„Was, Sie sind depressiv? Selbst schuld! Arbeiten Sie gefälligst!“

Stellen Sie sich vor, ein Fremder kommt in ihre Wohnung, sieht sich um und sagt zu Ihnen: „Also Sie sollen hier unbedingt aufräumen, jener Zustand jener Wohnung geht ja keiner!“ Dann inspiziert er Ihre Vorräte. „Diese teuren Lebensmittel leisten Sie sich, dies ist ja kein Wunder, dass Sie kein Geld nach sich ziehen.“ Und dann: „Sie trinken Wasser aus Flaschen? Leitungswasser muss genügen, Flaschenwasser ist zu teuer, Sie sollten denn Armutsbetroffene sparen, wo Sie können!“

Der übergriffige Klassismus von Menschen, die nicht armutsbetroffen sind, ist permanent präsent. Kritisiert werden ganz sichtbaren Äußerlichkeiten wie Kleidung, Wohnung, Kaufverhalten und Familiengröße. Der Leistungsgedanke ist zusammen mit einigen Menschen so verinnerlicht, dass Menschen, die nicht funktionieren können, zu Gunsten von selbige ein absolutes Mysterium sind. Da muss es doch eine Schuld verschenken! Sie schauen genauer hin, suchen nachher Gründen, warum Armutsbetroffene selbst schuld sind. Durchleuchten die Vorratskammern. Besonders zusammen mit psychischen Erkrankungen denn Ursache zu Gunsten von Erwerbslosigkeit oder Erwerbsminderungsrente treffen zwei Diskriminierungsformen aufeinander: Klassismus und Ableismus.

Ableismus bezieht sich hinauf die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen oder eingeschränkten Fähigkeiten. Psychische Erkrankungen schränken dies Leben ein, je nachher Erkrankung und Schweregrad. Dank Prominenten wie dem Fußballer Robert Enke oder den Komikern Thorsten Sträter und Kurt Krömer ist die Erkrankungsform Depression nicht mehr so totgeschwiegen wie von einigen Jahren. Mehr als Armut denn eine Folge solcher Erkrankungen ist dies Sprechen jedoch noch immer ein Tabu.

Psychische Erkrankungen sind leitend zusammen mit den Ursachen zu Gunsten von Erwerbsminderungsrente in Deutschland. Die Statistik jener Rentenversicherung meldet Rentenzugänge in jener Erwerbsminderung aufgrund folgender Diagnosen: psychische Erkrankungen 42,5 Prozent, Neubildungen/Krebs 14,6 Prozent, Skeletterkrankungen, 11,1 Prozent, Herz-Kreislauf-Erkrankungen 9,2 Prozent und Stoffwechselstörungen 3,9 Prozent. Fast jeder Zweite, jener wegen verminderter Erwerbstätigkeit vorzeitig in Rente geht, tut dies aufgrund einer psychischen Erkrankung.

Seit ich 23 Jahre altertümlich bin, kann ich wegen jener Depression nicht mehr funktionieren

Ich beziehe Rente zusammen mit voller Erwerbsminderung, dies bedeutet, ich bin unter drei Stunden täglich stattlich oder erwerbsfähig. Ich habe verdongeln Symptomkomplex aus verschiedenen psychischen Erkrankungen, die sich wechselseitig lenken und mich verschärfen. Da man mir selbige Erkrankungen nicht ansieht, werde ich oft mit Vorurteilen konfrontiert: Ich sähe doch heilsam aus, da müsste Arbeit möglich sein, ich mache Armutsaktivismus, dann könnte ich doch stattdessen „richtig funktionieren“ (welches genauso immer damit gemeint ist).

Meine Depression wird mir regelmäßig von Außenstehenden ohne medizinischen Hintergrund abgesprochen oder infrage gestellt: Ich würde meine Krankheit benutzen, um mich vor jener Arbeit und/oder jener Lebensverantwortung zu herabsetzen. Ich würde mich mit meiner Krankheit „rausreden“, denn ich sei ja in Wirklichkeit „morsch“ und nicht „Willens zu funktionieren“. Ich würde mich hinauf meinen Erkrankungen bleiben (wie geht dies?), oder mich hinter ihnen verstecken (und wie geht dies?). Oder es wird behauptet, dass heutzutage psychische Erkrankungen „Modediagnosen“ seien, die denn Ausrede genutzt werden, damit man den Sozialstaat ausnutzen kann. Solche Aussagen sind an Menschenfeindlichkeit unübertrefflich und Gift zu Gunsten von dies gesellschaftliche Zusammenleben.

Fakt ist, dass ich seitdem meiner Kindheit an Depressionen leide, die sich je nachher Lebensphase verschlimmert oder verbessert nach sich ziehen. Mit 23 Jahren wurde es so schlimm, dass ich nicht mehr erwerbsfähig war. Ich habe viele Therapien gemacht, hatte Klinikaufenthalte und versuchte, so gut es geht, wieder heilsam zu werden. Es hat sich herausgestellt, dass meine Depression nicht kurierbar ist und mich mein ganzes Leben flankieren wird.

Umso ekelhafter finde ich es, wenn Menschen meinen, sich übergriffig gut meine Erkrankung erzählen zu sollen. Auch hierzu bekomme ich viele ungebetene Tipps: Arbeit würde meine Depression mildern oder sogar sanieren. Je nachher Depressionsform ist es durchaus möglich, hinauf dem Arbeitsmarkt zu klappen, ich weiß genauso von einigen depressionsbetroffenen Freunden, die funktionieren, dass die Arbeit sie ablenkt – genauso wenn sie die Problemursachen nicht beseitigt. Ich freue mich zu Gunsten von jede/n Depressiven, jener oder die stark und stabil genug ist, funktionieren zu können.

Psychische Erkrankungen wirken sich individuell aus, sodass jeder Mensch mit Erkrankung einzeln zu diagnostizieren ist – und zwar von Ärzten, Psychiatern, Psychologen und Gutachtern, die sich mit diesen Erkrankungsformen auskennen. Und nicht von fremden Menschen im Internet.

Liebe Menschen da im Freien, wir werden uns damit entschädigen sollen, dass wenige von uns nicht leistungsstark sind, und trotzdem zu unserer Gesellschaft in Besitz sein von, wie ganz anderen genauso. Halten wir dies aus?

#Armutsbetroffen

Janina Lütt lebt mit ihrem Kind in Elmshorn. Auf freitag.de schreibt sie eine regelmäßige Kolumne gut den Kampf mit und gegen Armut

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