Werbe- und Medienkonzern: Ströer liebäugelt mit Radikalverkauf

Fast jeder, der in einer Großstadt mal U-Bahn fährt, kennt sie: Die großen „Infoscreens“ des Außenwerbevermarkters Ströer , die den Wartenden die Zeit vertreiben: mit News-Schnipseln des Nachrichtenportals T-Online (das Ströer selbst gehört), mit dem örtlichen Wetterbericht und vor allem mit jeder Menge Werbung. Jetzt macht die im M-Dax notierte Kölner Werbefirma selbst Schlagzeilen: Ströer könnte sein komplettes Kerngeschäft verkaufen. Darunter fallen die Außenwerbung, also etwa die Großbildschirme in Bahnhöfen und weitere Werbeflächen, sowie die digitalen Medien, wie etwa T-Online und die Callcenter-Aktivitäten. Dafür hat er nach Informationen der F.A.Z. schon angelsächsische Fusionsberater mandatiert: Zwei unabhängige Quellen in der Finanzbranche nannten J.P. Morgan und PJT auf Seite des Unternehmens beziehungsweise der beiden größten Aktionäre. J.P. Morgan lehnte eine Stellungnahme ab, PJT war nicht erreichbar.

„Wir bestätigen, dass wir indikative Angebote von Private-Equity-Investoren betreffend einen möglichen Erwerb der Geschäftsbereiche Außenwerbung/Out-of-Home (OOH) sowie digitale Medien von Ströer erhalten haben“, heißt es auf der Homepage von Ströer. Mehrere Finanzinvestoren erwägen dem Vernehmen nach einen Vorstoß, unter anderem KKR, CVC und EQT. Das Verfahren sei in einem frühen Stadium, und EQT sei aus ihm schon wieder heraus, heißt es in Kreisen, die mit dem Verfahren vertraut sind. Alle drei lehnten einen Kommentar ab. Bloomberg nannte zusätzlich Hellman & Friedman als interessierte Partei. In einem Bericht des Finanzinformationsdiensts ist von rund vier Milliarden Euro als Bewertung allein für die Außenwerbungs-Sparte die Rede.

Die „indikativen Angebote“ befänden sich „deutlich oberhalb der Marktkapitalisierung“ heißt es von Ströer. Man befinde sich in „ergebnisoffenen Gesprächen“. Es gebe „bisher keine Vereinbarung über die Bedingungen und Konditionen einer möglichen Transaktion, einschließlich des möglichen Kaufpreises“. Der Aktienkurs profitierte am Montag weiter von den Verkaufsspekulationen und stieg um bis zu vier Prozent auf 55,90 Euro.

Klassisches Konglomeratsproblem

Ströer wird am Kapitalmarkt als Konglomerat angesehen, dessen Einzelteile in Summe mehr wert sein könnten, als das Unternehmen als Ganzes es ist. Investmentbanker nennen den Trend zu „Corporate Clarity“ – also einfachen Konzernstrukturen – als unverändert wichtigen Treiber im Übernahmegeschäft, konkret für Spartenverkäufe.

Ein Verkauf der Außenwerbungs- und Digitalmediensparten des Unternehmens wäre der umgekehrte Schachzug dessen, was zuletzt kolportiert wurde: Bislang hatte Ströer eher signalisiert, den Verkauf der Online-Statistikplattform Statista und der Kosmetik-Tochtergesellschaft Asam Beauty zu prüfen – im Vergleich eher kleinere Rand-Aktivitäten, die Ströer unter dem Namen „Data as a Service und E-Commerce“ zusammengefasst hat. Schon für einen möglichen Verkauf von Asam Beauty war dem Vernehmen nach das Bankhaus J.P. Morgan beauftragt worden.

Würde die neue Variante Wirklichkeit, wäre das Segment, zu dem Statista und Asam Beauty gehören, der verbleibende Rest. Mit der Außenwerbung verbuchte Ströer in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 etwa 661 Millionen Euro an Umsatz. Die bereinigte operative Marge (Ebitda-Marge) lag bei gut 46 Prozent. In der Digitalsparte für Onlinewerbung und Callcenter erzielte das Unternehmen 631 Millionen Euro Umsatz bei einer Gewinnspanne von knapp 17 Prozent. Die beiden Hauptsparten waren also für den Großteil des Gesamtgeschäfts von 1,46 Milliarden Euro verantwortlich.

Größter Aktionär von Ströer ist mit 24,03 Prozent der Anteile der Ko-Vorstandschef des Unternehmens, Udo Müller. Er ist bekannt für risikoreiches Agieren. Manche Schlagzeile hatte Müller auch mit Finanzwetten aufs eigene Unternehmen gemacht; allerdings war es zuletzt rund um diese Themen ruhiger geworden. In der Ströer-Mitteilung heißt es nun, Müller wolle in dem Fall, dass die Verkaufsgespräche zu einer Transaktion führen, „an dem Geschäftsbereich unverändert beteiligt bleiben und ihn unverändert führen“.

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