Wirtschaftskrise: „Eine höhere Erbschaftsteuer wäre sinnvoll“

Die Ökonomin und neue Präsidentin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Nicola Fuchs-Schündeln, rät in der Wirtschaftskrise von Einzelmaßnahmen ab – die Regierung müsse vor allem Verlässlichkeit schaffen und das große Ganze im Blick haben. Dafür brauche es deutlich mehr Investitionen, vor allem in die Bildung.

ZEIT ONLINE: Frau Fuchs-Schündeln, der deutschen
Wirtschaft geht es schlecht
, in diesem Jahr gibt es schon wieder kein Wachstum.
Warum? 

Nicola Fuchs-Schündeln: Wir haben es mit drei
Herausforderungen zu tun: Zum einen ist das Produktivitätswachstum seit Jahren
niedrig
. Zudem führt die demografische Entwicklung zu einem Rückgang der
Arbeitskräfte, gleichzeitig wollen die Menschen weniger arbeiten. Und drittens
hatten wir zuletzt viele exogene Schocks, etwa den Ukrainekrieg und die Energiekrise.
Das führt zu großen Unsicherheiten – bei den Unternehmen und den Menschen. Sie
halten sich mit Investitionen oder Ausgaben lieber zurück. Leider sorgt die
Ampelregierung nicht gerade für Stabilität, sondern befeuert die Unsicherheit
weiter. Die Regierung sollte dringend für mehr Planungssicherheit sorgen. Wir
brauchen eine handlungsfähige Regierung mit einer klaren Linie. 

ZEIT ONLINE: Was soll die Regierung jetzt tun, um die
Konjunktur wieder in Schwung zu bringen? 

Fuchs-Schündeln: Die Ampel hat im Frühsommer die
Wachstumsinitiative verabschiedet, die Maßnahmen gehen in die richtige
Richtung
. Beispielsweise halte ich die steuerlichen Anreize für Fachkräfte aus
dem Ausland sowie die Arbeitsanreize für Rentner für sinnvoll. Ich würde
dringend empfehlen, das Paket nun schnell umzusetzen. Um das Wachstum dauerhaft
anzukurbeln, geht es zwar nicht unbedingt weit genug, aber es ist ein Anfang. 

ZEIT ONLINE: Die SPD will die Kaufprämie für E-Autos
wieder einführen
. Würde das helfen? 

Fuchs-Schündeln: Wir hatten mal eine E-Auto-Prämie,
auf die sich die Automobilhersteller eingestellt haben. Die Regierung hat sie
dann für alle überraschend abgeschafft. Solche Ad-hoc-Maßnahmen bauen kein
Vertrauen auf, und Vertrauen brauchen wir für Investitionen. Wir müssen
wegkommen von Einzelmaßnahmen, die nur eine gewisse Zeit halten. Sinnvoller als
eine E-Auto-Prämie ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Dann sind die Menschen
eher bereit, auf E-Autos umzusteigen, und auch die Industrie kann verlässlicher
planen, denn die Infrastruktur bleibt auf Dauer. 

ZEIT ONLINE: Und was halten Sie von dem SPD-Vorschlag, den
Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen
?

Fuchs-Schündeln: Mindestlöhne können ein
sinnvolles ökonomisches Instrument sein. Aber über die richtige Höhe muss man
diskutieren – und dafür gibt es die Mindestlohnkommission, die Politik sollte
hier nicht erneut eingreifen.

Sorge um Fachkräftemangel trotz Konjunkturschwäche: „Langfristig werden wegen der Demografie Arbeitskräfte fehlen.“

ZEIT ONLINE: Was wird in den nächsten Monaten unser größeres
Problem sein – der Fachkräftemangel oder die steigende Arbeitslosigkeit? 

Fuchs-Schündeln: In den vergangenen Jahren gab es
über alle Branchen hinweg einen Arbeitskräftemangel, das betraf nicht nur
qualifiziertes Personal. Kurzfristig nimmt die Rezession gerade in einigen
Branchen den Druck vom Arbeitsmarkt. Aber langfristig werden wegen der
Demografie Arbeitskräfte fehlen. Hinzu kommt: Viele Menschen wollen weniger
arbeiten und reduzieren ihre Arbeitsstunden.  

ZEIT ONLINE: Sind die Deutschen zu faul?

Fuchs-Schündeln: Erst mal ist es positiv, wenn
Menschen sagen können, ich reduziere meine Arbeitszeit auf 80 Prozent und nehme
dafür Gehaltseinbußen hin. Das zeigt unseren großen Wohlstand, denn wir können uns
mehr Freizeit leisten. Aber natürlich ist es für den Arbeitsmarkt eine große
Herausforderung, gerade weil dieser Trend zusammenfällt mit dem Renteneintritt
der geburtenstarken Jahrgänge. 

ZEIT ONLINE: Vor allem über die Jüngeren heißt es ja,
sie wollten weniger arbeiten.

Fuchs-Schündeln: Da stelle ich mich schützend
vor die Jugend. Wenn man sich die Arbeitsstunden der vergangenen zwei
Jahrzehnte anschaut, zeigt sich ein deutlicher Rückgang überall in Europa, in
Deutschland mit am stärksten. Das Interessante ist: Egal ob jung, alt, Frau
oder Mann – die Stunden gehen für alle runter. Ökonomen erklären das durch den
Einkommenseffekt. Wenn die Löhne steigen, kann man das gleiche Einkommen mit
weniger Arbeit erreichen.  

Die Ökonomin und neue Präsidentin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Nicola Fuchs-Schündeln, rät in der Wirtschaftskrise von Einzelmaßnahmen ab – die Regierung müsse vor allem Verlässlichkeit schaffen und das große Ganze im Blick haben. Dafür brauche es deutlich mehr Investitionen, vor allem in die Bildung.

ZEIT ONLINE: Frau Fuchs-Schündeln, der deutschen
Wirtschaft geht es schlecht
, in diesem Jahr gibt es schon wieder kein Wachstum.
Warum? 

Nicola Fuchs-Schündeln: Wir haben es mit drei
Herausforderungen zu tun: Zum einen ist das Produktivitätswachstum seit Jahren
niedrig
. Zudem führt die demografische Entwicklung zu einem Rückgang der
Arbeitskräfte, gleichzeitig wollen die Menschen weniger arbeiten. Und drittens
hatten wir zuletzt viele exogene Schocks, etwa den Ukrainekrieg und die Energiekrise.
Das führt zu großen Unsicherheiten – bei den Unternehmen und den Menschen. Sie
halten sich mit Investitionen oder Ausgaben lieber zurück. Leider sorgt die
Ampelregierung nicht gerade für Stabilität, sondern befeuert die Unsicherheit
weiter. Die Regierung sollte dringend für mehr Planungssicherheit sorgen. Wir
brauchen eine handlungsfähige Regierung mit einer klaren Linie. 

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