Wer die junge Trump-Rechte verstehen will, muss Charlie Kirk verstehen

Jeder, der den Aufstieg von US-Präsident Donald Trump unter jungen Wähler:innen verstehen will, muss Charlie Kirk verstehen, auch „Jugend-Flüsterer“ der Rechten genannt. Kirk wurde am Mittwoch während einer Veranstaltung an der Utah Valley Universität von einem Schuss getroffen und starb später.

Erst 31 Jahre alt, hatte Kirk noch kein politisches Amt bekleidet. Aber als geborener Showman mit einem Gespür für Patriotismus, Populismus und christlichen Nationalismus verfügte er über das politische Kapital der heutigen Zeit.

2012 war er einer der Mitbegründer der Organisation Turning Point USA mit dem Ziel, konservative, anti-woke Ansichten unter jungen Leuten zu verbreiten. Das machte ihn zum angesagten Sprecher in TV-Programmen und bei Konferenzen für junge Leute mit rechtsgerichteter Meinung.

Der Aktivist, Autor und Radio-Moderator nutzte seine riesige Zuschauerschaft auf Instagram und YouTube, um Unterstützung für eine einwanderungsfeindliche Politik, ein konfrontatives Christentum und virale Bekämpfungen von Zwischenrufern bei seinen zahlreichen Campus-Veranstaltungen zu gewinnen.

Als wichtiger Einflussfaktor auf die moderne Republikanische Partei war seine Karriere auch von der Verbreitung von Falschinformationen, spaltender Rhetorik und Verschwörungstheorien geprägt. Beispiele sind Wahlbetrugvorwürfe bei der Präsidentschaftswahl 2020 und Falschinformationen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und Impfstoffdiskussionen.

Charlie Kirk war homophob und islamophob

Kirk äußerte offen engstirnige Vorurteile und war unverhohlen homophob und islamophob. Erst am Dienstag schrieb er auf X: „Islam ist das Schwert, das die Linke benutzt, um die Kehle Amerikas aufzuschlitzen.“

Seine evangelikalen christlichen Überzeugungen waren eng mit seiner Politik verflochten. Dabei vertrat er die Meinung, dass es keine echte Trennung von Kirche und Staat gibt. Er warnte vor einem „spirituellen Kampf“, bei dem er den Westen als von „Woke-heit“, Marxismus und Islam bedroht darstellte.

Während eines Auftritts mit US-Präsident Trump im Bundesstaat Georgia im vergangenen Herbst behauptete er, dass die Demokraten „für alles stehen, was Gott hasst“. Er fügte hinzu: „Dies ist ein christlicher Staat. Ich möchte, dass er das bleibt.“

Er verwies auch auf die herrschaftstheologische Ideologie vom „Seven Mountain Mandate“ (deutsch: Sieben-Berge-Auftrag), in dem sieben Bereiche festgelegt sind, in denen Christen eine Führungsrolle übernehmen sollen: Politik, Religion, Medien, Wirtschaft, Familie, Bildung und Kunst sowie Unterhaltung.

Am Mittwoch postete Kevin Cramer, ein republikanischer Senator für den Bundesstaat North Dakota auf X: „Charlie Kirk hat es cool gemacht, jung und gläubig zu sein.“

Charlie Kirk war Eagle Scout bei den Pfadfindern

Kirk wuchs in einem politisch gemäßigten Haushalt im wohlhabenden Chicagoer Vorort Prospect Heights im Bundesstaat Illinois auf. Sein Vater war Architekt und seine Mutter arbeitete als Psychotherapeutin.

Kirk besuchte eine Schule, an der im Laufe seiner Kindheit weiße Schüler:innen von der Mehrheit zur Minderheit wurden. Sein konservatives Erwachen erfolgte während der Präsidentschaft von Barack Obama, inmitten der Finanzkrise von 2008. Maßnahmen wie Bankenrettungen führte er später als Grund für seine Ablehnung nicht-konservativer Wirtschaftspolitik an.

Er engagierte sich bei der Pfadfinderorganisation Boy Scouts of America, wo er den höchstmöglichen Rang eines Eagle Scouts erreichte. In der High School entwickelte er sich zu einem lautstarken Konservativen. Er engagierte sich ehrenamtlich für Mark Kirks erfolgreiche Wahlkampagne für das Senatorenamt für den Staat Illinois 2010. Zudem führte er eine Studentenprotestaktion an, die sich gegen eine geplante Preiserhöhung für Kekse in der Schulcafeteria richtete, die er als staatliche Übergriffigkeit darstellte.

Von seinen Klassenkameraden als „unhöflich“ und „arrogant“ beschrieben, geriet Kirk mit Lehrern aneinander, denen er eine „neomarxistische“ Voreingenommenheit vorwarf. Er stützte sich dabei auf Einflüsse wie Ronald Reagans Wirtschaftspolitik, Milton Friedmans Ideen zum freien Markt und die Rechte aus dem zweiten Verfassungszusatz.

Als Jugendlicher verfasste er einen Kommentar für Breitbart News, in dem er behauptete, die US-Lehrbücher seien linksliberal indoktriniert, was zu seinem ersten Medienauftritt im Alter von 17 Jahren auf dem Sender Fox Business führte.

Kurzfristig besuchte Kirk das Harper College, ein Community College in Palatine in Illinois, brach das Studium jedoch 2012 nach einem Semester ab, um sich ganz dem politischen Aktivismus zu widmen. Seine Ablehnung durch die US-Militärakademie in West Point, New York, im selben Jahr soll seine Hinwendung zu rechten Ideen noch verstärkt haben.

Kirk war der Vorsitzende der Gruppe „Students for Trump“

Mit 18 gründete Kirk Turning Point USA (TPUSA) gemeinsam mit Bill Montgomery, einem 71-jährigen Tea-Party-Aktivisten, den er auf einer lokalen Veranstaltung getroffen hatte. Die Organisation hatte das Ziel, progressiven Uni-Gruppen wie MoveOn.org etwas entgegenzusetzen, indem man konservative Studenten durch Debatten, Veranstaltungen und Aktivismus stärkte.

Laut eigenen Angaben hatte Kirk „kein Geld, keine Beziehungen und keine Idee, was ich tat“. Aber TPUSA wuchs schnell. Es wurden Ortsgruppen an mehr als 3.000 Hochschulen gegründet und jährlich Spenden in Millionenhöhe eingenommen. Kirk erweiterte sein Imperium durch die Gründung von Turning Point Action, einer gemeinnützigen Organisation für politische Interessenvertretung, und Turning Point Faith, um evangelikale christliche Wähler zu mobilisieren, indem er Gottesdienst mit konservativer Politik verband.

Mit 23 war er der jüngste Redner auf dem Republikanischen Parteitag 2016. Er unterstützte Donald Trump Jr. während des Wahlkampfs bei seinen Reisen und Medienauftritten. 2019 wurde Kirk der Vorsitzende der Gruppe „Students for Trump“, die versuchte, junge Wähler für Trumps später gescheiterten Versuch zu mobilisieren, 2020 wieder zum Präsidenten gewählt zu werden.

Kirk organisierte die sogenannten „Stop the Steal“-Proteste (deutsch: „Schluss mit Wahldiebstahl“), nachdem Trump die Wahl 2020 verloren hatte, nahm jedoch nicht daran teil. Er half bei der Koordination von Bussen für die von Trump angeführte Kundgebung am 6. Januar 2021 in der Nähe des Weißen Hauses, bei der der scheidende republikanische Präsident die Menge aufforderte, „zu kämpfen, zu kämpfen, zu kämpfen“, um seine Niederlage gegen Joe Biden zu kippen. Dieses Ereignis entwickelte sich schnell zu einem gewalttätigen Aufstand von Tausenden von Trump-Anhängern im US-Kapitol. Kirk berief sich vor einem Kongressausschuss zum 6. Januar auf den fünften Verfassungszusatz (der unter anderem das Aussageverweigerungsrecht regelt).

Für Trumps Wahlkampf 2024 besuchte Kirk mit seiner „Ihr werdet einer Gehirnwäsche unterzogen“-Tour) 25 Hochschulen mit dem Ziel, die Wahlbeteiligung der Generation Z zu steigern. Derweil stellte die „Mut”-Tour von Turning Point Faith in Zusammenarbeit mit evangelikalen Führern die Wahl als spirituellen Kampf dar.

Kirk leugnete die Klimakrise

Nach der Wahl führte Kirk Loyalitätstests für die neuen Mitarbeiter der Trump-Regierung durch und beriet bei der Auswahl der Kabinettsmitglieder. Im März berief Trump ihn in den Besucherrat der US Air Force Academy, der für die Überwachung des Lehrplans und des Unterrichts zuständig ist. Außerdem war Kirk ein früher Investor in der Investitionsfirma 1789 Capital, die von Verbündeten des US-Präsidenten unterstützt wird, wie etwa seinem ältesten Sohn Donald Trump Jr.

Kirk war Moderator der „The Charlie Kirk Show“, einer dreistündigen täglichen Radiosendung, die seit Oktober 2020 ausgestrahlt wurde. Zudem leitete er die Streaming-Show „Turning Point Live“ für ein junges Publikum. Im April 2024 trat er TikTok bei, wo er mit Videos von Konfrontationen auf dem Campus Millionen von Aufrufen erzielte. Er schrieb mehrere Bücher, in denen er rechtsextreme Ideologien propagierte.

Seine Ansichten provozierten und reizten die Linke immer wieder. Während der Pandemie verurteilte er die Maskenpflicht und bezeichnete Impfvorschriften als „medizinische Apartheid“. Die „Professor Watchlist“ der TPUSA (aufgelistet werden Professoren, die angeblich konservative Studierende benachteiligen) richtete sich gegen liberale Akademiker. Sie wurde als eine Form der Schikane angeprangert, die mit einer McCarthy-Ära-ähnlichen Hexenjagd gegen des Kommunismus Verdächtige vergleichbar sei.

Kirk leugnete die Klimakrise, unterstützte fossile Brennstoffe und war gegen DIE-Programme, die Diversität, Gleichheit und Inklusion fördern. Außerdem hat er weiße Privilegien als „Mythos“ bezeichnet und das Bürgerrechtsgesetz von 1964, das als Meilenstein für die Gleichberechtigung afroamerikanischer US-Bürger gilt, einen „großen Fehler“ genannt. Den Bürgerrechtler Martin Luther King kritisierte er als überbewertet.

2021 heiratete Kirk Erika Frantzve, eine Podcasterin, Unternehmerin und frühere Miss Arizona USA. Die Tochter des Paars wurde im August 2022 geboren und ihr Sohn im Mai 2024.

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