„Wir sind MAGAs Albtraum“: So läuft jener Haustür-Wahlkampf für jedes Zohran Mamdani

An einem lauen Septemberabend versammeln sich etwa fünfzig Menschen in einer Ecke des Carl-Schurz-Parks in Manhattan. Sie sind nicht da, um die Spätsommersonne zu genießen, sondern um Wahlkampf für Zohran Mamdani zu machen – den 33-jährigen indisch-ugandischen, schiitischen Muslim und demokratisch-sozialistischen Kandidaten (was für eine Kombination!) für das Amt des Bürgermeisters von New York City. Einst galt er als „zu links, um wählbar zu sein“, heute ist er Spitzenkandidat im Rennen um das Bürgermeisteramt von New York. Mit guten Chancen, am 4. November als Sieger dazustehen.

Haustürwahlkampf ist das Rückgrat von Mamdanis Kampagne. Außerhalb von New York wurde er durch professionell gemachte Social-Media-Videos bekannt: ein junger, charismatischer Mann mit einem breiten Lächeln und einem Mikrofon, der mit New Yorkern über die Lebenshaltungskosten spricht – Miete, Kinderbetreuung, Lebensmittelpreise, sogar „Halalflation“, d. h. die steigenden Kosten für halal-zertifiziertes Street Food (Döner in NYC). Die Videos sind ästhetischer und inhaltlich gut gemacht, aber es ist der Mann selbst, der viele fasziniert – ein eloquenter, schlagfertiger Millennial, der sowohl eine geisteswissenschaftliche College-Ausbildung (Bowdoin) als auch eine kurze Rap-Karriere (Young Cardamom!) vorweisen kann.

Aber Mamdani verdankt seinen Aufstieg nicht nur seinem Charisma oder Tiktok. Bei den Vorwahlen, bei denen er im Juni das Establishment überraschte, indem er den ehemaligen Gouverneur von New York Andrew Cuomo besiegte, warben mehr als 30.000 Freiwillige für ihn. Seitdem ist diese Zahl auf rund 80.000 gestiegen.

Eine durchdigitalisierte Freiwilligen-Mobilisierungs-Kampagne

Die Freiwilligenarbeit der Kampagne ist gut organisiert – angetrieben durch Daten, Apps und ein komplexes Netz aus WhatsApp-Gruppen, Registrierungen und Bestätigungen. Dennoch bleibt sie offen und leicht zugänglich. Man muss keiner Organisation angehören: Man meldet sich einfach online an, um in einem der 73 Stadtteile der fünf Bezirke von New York Wahlkampf zu betreiben. Nach der Registrierung erhält man eine Bestätigungs-E-Mail, ein Skript mit den Versprechen von Mamdani und am Tag zuvor eine Nachricht mit dem zugewiesenen Einsatzort. Sobald man bestätigt wurde, die App heruntergeladen und sich bei seinem lokalen Co-Leiter gemeldet hat, kann man loslegen.

Ich war im East Village und in der Upper East Side von Manhattan, in Bushwick und Greenpoint in Brooklyn und in Ridgewood in Queens im Wahlkampf dabei – meist zusammen mit jungen Menschen im Alter von 18 bis 35 Jahren, die stolz Zohran-Anstecker trugen. Oft sind auch ältere Freiwillige dabei – ich habe Wahlhelfer in den Vierzigern, Fünfzigern und Sechzigern getroffen und von anderen in den Siebzigern und Achtzigern gehört, die zu „Seniors for Zohran“ gehören.

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An dem Spätsommerabend im Carl-Schurz-Park eröffnen die Co-Leiter die Runde und bitten alle, sich mit ihrem Vornamen und Pronomen vorzustellen und eine einfache Frage zu beantworten: Warum bist du hier? Etwa die Hälfte antwortet mit Varianten derselben Antwort – „für eine bezahlbare Stadt“. Das ist keine Überraschung, wenn man bedenkt, dass Zohran Bezahlbarkeit zu seinem zentralen Kampagnenthema gemacht hat: Er will die Mieten für zwei Millionen New Yorker in mietpreisgebundenen Wohnungen einfrieren und mehr davon bauen, kostenlose Kinderbetreuung für Kinder im Alter von sechs Wochen bis fünf Jahren anbieten und Busse schnell und kostenlos machen. Ein neueres Versprechen – die Eröffnung stadteigener Lebensmittelgeschäfte, um Lebensmittel bezahlbar zu machen – hat ebenfalls an Zugkraft gewonnen.

Mamdani verbreitet Hoffnung in Trumpscher Düsternis

Während viele Freiwillige diese politischen Ziele anführen, erwähnen ebenso viele das Gefühl der Hoffnung, das die Kampagne in düsteren politischen Zeiten bei ihnen weckt. Genau diese Kombination aus Botschaft (ein bezahlbares New York) und Wirkung (Hoffnung) macht die außergewöhnliche Anziehungskraft von Mamdanis Kampagne aus. Vor allem für jüngere Menschen bewirkt sie ein Gefühl der Identifikation, das Zynismus und politische Entfremdung durchbricht. „Endlich jemand wie wir“, höre ich immer wieder an den Haustüren: jemand, der anders ist – jung, jemand, der sich wirklich um die Menschen kümmert, jemand, der die Macht der Konzerne herausfordert und echte Veränderungen verspricht…

Mamdani selbst fand denselben Funken einst in Bernie Sanders‚ Wahlkampf 2016. „Es war Bernies Wahlkampf, der mir die Sprache des demokratischen Sozialismus gab, um meine Politik zu beschreiben“, sagte er bei einer gemeinsamen Kundgebung mit Sanders am 6. September in Brooklyn. „Das teilen wir: Dass man sich selbst in einer Bewegung, in einer Kampagne, in einer Politik wiederfindet, von der man so lange gesagt bekam, dass sie unmöglich sei.“

Mamdani hat auch Gegner. Aber auf den Wahlkampftouren, bei denen ich dabei war, kam es nur einmal zu deutlichem Widerspruch: ein junger jüdischer Mann in Greenpoint, der uns sagte: „Ich glaube nicht, dass er gut für uns sein wird“, und sich dabei auf Zohrans pro-palästinensische Haltung bezog – eine Position, die Mamdani einerseits nützt, aber auf der anderen Seite angreifbar macht. Umfragen deuten darauf hin, dass Ersteres Letzteres überwiegt, auch wenn Andrew Cuomo und ein Großteil der Mainstream-Presse ihn weiterhin in Bezug auf seine Kritik an Israel unter Druck setzen.

Dann geht es von Tür zu Tür

Zurück im Park folgt auf die Vorstellungsrunde eine kurze Schulung. Dann bilden wir Paare – Neulinge mit erfahrenen Freiwilligen. Mein Partner ist Stepan, ein russischer Physiker in meinem Alter, der bei der New York Stem Cell Foundation arbeitet. Wir holen unsere Flyer ab, loggen uns in der App ein (die unsere zugewiesenen Gebäude und die darin lebenden Wähler kartografiert), treten unserer lokalen WhatsApp-Gruppe bei und machen uns auf den Weg.

Die Erfahrungen beim Wahlkampf sind gemischt. Manche Menschen öffnen ihre Türen und lassen sich auf ein Gespräch ein. Viele unterstützen Mamdani schon, manchmal gelingt es sogar, jemanden davon zu überzeugen, sich anzuschließen. Aber manchmal, besonders in den teuren Wohngegenden Manhattans, werden wir vom Türpersonal abgewiesen. In einigen ärmeren Vierteln wie Bushwick, wo ich wohne, antworten viele ältere Bewohner nicht oder rufen hinter der Tür, dass sie kein Interesse haben. Apathie und Isolation sind dort stark verbreitet.

Aber es gibt auch Momente, die einen aufmuntern. Einmal wies uns eine ältere schwarze Frau in Bushwick ab – bis sie Letitia „Tish“ James, die Generalstaatsanwältin von New York und Unterstützerin von Zohran, auf dem Flyer entdeckte. „Tish ist meine Freundin!“, rief sie. „Wir gehen in dieselbe Kirche. Ich bin dabei.“ Eli, die 19-jährige Musikerin, mit der ich unterwegs war, strahlte. Während wir gingen, erzählte sie mir, dass ihre Transidentität und ihre Herkunft als Kind deutscher Einwanderer ihre Politisierung geprägt hätten.

MAGAs schlimmster Albtraum

Mamdani selbst sprach in einem Interview in der Vanity Fair darüber, „für immer eine Minderheit zu sein“: „In Uganda als Inder gelesen zu werden, in Indien als Muslim gelesen zu werden, in New York all das – Ugandisch-indisch-mulismisch – auf einmal zu sein“. Zohran wurde in Uganda als Sohn indischer Eltern geboren. Seine Mutter ist die renommierte Filmemacherin Mira Nair, die in einer hinduistischen Familie aufgewachsen ist, sein Vater ist der Columbia-Professor Mahmood Mamdani, ein Wissenschaftler aus Gujarat, der für seine Arbeiten zur postkolonialen Theorie bekannt ist. Zohran identifiziert sich wie sein Vater mit der Zwölfer-Schia, einem Zweig des schiitischen Islam. (Als Alevitin aus der Türkei konnte ich mir einen Scherz darüber nicht verkneifen, dass er eine Zulfiqar-Halskette trug – schlagen Sie das Wort ruhig nach.)

Sein Vater, so Zohran, habe ihm geholfen, aus seinem „Unbehagen“ „eine Sichtweise zu bilden, durch die er die Welt zu sehen lernte“. „Als Angehöriger einer Minderheit kann man die Wahrheit eines Ortes erkennen“, sagte ihm sein Vater. Diese Erkenntnis prägte seinen Einstieg in die Politik. Wie bei Obama – oder wie Deleuze und Guattari in ihrer Vorstellung vom „minoritär Werden“ beschrieben – kann die Position als Außenseiter oder Angehöriger einer Minderheit dazu führen, dass man die Mängel der Gesellschaft erkennt und das Undenkbare denkbar macht: damals einen schwarzen Präsidenten und vielleicht bald einen migrantischen, muslimischen, sozialistischen Bürgermeister von New York.

In Bezug auf Identität verkörpert Zohran den schlimmsten Albtraum der amerikanischen Rechten – er steht an der Schnittstelle ihrer drei großen Ängste: Einwanderung, Islam und Sozialismus (oder, in der Übersetzung der Trumpisten, „Dschihadisten“ und „Kommunisten“). Mamdani steht stolz zu all diesen Identitäten. Er achtet jedoch darauf, Identitäten und Identitätspolitik nicht in den Mittelpunkt seiner Kampagne zu stellen. Stattdessen verkörpert er eine linke Politik, die Identität überwindet, ohne sie auszulöschen – indem er sie in eine umfassendere soziale Vision einbindet. Frauen, Queers, Einwanderer und New Yorker, Schwarze, Weiße (und alle möglichen Kombinationen davon) engagieren sich ehrenamtlich für Mamdani – verbunden durch das gemeinsame Ziel einer bezahlbaren Stadt, in der jeder in Würde leben kann, wenn schon nicht in Gleichheit.

Seine Gegner machen es ihm nicht leicht. Das Establishment der Demokraten bremst, Trump droht schon, New York Bundesmittel vorzuenthalten und die Nationalgarde zu entsenden, und die Milliardäre spenden an Super-PACs wie „Defend NYC“ (gegen Mamdani). Trotzdem liegt er weiterhin an der Spitze des Wahlkampfs, mit einem zehnprozentigen Vorsprung vor Cuomo.

Bei einer Kundgebung am 13. Oktober im United Palace in Washington Heights saß ich zwischen Mitgliedern der Democratic Socialists of America (DSA), dem organisatorischen Rückgrat seiner Kampagne, insbesondere ihres Wahlkampfarms. „Wir wissen, wofür wir stehen“, sagt Zohran vor der jubelnden Menge. „Zu lange haben wir versucht, nicht zu verlieren. Jetzt ist es Zeit, dass wir gewinnen. Freunde, unsere Zeit ist gekommen!“

Özge Yaka ist Soziologin. Sie hat an der Universität Lancaster promoviert, in Deutschland, Frankreich und der Türkei gearbeitet, und forscht derzeit in New York.

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