Warum welcher Wohnungsbau in Deutschland kaum von welcher Stelle kommt

Wenn es nach der absoluten Zahl neuer Wohnungen geht, bleibt Berlin die Hauptstadt des Bauens. 15.965 Wohnungen sind dort im vergangenen Jahr nach der amtlichen Statistik entstanden – mehr als in jeder anderen Stadt oder jedem Landkreis in Deutschland. Allerdings gilt das in einem Land, das nach Ansicht der Politik, vieler Branchenvertreter und auch Wohnungssuchender zu wenig baut. Im städtischen Raum fehlen Wohnungen: Die urbanen Regionen und gerade auch Berlin ziehen immer mehr Menschen an, aber der Neubau hinkt der Nachfrage hinterher. Angesichts des Zuzugs in die Hauptstadt und von insgesamt fast 3,9 Millionen Einwohnern ist der Spitzenwert neuer Wohnungen noch gering – und auch ein Minus von 8 Prozent zum Vorjahr. In Vergleich zur Größe liegt Berlin kaum noch auf einem ersten Platz.

Die Immobilienökonomin Verena Rock rechnet mit weiter steigenden Mieten in den Städten in Deutschland. „Das betrifft nicht nur die sieben größten Immobilienmärkte Deutschlands, sondern die Städte mit solider Wirtschaftsstruktur, hoher Wohnqualität, vielen Arbeitsplätzen oder studentischem Zulauf – und das ist bis auf Abwanderungsregionen überall so“, sagt die Professorin für Immobilieninvestment und -portfoliomanagement an der Technischen Hochschule Aschaffenburg im Gespräch mit der F.A.Z. Sie nennt dies die klassische Schwierigkeit auf dem Immobilienmarkt: Der Nachfrageüberhang werde seit Langem nicht durch das entsprechende Angebot gedeckt. „Wir sehen schon jetzt, dass die politischen Neubauziele nicht zu erreichen sind.“ Für private Anbieter und Projektentwickler lohne sich der Wohnungsbau wirtschaftlich aktuell kaum.

Effekte unterscheiden sich in den Regionen

Die Bundesregierung hat sich 400.000 neue Wohnungen im Jahr als Ziel in den Koalitionsvertrag geschrieben. Das hat sie bislang nicht erreicht und bleibt auch absehbar unwahrscheinlich. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 294.400 Wohnungen gebaut – 900 Wohnungen weniger als im Vorjahr. Die Zahl neuer Einfamilienhäuser fiel dabei um 9 Prozent, jene neuer Wohnungen in Zweifamilienhäusern und in Mehrfamilienhäusern stieg um jeweils 4 Prozent. Diese Daten vom Statistischen Bundesamt enthalten Baufertigstellungen für neue Gebäude, Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden sowie Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden.

In den verschiedenen Wohnungsmärkten des Landes waren die Effekte so verschieden, wie sich auch sonst die Immobilienmärkte verhalten. Die Stadt München schiebt sich mit einem Plus von 31 Prozent auf den zweiten Platz mit 9857 fertiggestellten Wohnungen. Hamburg verliert hingegen ein Drittel auf 5999 neue Wohnungen und kommt noch auf die Hälfte aus dem Jahr 2020. Allerdings sind die Bauprozesse oft langfristig, und die Zahl fertiggestellter Wohnungen kann schwanken: Was in einem Jahr nicht fertig gebaut wird, erhöht später die Wohnungsbauzahlen. Allerdings hatten zahlreiche Verbände einen Knick im Neubau schon für das vergangene Jahr vorhergesehen.

Wegen höheren Baukosten und hohen Nachhaltigkeitsanforderungen ist im vergangenen Jahr die Zahl der neuen Wohnungen in Deutschland damit auf dem Niveau der beiden Vorjahre geblieben. Für Immobilien-Professorin Rock liegt das auch am langwierigen Genehmigungsprozess hierzulande: Es werde nur noch das gebaut, was vor Längerem genehmigt wurde – aber nach dem Abarbeiten älterer Aufträge entstehen wenig neue Bauvorhaben. Der Abbau der Bürokratie im Bauwesen sei bislang zu langwierig und nicht umfassend genug. Digitale, schnellere und effiziente Prozessoren seien besonders in den Behörden noch nicht angekommen. „Das, was die Bundesregierung vereinfachen will, greift noch nicht auf der Baustelle“, sagt sie. „Außerdem kommen viele Finanzierungen nicht zustande oder sind eben zu teuer.“ Das erhöhte Zinsniveau mache es für Projektentwickler schwierig, zu bauen. Die Inflation habe nachgelassen, aber die Baukosten sind noch nicht gesunken.

Einfluss der Leitzinsen auf gewerbliche Immobilienmärkte geringer als vermutet

Immobilienökonomin Rock rechnet mit positiven Folgen dadurch, dass die EZB am Donnerstag den Leitzins wieder senkte – erstmals seit fünf Jahren. Dieser war zuvor länger unverändert geblieben und ist nun um 0,25 Prozentpunkte nach unten gesunken. Der Einlagensatz, den Banken für das Parken von Geld bei der Zentralbank erhalten, senkte die Notenbank entsprechend von 4 Prozent auf 3,75 Prozent. „Viele warten auf ein positives Signal – und das kann die Zinssenkung sein“, sagt Rock. „Dadurch kann wieder Entwicklungsaktivität entstehen, wieder investiert werden, weil unter Umständen die Rendite mit fremdfinanzierten Immobilien wieder positiver ausfällt.“ Doch von einem großen Effekt geht sie aktuell nicht aus, eher wird es die Rahmenbedingungen und die Stimmung verbessern.

Auch Matthias Danne, Vorstand der Deka-Bank, spricht davon, dass der Einfluss der Leitzinsen auf die gewerblichen Immobilienmärkte geringer ist als gemeinhin vermutet. „Die langfristigen Finanzierungskonditionen werden durch diesen Schritt nicht verändert, und ich rechne auf absehbare Zeit auch nicht mit deutlichen Rückgängen der Finanzierungskonditionen“, sagte er der F.A.Z.

Im Jahr 2022 hatte der Anstieg der Kaufpreise für Immobilien nach einem langen Aufschwung eine Atempause eingelegt – seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und den Zinserhöhungen der Europäischen Notenbank in dem Jahr. Teilweise sind Kaufpreise seither gesunken, aber höhere Bauzinsen erschweren die Finanzierung: Manche verschieben einen Hauskauf. Wer sich die Finanzierung noch leisten kann, hat nun weniger Konkurrenz unter Immobilienkäufern.

Enger wird das Feld unter Mietinteressenten in den Großstädten. Nach Berlin sind von 2013 bis 2022 fast 360.000 Menschen im Saldo gezogen, wie eine Auswertung des Immobilienunternehmens Em­pira zeigt. In Hamburg war es ein Einwohnerplus von rund 140.000, in Leipzig von 96.000, in München von 69.000 und in Frankfurt von 54.000. Ebenfalls zählen andere Städte wie Dortmund, Nürnberg oder Stuttgart Zehntausende Einwohner mehr.

Wenngleich insgesamt die Wohnungsbauzahlen auf dem Niveau der Vorjahre bleiben, zeigen sich regionale Schwankungen – und auch ein Aufbau von Bürokratie. So ist die Zeit von der Genehmigungserteilung bis zur Fertigstellung im Durchschnitt im vergangenen Jahr für fertiggestellte Wohngebäuden auf 24 Monate gestiegen. Im Jahr 2020 kam dieser Wert schon auf 20 Monate. Insgesamt nehmen jedoch neue Bauvorhaben ab. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen fiel gegenüber dem Vorjahr um 27 Prozent auf 259.600 und war damit deutlich geringer als die Zahl der fertiggestellten Wohnungen. Die Wohnungssuche in der Großstadt dürfte sich dadurch kaum bessern.

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