Im Jahr 1958 reist Carlo Levi, Autor von „Christus kam nur bis Eboli“, durch das geteilte Deutschland. Sein Reisebericht erzählt uns noch Jahrzehnte später viel über unser Innenleben
Es ist Winter 1958. Ein italienischer Maler, der zugleich Schriftsteller und Arzt ist, fliegt mit der Lufthansa von Rom nach München. Es ist der Nikolaustag, der 6. Dezember. Die Reise geht in zwei deutsche Staaten – der eine geprägt vom Wirtschaftswunder, der andere übt sich in sozialistischem Aufbau. Hier wie dort die gleiche Beobachtung, nur mit unterschiedlichen Bildern: „Deutschland versteckt sich nicht vor anderen. Es versteckt sich vor sich selbst.“
Der Reisende, der buchstäblich durch diese befremdliche Kulissenwelt stolpert und aus dem Staunen nicht herauskommt, ist Carlo Levi, der 1945 mit Christus kam nur bis Eboli einen literarischen Welterfolg geschrieben hatte. Geboren 1902 in Turin, stammte er aus einer wohlhabenden jüdischen Familie