Der PEN Berlin solidarisiert sich mit den in Gaza getöteten Journalisten. Doch die Resolution zum Thema unterscheidet nicht ausreichend zwischen Journalismus und Propaganda, sagt unser Autor, der an der Resolution mitgearbeitet hat
Journalisten, die versuchen, unabhängig über das Kriegsgeschehen in Gaza zu berichten, begeben sich in unser aller Interesse in große Gefahr. Wenn sie bei diesem Einsatz ums Leben kommen, ist es die Pflicht einer Autorenvereinigung wie des PEN Berlin, auf ihr Schicksal besonders aufmerksam zu machen und auch zu fragen, ob die Kriegsparteien den völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz der Pressefreiheit nachkommen.
Deshalb war es zu begrüßen, dass es auf der turnusgemäßen Mitgliederversammlung des PEN Berlin im November einen Antrag für eine Resolution gab, der das zum Thema machte. Beim Lesen des Textes wurde jedoch schnell klar, dass er Israel allein für den Tod der Journalisten und Autoren verantwortlich machen wollte. Weder wurden die Ursachen des aktuellen Kriegs erwähnt, noch die Tatsache, dass die terroristische Hamas bewusst aus dicht besiedeltem Gebiet heraus operiert und den Tod der Zivilbevölkerung gleichgültig in Kauf nimmt, während Israel viel in den Schutz der eigenen Bevölkerung vor den Raketen der Terroristen investiert.
In dem Entwurf wurden Namen von getöteten Personen genannt, sie wurden als unsere Kollegen und als Journalisten bezeichnet. Darunter ist beispielsweise Refaat Alareer, der die Berichte sexualisierter Gewalt an israelischen Frauen während des Terrorangriffs der Hamas am 7. Oktober 2023 als israelische Propagandalügen bezeichnet hat. Auch Mustafa Al-Sawwaf, ein hochrangiger Hamas-Funktionär und Autor in palästinensischen Medien ist dabei, der sich gegen die Pläne stemmte, die Geschichte des Holocausts in palästinensischen Schulen zu unterrichten.
PEN Berlin über Gaza: Terrorpropagandisten als Kollegen?
Ebenfalls genannt werden Personen, die für den Hamas-Sender Al-Aqsa-TV oder die iranische Tasnim News Agency gearbeitet haben. Natürlich unterliegen Medienschaffende in Diktaturen gewissen Zwängen, ihre Spielräume sind eng. Doch Menschen, die aktiv Terrorpropaganda betrieben haben, statt sich um objektive Berichterstattung über das Geschehen zu bemühen, und die sich lautstark an Dehumanisierung beteiligten, waren nie unsere Kolleg:innen, sie genießen nicht den Schutz der PEN Charta.
Es ist keine Frage: Jedes dieser Todesopfer ist zu betrauern, wie der Tod jedes Unschuldigen in diesem Krieg, in dem auch Israel eine Kriegsführung betreibt, die viel zu vielen Unschuldigen das Leben kostet.
Man muss jedoch fragen: Was heißt es für diejenigen unserer Kollegen, die tatsächlich in den Kriegen dieser Welt unterwegs sind, um uns mit Fakten und Informationen zu versorgen, wenn hier Terrorpropagandisten als unsere und ihre Kollegen genannt werden? Schutz der Pressefreiheit, das heißt immer und überall auch, Journalismus von Propaganda zu unterscheiden.
Deshalb hatte sich schon zur regulären PEN-Berlin-Mitgliederversammlung eine Gruppe, zu der ich gehörte, zusammengefunden, die einen alternativen Initiativantrag formuliert hat. Wir erreichten, dass über beide Anträge nicht entschieden und eine erneute Mitgliederversammlung angesetzt wurde, die sich ausschließlich mit dem Thema des Schutzes von Journalisten im aktuellen Krieg im Nahen Osten befasste. Diese fand am vergangenen Sonntag statt.
Ein Kompromissvorschlag gewann: Immerhin wird der Terror der Hamas benannt
Dort gab es neben Anträgen der beiden ursprünglichen Gruppen einen Kompromissvorschlag, an dem ich mitgewirkt hatte. Ich hatte diesem bereits zugestimmt, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Opfer, die auch in diesem Antrag unsere Kollegen genannt wurden, noch einmal geprüft würden. Allerdings kam es nicht zu einem gemeinsamen Vorschlag – schon deshalb, weil der Partner von der anderen Gruppe seine Zustimmung zurückzog. Die Prüfung der Namen unterblieb weitgehend, so jedenfalls mein Eindruck.
Angenommen wurde am Ende der Kompromissvorschlag – was gewissermaßen ein Erfolg ist, weil der Terror der Hamas darin explizit verurteilt wird und als Kriegsursache benannt ist. Weiterhin werden dort aber Terrorpropagandisten als unsere Kollegen bezeichnet, was sie nie waren und nicht sein konnten. Im Interesse aller Journalisten, die für freie Berichterstattung ihr Leben riskieren und sterben, halten wir es für unsere Pflicht, darauf öffentlich hinzuweisen.
Am Ende ist dann noch etwas sehr Wichtiges passiert: Unser Resolutionsentwurf zum Schicksal von Oded Lifshitz, einem 84-jährigen israelischen Journalisten, der am 7. Oktober 2023 von den Terroristen aus seinem Kibbuz entführt wurde und von dem seit Monaten jedes Lebenszeichen fehlt, wurde mit 92 Prozent der noch anwesenden Mitglieder angenommen. Ein Hoffnungszeichen für den PEN Berlin.