Wer weniger erwartet, wird mehr bekommen

Nehmen wir als Beispiel Weihnachten. Die Mutter kocht nicht gern, sie kocht nicht gut, und trotzdem steht sie stundenlang in der Küche, um einen Gänsebraten zu machen. Das Ergebnis überzeugt nicht: An dem Vogel ist wenig Fleisch, das zudem trocken und zäh ist. Die Kinder, längst erwachsen, deuten an, Aufwand und Ertrag stünden in einem ungünstigen Verhältnis. Die Mutter ist tödlich beleidigt.

Womit wir beim Thema wären: Erwartungen. Die Mutter erwartet Lob für die viele Mühe, die sie sich gemacht hat. „Es hat keiner von Dir verlangt“, sagen die Kinder jedoch, und das hilft nun erst recht nicht. Sie hat es doch für die anderen getan! Und dann so ein Undank. Kann sie Dank erwarten?

Erwartungen sind vor allem ein Problem dessen, der sie hat. Werden sie jedoch massiv enttäuscht, so werden sie auch zum Problem aller anderen. Das gilt nicht nur an den nun anstehenden Weihnachtsfeiertagen. Es ist auch auf nahezu alle anderen Lebensbereiche übertragbar.

Etwa auf die Politik. Denken wir an Bundeskanzler Friedrich Merz, der im Frühling ankündigte, dass die Bürger schon im Sommer Verbesserungen spüren würden. Wer solche Erwartungen weckt, darf sich nicht wundern, wenn er daran festgehalten wird. Der Sommer ohne Verbesserungen wurde jedoch gefolgt von einem Herbst der bloß angekündigten Reformen, und inzwischen befinden wir uns in dem Winter des Missvergnügens, den die Grünen von Anfang an erwartet hatten.

Informatiker und Projektmanager kennen den Begriff: Erwartungsmanagement. Bei der „Verkaufe“ eines Projekts werden nämlich mitunter unrealistische Vorstellungen geweckt, das geht oft gar nicht anders, denn mit Understatement verkauft man kein Projekt. Wenn es dann an die Umsetzung geht, muss als erstes der Projektmanager ran und dem Kunden schonend beibringen, was geht und was nicht. Denn Entscheider haben oft unrealistische Vorstellungen: Das Projekt wird nichts kosten, die Welt disruptiv verändern und in drei Wochen glänzend abgeschlossen sein. Ratgeber für Projektmanager enthalten Überschriften wie: „Luftschlösser rechtzeitig auflösen.“ Im Kabinett Merz befolgt vor allem Katherina Reiche diesen Rat.

Zwei Tage vor Weihnachten hat sich nun Bundesfamilienministerin Karin Prien mit klugen Worten genau zu diesem Thema geäußert. Auch sie habe früher zu jenen Frauen gehört, die sehr hohe Ansprüche an das Weihnachtsfest hatten, damit es alle schön haben, sagte sie der „Bunten“. „Inzwischen habe ich meinen Perfektionismus ein bisschen runtergeschraubt. Das kann ich anderen auch nur empfehlen.“

Letztlich gehe es um die gemeinsam verbrachte Zeit: „Spaziergänge, gemeinsam kochen, es sich gut gehen lassen. Am Ende steht in unserer Familie über allem, dass wir uns lieben und froh sind, dass wir uns haben.“ Die Ministerin ist auch ausgebildete Mediatorin. Zuhause hilft das allerdings wenig: „Ich gebe zu, dass man auch als Mediatorin mit den eigenen Konflikten weniger professionell umgeht als mit denen anderer.“ Ist ja klar, man hat Emotionen im Spiel.

Was folgt aus alledem? Wer keine Erwartungen hat und alles einfach so nimmt, wie es kommt, hat die besten Chancen auf entspannte und heitere Weihnachten.

Source: welt.de

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