Überflutete Landstriche, überhitzte Megastädte, wachsende Wüsten – um die Folgen von Klimawandel und Naturzerstörung einzudämmen, findet derzeit ein Verhandlungsmarathon statt. So endet an diesem Freitag die Weltnaturkonferenz in Cali, Kolumbien, mit rund 23.000 Teilnehmern.
Es ist der erste Test, wie ernst es den Regierenden damit ist, die Ziele des Weltnaturschutzabkommens von 2022 umzusetzen. Zehn Tage später findet vom 11. bis 24. November die UN-Klimakonferenz in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku statt. Bislang haben sich mehr als 32.000 Teilnehmer angemeldet.
Ein zentrales Thema ist – wieder einmal – die Klimafinanzierung. Weiter geht es vom 25. November bis 1. Dezember in Busan, Südkorea, wo die Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen beendet werden sollen. Anfang Dezember wird Saudi-Arabien dann Gastgeber der UN-Wüstenkonferenz sein. Die Verschlechterung von Böden betrifft nach Angaben der UN mittlerweile 3,2 Milliarden Menschen und 40 Prozent des Planeten.
Es wird also viel verhandelt, um den Klimawandel, den Rückgang der biologischen Vielfalt und die Umweltverschmutzung einzudämmen – aber auf getrennten Konferenzen. Dabei spielt die Natur eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Insgesamt speichern Ökosysteme an Land und im Meer 5,6 Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr, schreibt die Bundesregierung. Das entspreche etwa 60 Prozent der durch den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen.
„Treibhausgase reduzieren und in Natur investieren“
„Wir können heute mit großer wissenschaftlicher Sicherheit sagen, dass die einzige Chance, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, darin besteht, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und zugleich in die Natur zu investieren“, hob Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, gegenüber der F.A.Z. hervor. Außerdem stehe mit großer Sicherheit fest, „wenn wir beim Klimaschutz scheitern, scheitern wir auch beim Schutz der Biodiversität, selbst wenn es uns gelingt, 30 Prozent der Landfläche bis 2030 weltweit unter Schutz zu stellen“.
Auch die UN fordern gemeinsame Lösungen. Die kolumbianischen Gastgeber der Weltnaturschutzkonferenz hätten den Ball aufgegriffen, lobt Georg Schwede, Europarepräsentant der Initiative Campain for Nature. Kolumbiens Umweltministerin Susana Muhamad habe das notwendige Zusammenspiel von Natur- und Klimaschutz ins Zentrum der Verhandlungen gerückt.
Das deckt sich mit den Vorstellungen der Bundesregierung. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zählte eine bessere Verzahnung der UN-Vereinbarungen zum Klima- und Naturschutz zu den wichtigsten deutschen Zielen für die Konferenz in Kolumbien.
Die Arbeiten der Delegierten an einem Papier zum Thema Biodiversität und Klimawandel zeigen indes, dass es unterschiedliche Meinungen dazu gibt, wie dies gelingen kann. Die Regierungen müssten sich zunächst darüber einig werden, wo und wie sich ein gemeinsamer Nutzen für Klima und Natur schaffen ließe. In Cali sei zum Beispiel darüber diskutiert worden, ob man den Schutz von Ökosystemen priorisieren solle, die als CO2-Speicher besonders wichtig seien, berichtete Schwede.
Negative Auswirkungen des Klimaschutzes auf Natur beachten
Umgekehrt sollen bei Klimaschutzmaßnahmen, etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien, potentiell negative Auswirkungen auf die Natur stärker in den Blick genommen und sogenannte naturbasierte Lösungen, wie die Wiedervernässung von Mooren, „wo angemessen“, gefördert werden. Derartige Einschränkungen, die sich zuhauf in dem Papier finden, zeigen, wie schwierig es ist, Klima- und Naturschutz gemeinsam voranzubringen. Das gilt erst recht für die Finanzierung, die ein chronisches Problem auf beiden Feldern ist.
Künftig sollen die eingesetzten Mittel möglichst doppelten Ertrag bringen, indem sie sowohl zur Reduzierung von Treibhausgasen als auch zum Erhalt der Biodiversität beitragen. In diese Richtung geht etwa ein Vorschlag Brasiliens für einen neuen Fonds, mit dem Länder finanziell belohnt werden sollen, wenn sie die Entwaldung auf ein Minimum reduzieren.
In der brasilianischen Stadt Belém an der Mündung des Amazonas wird die Weltklimakonferenz 2025 stattfinden. In Cali hätten die Brasilianer intensive Gespräche geführt, um zentrale Naturschutzanliegen, wie den Schutz der Wälder, stärker in die internationalen Klimaverhandlungen einzubeziehen, berichtete Schwede.
Eine bessere Verzahnung von Klima und Naturschutz wäre auch im Sinne des Privatsektors, sagt die Analystin Louise Simon, die in Cali für die Denkfabrik für nachhaltige Finanzen Climate & Company dabei ist. „Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten zu Klima und Biodiversität müssen aus einem Guss sein, damit sie für Unternehmen und Finanzakteure umsetzbar sind“, schildert Simon.
Oft hapert es aber schon auf nationaler Ebene mit der Abstimmung, da Natur- und Klimaschutz – wie in der Bundesregierung – unterschiedlichen Ministern zugeordnet sind. Das macht es für die jeweils zuständigen UN-Sekretariate nicht einfacher, im Kampf gegen Klimawandel und die Naturzerstörung enger zusammenzurücken.
Auch wenn Erfolg oder Misserfolg der Weltnatur- und der Weltklimakonferenzen miteinander verwoben sind, hielte Erdsystemforscher Rockström eine Zusammenlegung nicht für ratsam. Dafür seien die Herausforderungen des Klima- und Naturschutzes jeweils zu komplex. Rockströms Empfehlung wäre, gemeinsame Arbeitssitzungen zu den Abkommen zur Biodiversität und zum Klimaschutz sowie auch zum Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung zu organisieren.
In den großen Konferenzen, „die mit Versprechungen und Verpflichtungen Festveranstaltungen für mehr als 50.000 Personen schaffen“, sieht er ohnehin „immer weniger Sinn“. „Wegen der dringenden Herausforderungen für unseren Planeten brauchen wir andere Konferenzen, die stärker handlungs- und umsetzungsorientiert sind“, empfiehlt Rockström.