Wenig Lob und viel Schelte pro dies Rentenpaket jener Koalition

Stand: 28.11.2025 18:47 Uhr

Kritik von den Arbeitgebern, weitergehende Forderungen von den Gewerkschaften: Die Einigung der Koalition im Rentenstreit stößt auf verhaltene Reaktionen. Auch Wirtschaftsexperten sehen das Festhalten am bisherigen Fahrplan kritisch.

Die Vereinbarungen der Koalitionsspitzen zur Rentenreform haben wenig Begeisterung hervorgerufen. Vor allem Wirtschaftsvertreter forderten ein höheres Reformtempo. Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses änderten nichts an der Kritik der Arbeitgeber am Rentenpaket, erklärte Verbandspräsident Rainer Dulger. „Prüfaufträge an eine Kommission und Absichtserklärungen ersetzen keine Reform.“

Angesichts des demografischen Wandels müsse die Politik insbesondere die Belastungsspirale in der gesetzlichen Rentenversicherung stoppen, forderte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Achim Dercks. Zwar könne die geplante zusätzliche Kapitaldeckung helfen, die Folgen des demografischen Wandels etwas zu dämpfen. „Die enorm hohen Kosten eines festgeschriebenen Rentenniveaus bleiben aber unverändert.“

Schnitzer: Wäre besser gewesen, das Paket zu stoppen

Ähnlich sieht das die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. „Es wäre besser gewesen, das Rentenpaket zu stoppen – und das ganze nochmal im Lichte von möglichen Reformvorschlägen zu diskutieren“, sagte die Vorsitzende des Rates im ARD-Interview der Woche.

Schnitzer kritisierte die Rentenpläne vor allem mit Blick auf die junge Generation: „Jetzt zementiert man natürlich den Anstieg der Rente über die nächsten fünf Jahre und muss sich dann überlegen, wie man von da aus weitermacht und die Belastungen für die junge Generation, die dadurch entstehen, wieder einfängt.“

Insgesamt hält sie mehr Mut für nötig. „Wir müssen allen ein bisschen was zumuten. Die einen müssen ein bisschen länger arbeiten, den anderen nimmt man einen Feiertag weg, die jungen Leute werden in Zukunft Wehrpflicht haben.“ Das werde über kurz oder lang kommen, sagte Schnitzer.

Werding begrüßt Reformwillen

Schnitzers Kollege im Sachverständigenrat, Martin Werding, begrüßte die Pläne der Regierung, eine Rentenkommission einzusetzen. Wenn die Ankündigungen von Regierungsmitgliedern aus dem Sommer, grundlegende Reformen bei der sozialen Sicherung zu erarbeiten, ernst gemeint seien, könne eine solche Kommission an die Arbeit gehen, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Entscheidend ist, welchen Auftrag sie erhält und welche Spielräume für offene Diskussionen ihr bleiben.“

Dem Vorschlag, auch Beamte in der gesetzlichen Rentenkasse zu versichern, steht Werding skeptisch gegenüber. „Da droht ein Strohfeuer, weil jetzt zusätzliche Beiträge fließen – und eines Tages wollen die Beamten dann auch ihre Rente, bei längerer Lebenserwartung“, so Werding.

Fuest sieht „falsche Reihenfolge“

Der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest, hält das Festhalten am Rentenpaket für einen „schweren Fehler“. Erst eine solche Reform zu verabschieden, die massive Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt bringe, und dann eine Expertenkommission einzusetzen, die in die Gegenrichtung steuern müsste, „ist die falsche Reihenfolge“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.

Ob es dann wirklich später zu einer Reform komme, die in die Gegenrichtung steuere und die Nachhaltigkeit der Finanzen der Rentenversicherung wieder verbessere, sei zweifelhaft. Er befürchte zudem, dass das Rentenpaket künftig Steuererhöhungen mit sich bringt.

DGB: Koalitionsfraktionen müssen Geschlossenheit zeigen

Demgegenüber forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund, das Rentenpaket so zu verabschieden. „Die Koalitionsfraktionen müssen jetzt Geschlossenheit für das Rentenpaket und das Betriebsrentenstärkungsgesetz zeigen und für Sicherheit sorgen“, sagte DGB-Vorständin Anja Piel. „Junge und Alte brauchen eine Rentenreform, die zu mehr Rente für alle führt.“ Die Unternehmen dürften sich dem nicht verweigern.

Der DGB zeigte sich offen für längere Lebensarbeitszeiten auf freiwilliger Basis für die Beschäftigten – „ein Zwang zum längeren Arbeiten durch höhere Altersgrenzen, steigende Abschläge oder sinkendes Rentenniveau ist aber der falsche Weg“, warnte Piel.

Grüne wollen in Kommission mitarbeiten

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten sich im Koalitionsausschuss zuvor verständigt, am geplanten Rentenpaket festzuhalten, es aber mit der Zusage von Reformschritten zu verbinden. Damit sollen vor allem die jungen Abgeordneten in der Unionsfraktion überzeugt werden, die die Rentenpläne wegen der befürchteten hohen Kosten ablehnen.

Die Grünen forderten von Union und SPD eine Einbindung der Opposition und boten ihre Mitarbeit in der Rentenkommission an. Diese solle „einen von der gesamten Gesellschaft getragenen großen Wurf für die größte Rentenreform seit Jahrzehnten entwickeln“, erklärte der Rentenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Armin Grau.

Die Vereinbarungen im Koalitionsausschuss wertete Grau als „durchwachsen“. Die Stabilisierung des Rentenniveaus reiche „weiterhin nur bis 2031, Mütterrente und Aktivrente bleiben hochgradig ineffizient“, kritisierte er. „Man muss sich am heutigen Tag darüber freuen, dass die Bundesregierung wohl nicht an einer lösbaren Sachfrage zerbricht.“

Linke sieht „abgekartetes Spiel“ der Union

Scharfe Kritik an der Rentenvereinbarung kam von der Linkspartei. „Der Aufstand der Jungen Gruppe war ein abgekartetes Spiel mit der Unionsspitze“, erklärte Fraktionschef Sören Pellmann. „Die Union hat genau das bekommen, was sie wollte.“ Nun sei „die ganze Klaviatur der Renten-Grausamkeiten auf dem Tisch, und die Rentenkommission hat daraus freie Auswahl“.

Linken-Chefin Ines Schwerdtner lehnte eine Zustimmung zu den Plänen strikt ab. „Die Linke wird keinem Gesetz zustimmen, welches das Rentenniveau absenkt“, sagte sie dem Sender n-tv. „Ohnehin sind diese Beschlüsse nicht geeignet, unser Rentensystem zukunftsfest zu machen und setzten viel zu sehr auf private Vorsorge. Dabei fehlt vielen Menschen das Geld, um sich privat abzusichern.“

Source: tagesschau.de