Wirtschaft in Ostdeutschland: Eine Region sucht ihre Zukunft

Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum hat knapp zehn Jahre nach seiner Gründung noch einmal an Bedeutung gewonnen. Kamen im vergangenen Jahr rund 260 Unternehmer und Manager zum wichtigsten regionalen Branchentreffen nach Bad Saarow, so zählte das Forum in diesem Jahr annähernd 500 Teilnehmer.

Die politische Prominenz aus dem nahen Berlin nutzte die Gelegenheit, um, noch dazu in einem Wahljahr, Präsenz zu zeigen. Der Bundeskanzler ließ sich ebenso am Scharmützelsee sehen wie die Bundesminister für Wirtschaft, Finanzen und Arbeit sowie der CDU-Generalsekretär.

Die Repräsentanten der etablierten Parteien hatten es nicht leicht. Befragungen in der ostdeutschen Wirtschaft ebenso wie Gespräche am Rand des Forums belegen einerseits in vielen Fällen eine Zufriedenheit mit der Situation des eigenen Unternehmens und ein grundsätzliches Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Ostdeutschland, aber eben auch ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit der aktuellen allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Lage.

Die Wirtschaft möchte Taten sehen

Diese Unzufriedenheit über die aktuelle Lage erklärt sich mit einer mangelnden Stetigkeit einer Politik, die gefühlt mehr Unsicherheit als Sicherheit erzeugt, einem empfundenen Misstrauen der Politik in die Wirtschaft, hohen Energiepreisen und einer unseligen Neigung zur Überregulierung. Kritik an einer ausufernden Bürokratie garantierte in Bad Saarow den Beifall des Publikums. Deutlich wurde: Der Wirtschaft reicht es nicht, von der Politik Ankündigungen über Bürokratieabbau zu hören. Sie möchte Taten mit deutlich erkennbaren Folgen sehen.

Ihre Zukunft identifizieren zahlreiche Unternehmer und Manager aus der ostdeutschen Wirtschaft weniger in traditionellen Branchen wie Chemie oder Pharma, auch wenn ihre Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte, sondern vor allem im Ausbau der Mikroelektronik sowie der erneuerbaren Energien. Der klimaneutrale Ausbau der Wirtschaft wurde von ihnen eher als Chance denn als Risiko gesehen.

Mit seinem englischen Motto „Fast Forward“ wollte das Forum die Bedeutung einer möglichst raschen Transformation aufzeigen. Der gewünschten Schnelligkeit stehen aber nicht nur die Regulierungen entgegen, auch die Finanzierung geht besonders mit Blick auf die notwendige Ausstattung mit Eigenkapital mit Herausforderungen einher.

Nicht nur für die Politik gilt jedoch, dass sie die Menschen mitnehmen muss. Der verbreiteten Bereitschaft in den Unternehmen, Klimaneutralität als geschäftliche Chance zu sehen, stehen in einem nicht geringen Teil der Bevölkerung wachsende Vorbehalte gegenüber einer starken Betonung von Klimaneutralität und Nachhaltigkeit entgegen.

Viele Menschen sind des andauernden Wandels müde

Ein Grund sind hohe Energiepreise, weil in Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg, die mehr erneuerbare Energien herstellen als sie verbrauchen, die Netzkosten hoch sind. Darüber hinaus verbindet sich für viele Menschen mit dem Begriff Klimaneutralität das Bild eines Staates, der tief in die Freiheit der Menschen eingreift.

Als drittes tritt ein gelegentlich als Veränderungsverweigerung bezeichnetes Phänomen hinzu. Viele Menschen sind des andauernden Wandels und der mit ihm verbundenen Unsicherheit müde.

Die in vielen Fällen ja berechtigte Kritik der Wirtschaft an der Politik sollte jedoch nicht die Mitverantwortung der Wirtschaft für die Attraktivität eines Standorts ausblenden. In Ostdeutschland nennen die Unternehmen als eine wichtige Bürde für das wirtschaftliche Wachstum einen heute schon spürbaren Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, der sich angesichts des demographischen Wandels in den kommenden Jahren unter anderem in den gut laufenden Zweigen der sächsischen Industrie dramatisch vergrößern dürfte.

Versuche, aus dem nicht in Beschäftigung befindlichen Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung neue Mitarbeiter zu rekrutieren, sind zu loben, aber wohl alle Fachleute halten Zuwanderung für notwendig. Eine Zuwanderung aus dem Westen Deutschlands dürfte vor allem an dem im Osten niedrigeren Lohnniveau scheitern. Eine Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland wird dagegen durch die in Teilen der Bevölkerung deutlich erkennbare Ablehnung nicht erleichtert.

Daher war in Bad Saarow auch zu hören: Unternehmer und Manager, die in ihren Betrieben erzählten, an allen wirtschaftlichen Übeln wären die etablierten Parteien schuld, dürften sich über eine politische Radikalisierung ihrer Mitarbeiter nicht wundern, die dem Standort Schaden zufügt.

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