Die Gedenkfeier für den ermordeten Aktivisten Charlie Kirk schwankt zwischen heftigen Drohungen und Nächstenliebe. Es wird offenbar, wie sehr die rechte Bewegung um Donald Trump durch den Mord mobilisiert worden ist
Ans Kreuz geschlagen: Ein Aktivist zur Gedenkfeier für den erschossenen rechtsradikalen Charlie Kirk
Foto: Dave Decker/Zuma Press Wire/Imago Images
Man merkt es: Die USA sind zunehmend Trump-Territorium. Dazu gehört die Trauer um den ermordeten Charlie Kirk als einen gläubigen und patriotischen Menschen, die zur Inspiration wird, wenn Donald Trumps stellvertretender Stabschef Stephen Miller verkündet: „Unsere Feinde können unsere Kraft und Entschlossenheit nicht verstehen.“ Und direkt an diese Feinde gerichtet fortfährt: „Ihr seid nichts“.
Man solle beten für eine Regierung, die das Schwert schwingt „gegen den Terror der bösen Männer in unserem Land“ im Gedenken an Charlie, so ein anderer Redner, der Publizist Benny Johnson.
Selbst Elon Musk kam zur Trauerfeier nach Arizona
Allmählich zeigt sich, was der Todesschuss auf den „Make America Great Again“-Anführer und Organisator des Jugendverbandes „Turning Point USA“ alles bewirkt hat. Es war eine grausige Tat, der am 10. September der 31-jährige Kirk zum Opfer fiel. Präsident Trump, anscheinend nicht zufrieden mit der Erklärung, dass es sich um einen Einzeltäter gehandelt hat, droht seither den „radikalen Linken“.
MAGA-Publizist Steve Bannon vertritt in einem Podcast die Ansicht, dass Trumps Gegner guten Grund hätten, sich über die politische Stärke der durch den Mord mobilisierten Bewegung Sorgen zu machen.
Junge Amerikaner haben sich in den Tagen nach der Tat offenbar spontan an zahlreichen Orten zum Gedenken versammelt. Sie zündeten Kerzen an, sie sangen und beteten. Zur Trauerveranstaltung am 21. September mit Zehntausenden in einem Football-Stadion in Arizona kamen viele Mitglieder des Regierungskabinetts und der rechten Prominenz, selbst Elon Musk.
Das mehrstündige Gedenken erinnerte anfangs an einen evangelikalen Erweckungsgottesdienst, später an eine militante Trump-Kundgebung, schwankend zwischen Drohungen und Nächstenliebe. Es sprachen u.a. Außenminister Marco Rubio, Gesundheitsminister Robert Kennedy, Vizepräsident J.D. Vance, ebenso Erika Kirk, die Witwe des Toten. Und der Präsident selbst.
Hass sei nicht die Antwort auf Hass, sagt die Witwe
Gott habe nach dem Mord seine Gnade und Liebe gezeigt, sagte Erika Kirk. Es sei nicht zu Gewalt gekommen, sondern vielmehr zur Erneuerung. Sie vergebe dem Todesschützen. Christus hat das auch getan. Charlie hätte es auch getan. Hass sei nicht die richtige Antwort auf Hass.
Donald Trump erklärte, die Organisation „Turning Point“ werde nun größer werden als jemals zuvor. Der Angriff auf Charlie sei ein Angriff auf Amerika gewesen. In einem Punkt sei er anderer Meinung als Charlie, sagte der Präsident. Kirk habe seine Gegner nicht gehasst, er aber hasse seinen Gegner. Die Opposition werde „von einigen sehr bösen Menschen“ bezahlt.
Trump unterstrich die Bedeutung von Charlie Kirks Arbeit mit jungen Menschen, die ihm viele Stimmen gebracht hätten. Tatsächlich war Kirk ein Stern am rechten Firmament. 2012 hatte er „Turning Point USA“ mitgegründet, einen Verband für die freie Marktwirtschaft und eine reduzierte Regierung. Man ging auf junge Menschen zu.
Der Kurs von „Turning Point“ spiegelt den der Republikaner unter Donald Trump wider. Die Rhetorik klang zunehmend kulturkämpferisch, später dominierte die Loyalität zu Trump und „America First“. Kirk sei ein „treuer christlicher Nationalist“ gewesen, so Steve Bannon.
„Wir sind alle Charlie“, verkündet der Sohn des Präsidenten
Die USA erleben eine Zeit, in der Donald Trump seine Macht in vielen Bereichen der Gesellschaft ausbaut. Soldaten der Nationalgarde gehören zum Alltag in manchen Städten. Maskierte Beamte der Einwanderungsbehörde legen vermeintlich „Illegalen“ Handschellen an und lassen sie in Abschiebegefängnissen verschwinden. Sie greifen Menschen auf, in Bushaltestellen, in der U-Bahn, in Parks und in Baumärkten.
Zwei Talkshow-Gastgeber, die Trump nicht mag, haben ihre Sendeplätze verloren. Das Justizministerium geht gegen politische Gegner vor. Die Trump-Regierung entlässt Regierungsmitarbeiter, die nicht mitziehen. Und der Gesundheitsminister erlässt Vorschriften, die Impfungen erschweren. „Wir sind alle Charlie“, verkündet Präsidentensohn Donald Trump Jr. in Arizona.