Wegen der Energiekrise rechnet die Bundesbank bald mit einer spürbaren konjunkturellen Talfahrt und rund 10 Prozent Inflation. „Es mehren sich die Anzeichen für eine Rezession der deutschen Wirtschaft im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung“, teilte die Notenbank am Montag in ihrem Monatsbericht mit. Grund seien vor allem die steigenden Energiekosten in Folge des Ukraine-Kriegs.
Nach dem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent im Frühjahr werde das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Sommer-Quartal voraussichtlich etwas schrumpfen. „Alles in allem dürfte die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal merklich zurückgehen“, betonten die Bundesbank-Fachleute. „Dies dürfte wohl auch für das erste Quartal des kommenden Jahres gelten.“ Der Ausblick sei ausgesprochen unsicher.
„Die hohe Inflation und die Unsicherheit in Bezug auf die Energieversorgung und ihre Kosten beeinträchtigen dabei nicht nur die gas- und stromintensive Industrie sowie deren Exportgeschäfte und Investitionen“, hieß es. Denn betroffen seien auch der private Konsum und die davon abhängigen Dienstleister.
Rückschlag für das Gastgewerbe
Das deutsche Gastgewerbe startete bereits mit einem Rückschlag in die zweite Jahreshälfte. Hotel, Restaurants und Kneipen zählten im Juli zwar 0,4 Prozent mehr in ihren Kassen als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Klammert man aber steigende Preise aus, sank der reale Umsatz um 1,5 Prozent.
Das ist der erste Rückgang seit Dezember 2021, als wegen der damals geltenden Corona-Beschränkungen deutlich weniger eingenommen wurde. Der Umsatz lag im Juli zwar inflationsbereinigt 10,2 Prozent höher als im Vorjahresmonat, blieb aber um 9,3 Prozent hinter dem Ergebnis von Juli 2019 zurück, als die Corona-Pandemie noch nicht zugeschlagen hatte.
Die Jahresteuerung in der Euro-Zone lag im August auf dem Rekordhoch von 9,1 Prozent und dürfte für weitere Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgen. In Deutschland kletterte die Inflationsrate auf 7,9 Prozent. Mit Auslaufen des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts sei hier im September mit weiterem Schub zu rechnen, schrieben die Ökonominnen und Ökonomen der Bundesbank.
„Dies wird im laufenden Monat zu erneuten Preissteigerungen bei Energie und Dienstleistungen führen und die Inflationsrate entsprechend erhöhen.“ Die angekündigten Maßnahmen des jüngsten Entlastungspakets der Ampel-Koalition, etwa zur Gasumlage oder Strompreisbremse, würden sich dagegen wohl erst Anfang 2023 in den Verbraucherpreisen niederschlagen. „Die Inflationsrate dürfte unter dem Strich in den nächsten Monaten in den zweistelligen Bereich vorrücken.“
Stornierte Aufträge im Wohnungsbau
Teures Material und steigende Kreditzinsen bremsen derweil den Baumboom und sorgen im Wohnungsbau vermehrt für stornierte Aufträge. Im August waren 11,6 Prozent der befragten Unternehmen davon betroffen, nach 11,5 Prozent im Vormonat, wie aus einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts hervorgeht.
„Seit April sehen wir, dass auffällig viele Projekte gestrichen werden“, sagte Ifo-Forscher Felix Leiss. „Explodierende Baukosten, steigende Finanzierungszinsen und eingeschränkte Fördermöglichkeiten belasten die Kalkulation potenzieller Bauherren schwer“, sagte Leiss. „Einige Projekte werden damit unrentabel.“
EZB-Vize: Zahl der Zinsschritte offen
Nach dem jüngsten kräftigen Zinsschritt lässt EZB-Vizechef Luis de Guindos die Zahl weiterer Anhebungen offen. Diese würden von den Wirtschaftsdaten abhängen, sagte der Spanier am Montag auf einer Bankenkonferenz in Madrid.
Er bekräftigte, die Geldpolitik versuche immer, die Inflation zu bekämpfen. Dies werde sich auf die Verbraucherausgaben und die Investitionen der Unternehmen auswirken. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Juli die Zinswende eingeläutet und Anfang des Monats mit einer kräftigen Straffung ihrer Geldpolitik nachgelegt.
Der Leitzins liegt nach der jüngsten Anhebung um 0,75 Prozentpunkte inzwischen bei 1,25 Prozent. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hat signalisiert, dass die Zentralbank ihren Zinserhöhungskurs im Kampf gegen die ausufernde Inflation noch länger bis ins nächste Jahr hinein fortsetzen wird. An den Börsen wird damit gerechnet, dass die Hüter des Euro die Zinsen bis zum nächsten Frühling auf mehr als 2,5 Prozent anheben werden.