.
Brüssel hatte im Juni generell grünes Licht für einen Industriestrompreis gegeben. Damals hieß es, erlaubt sei ein Nachlass von bis zu 50 Prozent auf den Großhandelsstrompreis, allerdings höchstens für die Hälfte des jährlichen Stromverbrauchs einer Firma. Subventionen dürften dazu nur für maximal drei Jahre pro Unternehmen gewährt werden und müssten bis spätestens Ende 2030 auslaufen.
Konkrete Ausgestaltung offen – Milliardenkosten erwartet
Wie genau der Industriestrompreis aussehen soll, ist noch unklar. In einem früheren Papier des Ministeriums war von fünf Cent pro Kilowattstunde die Rede. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft von Anfang Oktober liegt der durchschnittliche Strompreis bei Neuabschlüssen für kleine und mittlere Industriebetriebe derzeit bei bis zu 18 Cent pro Kilowattstunde, Firmen mit einem höheren Verbrauch zahlen etwas weniger.
Die staatliche Förderung dürfte Milliarden kosten. Das Geld dafür könnte aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen, einem Sondertopf des Bundes. In dem Konzept einer Allianz um die bundeseigene Deutsche Energieagentur heißt es laut Handelsblatt, ein Industriestrompreis von fünf Cent für rund 2.000 Unternehmen würde den Bund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten.
IG Metall und Unternehmen begrüßen Entwicklung
„Es ist ein wichtiges Signal, dass sich die Wirtschaftsministerin klar zum Industriestrompreis bekennt und die kurzfristige Einführung in Aussicht stellt“, sagte Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall. Es gebe keine Alternative zum Industriestrompreis, wenn Deutschland Industrieland bleiben wolle. Der Industriestrompreis dürfe aber kein „Blankoscheck“ sein, sondern müsse an Beschäftigungssicherung, Tarifbindung und Zukunftsinvestitionen gekoppelt werden.
Zustimmung kam auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie. „Für besonders energieintensive Industrien ist jede schnelle Entlastung von den hohen Stromkosten essenziell, um kurzfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Ein Industriestrompreis wäre ein wichtiges Signal an die energieintensiven Industrien in Deutschland.
Mit Informationen von Wolfgang Kessel, ARD-Hauptstadtstudio in Berlin
Source: tagesschau.de