Jetzt gibt es für Entwicklungsländer doch noch etwas frisches Geld auf der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan. Aber auf anderem Wege als erwartet – und viel weniger. Die Regierungen von Deutschland und Großbritannien haben am Montag in Baku ein neues Förderinstrument vorgestellt, das sich „Zusage zur Unterstützung der industriellen Dekarbonisierung“ nennt. Darüber sollen insgesamt 1,3 Milliarden Dollar in ärmere Regionen fließen.
Die Mittel sind für den Aufbau klimaschonender, sogenannter grüner Industrien gedacht. Deutschland stellt 220 Millionen Dollar bereit, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Baku ankündigte. Er sprach von „frischem Geld“, das aus dem schon beschlossenen Haushalt für 2024 stamme, wo es rechtzeitig reserviert worden sei, und aus der internationalen Klimafinanzierung. Sein Haus präzisierte, die Quellen seien die Internationale Klimaschutzinitiative IKI und der internationalen Entwicklungshaushalt.
Großbritannien stellt 211 Millionen Dollar für das neue Programm bereit, wie der britische Staatssekretär für Energiesicherheit, Ed Milliband, in Baku sagte. Auch Kanada sei bereit, sich zu beteiligen, eine Summe wurde aber nicht genannt. Die von Berlin und London zugesagten mehr als 400 Millionen Dollar kommen dem Klimainvestitionsfonds CIF zugute, der damit insgesamt 1,3 Milliarden Dollar hebeln soll. Der CIF ist bei der Weltbank angesiedelt und finanziert sich über die beteiligten Regierungen, den Kapitalmarkt und über multinationale Förderbanken. Der deutsch-britische Vorstoß versteht sich einer Erklärung zufolge „als Aufruf zum Handeln und soll zusätzliche Zusagen von Regierungen und Philanthropen mobilisieren“.
Deutsch-britischer Vorstoß versteht sich „als Aufruf zum Handeln“
Zudem sollten die Präsidentschaften der G7, der G20 und der nächsten Weltklimakonferenz COP30 in Brasilien von 2025 an auch den Privatsektor zur Finanzbeteiligung animieren, hieß es. Habeck stellte das neue Instrument in einen Zusammenhang mit dem von Deutschland initiierten Klimaklub. Dieser hatte kürzlich eine „Globale Matchmaking Plattform“ eingerichtet, auf der sich interessierte Länder über grüne Industrien und Finanzierungsmöglichkeiten austauschen können.
Das neue deutsch-britische Instrument muss den Entwicklungsländern wie ein Trostpflaster erscheinen, solange in Baku die Hauptverhandlungen über die Klimafinanzierung nicht vorankommen. Dort geht es um Hunderte Milliarden. Seit einer Woche feilschen die Delegierten der fast 200 UN-Mitgliedstaaten auf der COP29 genannten Großtagung darum, wie hoch die Unterstützung armer Länder künftig ausfallen, was die Mittel abdecken und wer sie bereitstellen soll.
Industrieländer bringen bisher 100 Milliarden Dollar zusammen
Bisher haben die Industrieländer mit Ach und Krach 100 Milliarden Dollar im Jahr zusammengebracht, aber diese Zusage muss erneuert werden. Wenn es nach den Empfängerländern und vielen Nichtregierungsorganisationen geht, sind 1,0 bis 1,3 Billionen Dollar nötig. Außerdem müssten die Zusagen vor allem aus nichtzurückzahlbaren Zuschüssen, nicht aus Krediten bestehen.
Zudem sollten sie nicht nur Klimaschutzprojekte zur Treibhausgasminderung, sondern auch Vorhaben der Klimaanpassung und Zahlungen für klimabedingte Schäden und Verluste umfassen. Der für Letzteres vor zwei Jahren auf der Konferenz in Ägypten beschlossene Fonds sei mit 700 Millionen Dollar viel zu dürftig ausgestattet.
Die Bundesregierung und die EU sind prinzipiell bereit, die Klimafinanzierung fortzusetzen und möglicherweise auch aufzustocken – das wäre vor allem nötig, falls sich die neue amerikanische Regierung unter Präsident Donald Trump aus der Vereinbarung zurückzieht.
„Klimafinanzierung auf bereitere Beine“ stellen
Habeck stellte am Montag in Baku aber klar, dass die Klimahilfen für ärmere Länder nur dann erhöht würden, wenn sich daran künftig auch solche reichgewordenen Staaten beteiligten, die bisher nicht zu den Gebern zählten. Das liegt an einer alten Definition von Industrieländern in einer Liste der Vereinten Nationen von 1992, die als längst überholt gilt. Der Vizekanzler erwähnte bei seinem Tagesausflug nach Baku als neue mögliche Geber China, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emiraten und Qatar. „Der entscheidende Punkt“ sei, dass „die Klimafinanzierung auf bereitere Beine gestellt wird“, so der Vizekanzler.
Die genannten Länder seien „große Profiteure“ des fossilen Zeitalters und verfügten über „große finanzielle Volumina“. Die von den Entwicklungsländern geforderten 1,3 Billionen statt 100 Milliarden Dollar Klimafinanzierung im Jahr nannte Habeck eine hohe Summe. Deutschlands Position sei: „Wir haben unseren Beitrag geleistet bei den 100 Milliarden, die jetzt da sind, und zwar einen großen Beitrag. Wenn wir mehr machen sollen und würden, müssen andere Länder ebenfalls einen Beitrag leisten. Das ist nur richtig und gerecht, weil sie von der Nutzung fossiler Energien profitieren.“
Habeck versucht offenbar, China – dem größten Treibhausgasemittenten der Welt – und den anderen neureichen Ländern dadurch eine Brücke zu bauen, dass er weniger die Regierungen als deren Rohstoffkonzerne ins Boot holen will. Er empfiehlt, dass diese Unternehmen, die „astronomische Summen“ mit Öl, Gas oder Kohle verdient hätten, „sich stärker an der Finanzierung der Klimafolgen und der Transformation beteiligen“. Habeck erinnerte daran, dass „diese Unternehmen in den genannten Ländern häufig staatliche Unternehmen sind“. Man müsse daran denken, ihre Übergewinne für die Klimafinanzierung abzuschöpfen.
An die deutsche Politik und Wirtschaft gerichtet, warnte Habeck davor, die nationalen Klimaziele in Frage zu stellen. „Wenn Deutschland seine Klimaziele nicht einhält, wird Europa sie nicht einhalten können, und wie soll man dann Brasilien, Indien, China und Indonesien dazu bringen, die Klimaziele einzuhalten? Deswegen ist diese Debatte wirklich toxisch.“
Die Ziele in Frage zu stellen, schade der deutschen und der europäischen Wertschöpfung: „Die Zukunft auch der industriellen Produktion ist eine klimaneutrale Produktion.“ Wer an geringere Ambitionen und ein langsameres Vorgehen glaube, um neue Märkte zu erschließen, habe nichts gelernt.
Als Beispiel erwähnte er die deutsche Automobilindustrie, die zu spät auf erschwingliche Elektrofahrzeuge gesetzt und zu lange am Verbrennermotor festgehalten habe, auch im großen chinesischen Markt. „Weniger Ehrgeiz, zurück zum Bummelzug, zur Bräsigkeit und Langsamkeit der Jahre der großen Koalition ist die absolut falsche Herangehensweise.“
Habeck ist nur einen Tag lang in Baku. Ihm folgt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), deren Haus für die Klimaaußenpolitik zuständig ist. Sie reist am Dienstag zunächst nach Warschau und anschließend nach Eriwan, der Hauptstadt des aserbaidschanischen Nachbarlandes Armenien. Dienstagabend wird Baerbock dann in Baku erwartet, wo sie am Mittwoch die Leitung der deutschen Verhandlungsdelegation übernehmen wird.