Warum Wein unterlegen schmeckt, handkehrum hierfür umso mehr ballert

Jetzt reicht’s. Dass die globale Erwärmung Wälder niederbrennt, Küsten flutet und Menschen vertreibt, ist unschön. Aber ein Glas – oder auch mal eine ganze Flasche – Wein hüllten die angesichts solcher Hiobsbotschaften aufsteigende Klimaangst bislang verlässlich in wohliges Vergessen. Ein frohlockendes Entkorken, ein wonniges Dekantieren, den Rotwein noch etwas chambrieren, die Tränen im Glas studieren, das Bukett erschnuppern und dann der erste genüssliche Schluck. Mon Dieu! Welch saftiger Körper, welch überraschende aromatische Wendungen, welch ausgefeiltes Frucht-Säure-Spiel und welch grandioser Abgang mit filigranem Nachhall! Bislang ließ sich noch der schweißtreibendste Hitzerekord zumindest vorübergehend zwischen rassiger Mineralität und subtilen Strukturen ertränken. Aber die Stunden dieser Wonnemomente sind gezählt!

Denn jetzt schmeckt selbst der Wein nicht mehr. Schuld daran ist, klar, die Klimaerwärmung. „Der Klimawandel wirkt sich auf den Ertrag, die Zusammensetzung und die Qualität der Trauben aus“, schreibt ein Forschungsteam im Fachmagazin Nature Reviews Earth & Environment. Die Forschenden kommen aus Bordeaux und dem Burgund, den zwei wohl berühmtesten Weinregionen der Welt – noch. Denn: „Infolgedessen verändert sich die Geografie der Weinerzeugung.“ Die Folge: „Etwa 90 Prozent der traditionellen Weinanbaugebiete in den Küsten- und Tieflandregionen Spaniens, Italiens, Griechenlands und Südkaliforniens könnten bis zum Ende des Jahrhunderts vom Verschwinden bedroht sein, weil der Klimawandel zu übermäßiger Trockenheit und häufigeren Hitzewellen führt.“ Quelle catastrophe!

Und was der geneigte Connaisseur schon jetzt erschmecken mag: Die steigenden Temperaturen verderben den Geschmack der edlen Tropfen. Statt des Aromas frischer Früchte tragen sie nun Noten von gekochtem und überreifem Obst. Sie haben weniger Säure und daraus resultierend eine geringere mikrobiologische Stabilität, die Folge: Fehlgeschmack! Der junge Rotwein ist blass, der Sauvignon Blanc duftet nicht mehr und einige australische Weine tragen dank der immer häufigeren und größeren Waldbrände bereits einen verbrannten und an Asche erinnernden Rauch-Beigeschmack.

Ein gutes hat die Klimaveränderung allerdings: Die Hitze steigert den Zuckergehalt der Weine, macht sie „kopfiger“ und „heißer“, das ist Weinkritiker-Fachvokabular für mehr Alkoholgehalt. Das heißt ganz einfach ausgedrückt: Die Weine ballern mehr. Das können wir ja wiederum ganz gut gebrauchen.

Forst und Wüste

Svenja Beller ist freie Journalistin und Buchautorin. Für den Freitag schreibt sie die Kolumne „Forst und Wüste“ über Klimapolitik, Umweltschutz und was sonst noch alles schief geht. Seit einem Jahr berichtet sie im Team „Blue New Deal“ darüber, wie der Ozean noch zu retten ist. Im Sommer erscheint der dazugehörige Podcast

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