Für Techniker und Bautrupps der Mobilfunkkonzerne dürften die letzten Wochen des Jahres ziemlich hektisch werden. Mit Hochdruck arbeiten Deutsche Telekom , Vodafone und der O2-Anbieter Telefónica Deutschland daran, weitere Funktürme aufzustellen und Sendetechnik nachzurüsten, um ihre Versorgungspflichten doch noch einigermaßen pünktlich zu erfüllen. Am Montag will der Beirat der Bundesnetzagentur eine Zwischenbilanz ziehen. Im schlimmsten Fall drohen Bußgelder und Zwangsmaßnahmen, wenn Auflagen nicht rechtzeitig erfüllt werden.
Das wird nicht überall zu schaffen sein, so viel steht jetzt schon fest. Eine andere Frage ist, ob die Unternehmen die Verzögerungen zu vertreten haben oder es andere Gründe dafür gibt. Deshalb wird es in der Sitzung des Beirates, dem Vertreter von Landesregierungen und Bundestagsabgeordnete angehören, eine Menge zu erklären geben. Die Vorgaben stammen aus der Frequenzauktion von 2019, in der die Konzerne Spektrum für den neuen Mobilfunkstandard 5G ersteigert hatten. Die meisten Auflagen allerdings beziehen sich noch auf die LTE-Versorgung. Ziel ist dabei jeweils eine Versorgung mit Mindestbandbreiten von 100 Megabit je Sekunde.
Eine zentrale Vorgabe besteht darin, dass die Netze jedes einzelnen Anbieters für mindestens 98 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland diesen Wert gewährleisten müssen. Eine Bestandsaufnahme der Netzagentur für die Sitzung am Montag zeigt noch einige große Lücken. Vor allem O2 kommt darin nicht gut weg. Doch die Zahlen seien nicht auf dem neuesten Stand, heißt es dort, nur zwei Bundesländer stünden noch aus. „Wir werden es rechtzeitig schaffen“, versichert Vorstandschef Markus Haas, der den Konzern höchstpersönlich in der Sitzung vertreten wird.
Viele Regionen noch immer abgehängt
Für die Telekom wird voraussichtlich Deutschlandchef Srini Gopalan dabei sein, von Vodafone wird Deutschlandchef Philippe Rogge erwartet. Die Telekom und Vodafone sehen sich mit der Haushaltsversorgung ebenfalls auf der Zielgeraden. Rund 4800 neue Funkmasten hat allein die Telekom seit 2019 gebaut, von 2600 Stationen berichtet Vodafone.
Die aber stehen dort, wo besonders viele Kunden erreicht werden. In abgelegenen, dünn besiedelten Gebieten ist der Empfang hingegen häufig immer noch sehr bescheiden. In den „grauen Flecken“ liefern wenigstens ein oder zwei Netzbetreiber eine brauchbare LTE-Verbindung; mit der „richtigen“ SIM-Karte kann man dort also Glück haben. Aber es gibt auch immer noch viele Regionen, knapp 3 Prozent des Bundesgebietes, in denen außer Telefonieren gar nichts geht. In 500 solcher „weißer Flecken“ sollten die drei Handykonzerne bis zum Jahresende in einer gemeinsamen Anstrengung Basisstationen aufbauen. Das Konzept: Jeweils einer baut und lässt die beiden anderen mit ihrer aktiven Technik auf seinen Standort.
Dass das gelingen wird, erscheint eher zweifelhaft, obwohl alle drei auf den letzten Metern Vollgas geben. Als Übergangslösung schaffen sie sogar mobile Stationen heran. „Wir setzen weiter alles daran, auch diesen Teil der Versorgungsauflage bis Ende 2022 zu erfüllen“, sagt Haas. Aber ebenso wie Vodafone-Technik-Chefin Tanja Richter verweist er auf den notwendigen zeitlichen Vorlauf: Denn welche weißen Flecken ausgebaut werden sollen, stand erst im November 2021 nach einer langwierigen Abstimmung zwischen den Bundesländern endgültig fest. Schon wegen der langen Genehmigungsverfahren für Funktürme sei der Zeitplan deshalb eine große Herausforderung. Von der Telekom heißt es, man werde alle Anforderungen erfüllen, „soweit es keine rechtlichen und tatsächlichen Hinderungsgründe für den Ausbau von einzelnen Standorten gibt“.
1&1 muss sich warm anziehen
Ein anderer Streitpunkt ist das in den Auflagen geforderte lückenlose LTE-Netz entlang der Autobahnen und wichtigen Bundesstraßen sowie auf den Hauptzugverbindungen. Am besten sieht es an den Autobahnen aus, etwas niedriger liegen die Werte für Schiene und Bundesstraßen. Mit dem Ausbau ihres 5G-Netzes kommen die drei etablierten Mobilfunker weitgehend planmäßig voran. Fragen wirft außer bei der Telekom allerdings die Verteilung der Basisstationen auf die einzelnen Bundesländer auf.
Besonders warm anziehen muss sich auf dem Beiratstreffen der Neuling 1&1: Die Tochtergesellschaft des Internetkonzerns United Internet hatte 2019 zum ersten Mal Frequenzen ersteigert und will ein eigenes, viertes Handynetz aufbauen. Doch bisher steht nicht eine einzige Funkantenne – obwohl sich 1&1 verpflichtet hat, bis Jahresende 1000 Basisstationen in Betrieb zu nehmen. Das Unternehmen versucht die Verantwortung bei einer mit dem Bau beauftragten Funkturmgesellschaft abzuladen, welche nicht rechtzeitig geliefert habe.
Die Netzagentur will aber auch von 1&1 für jede Verzögerung eine „standortbezogene detaillierte Dokumentation“. Für 1&1 geht es nicht nur um mögliche finanzielle Sanktionen, sondern auch darum, ob die Untätigkeit Folgen für die kommende Frequenzversteigerung haben wird. Derzeit läuft ein Konsultationsverfahren zu einem Auktionsdesign, das 1&1 durchaus entgegenkäme. Hinter den Kulissen allerdings ist das Murren groß, dass wertvolle Frequenzen blockiert sind und bisher nicht für eine bessere Mobilversorgung genutzt werden.