Aktienrente
Warum Rentner vorest kaum vom Generationenkapital profitieren
Die Aktienrente war ein Wahlversprechen der FDP – seit Mitte Mai ist sie als Generationenkapital verabschiedet. Doch für Beitragszahler und Rentner wird sich laut Experten in den nächsten Jahren wenig ändern.
Mit Blick auf die Umfragewerte gibt es für Christian Lindner und seine Liberalen wenig zu feiern. Seit Wochen kreist die FDP schon um die Fünfprozenthürde und laut der aktuellen Sonntagfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap würden sie mit vier Prozent den Einzug in den Bundestag verpassen. Immerhin konnten die Liberalen unlängst einen Teilerfolg verbuchen: Nach einigen Verzögerungen verabschiedete das Bundeskabinett Mitte Mai das Rentenpaket II mit dem sogenannten Generationenkapital. Zwar sollte das Vorhaben nach Lindners ursprünglichen Plänen Aktienrente heißen und auch anders funktionieren – aber dennoch: Die deutsche Altersvorsorge hat künftig eine Kapitalmarkt-Säule.
Laut Plan werden bis zum Jahr 2036 jährlich 12 Mrd. Euro in einen Fonds eingezahlt. Eine eigens gegründete öffentlich-rechtliche Stiftung legt die Mittel am Kapitalmarkt an – weltweit und breit gestreut. Die Einzahlungen steigen jedes Jahr um drei Prozent. Erste Ausschüttungen hat Lindner ab dem Jahr 2036 angekündigt.
Haushaltsentlastung durch Generationenkapital
Das bisherige Umlageprinzip der gesetzlichen Altersvorsorge steht aufgrund des demographischen Wandels bekanntermaßen unter Druck. „Momentan funktioniert die Rentenfinanzierung nur, weil der Staat jedes Jahr mehr als 100 Mrd. Euro aus dem Haushalt zuschießt“; sagt Johannes Geyer, vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Sollen die Menschen künftig nicht deutlich länger arbeiten oder geringere Renten bekommen, muss Geld her. Und das Rentenpaket II verspricht genau das: Das Rentenniveau bis zum Jahr 2039 bei 48 Prozent des Durchschnittslohns zu halten und das Renteneintrittsalter nicht über 67 Jahre anzuheben. Daher ist das Generationenkapital – wie die Aktienrente jetzt heißt – der zentrale Punkt im Rentenpaket II. Die Anlage am Kapitalmarkt soll den Staat bei den Zuschüssen entlasten und den Beitragssatz stabilisieren. Schaut man genau hin, wird also nicht nur die Rentenkasse selbst entlastet, sondern auch der Bundeshaushalt. Je mehr Rendite der Fonds an der Börse abwirft, desto mehr spart der Bund an Rentenzuschüssen.
Schuldenfinanzierte Anlage
Anders als ursprünglich von der FDP geplant, stammt das Geld im nun beschlossenen Generationenkapital nicht mehr direkt von den Beitragszahlern. „Wir legen keine Sozialversicherungsbeiträge an“, betonte Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD mehrfach. Stattdessen stammen die Mittel aus neuen Schulden, für die der Staat Bundesanleihen emittiert. Zusätzlich plant die Bundesregierung, vom Jahr 2028 an 15 Mrd. Euro an Bundesbeteiligungen an den Fonds zu übertragen. Insgesamt soll das Generationenkapital dafür bis 2035 auf rund 200 Mrd. Euro anwachsen.
Und dabei kann der Finanzminister trotzdem die Schuldenbremse einhalten. Solange er das Geld nämlich nicht ausgibt, sondern anlegt, muss er es bilanziell nicht als Schulden verbuchen. „Die Kapitalerträge sollen dann auch die Zinsen auf diese Darlehen finanzieren“, erklärt Geyer. Das mindert zwar die Rendite des Fonds, allerdings kann der Staat vergleichsweise günstige neue Darlehen aufnehmen. Wie genau sie das Kapital anlegen, dürfen Lindner und Heil aber nicht selbst entscheiden. Hier kommt die öffentlich-rechtliche Stiftung ins Spiel. Sie wird das Kapital verwalten, muss aber noch gegründet werden. Bis dahin übernimmt der ebenfalls öffentlich-rechtliche Fonds zur kerntechnischen Sanierung (Kenfo) diese Aufgabe.
Ein Tropfen auf den heißen Stein
Das Kabinett rechnet mit einer durchschnittlichen Rendite von mehr als drei oder vier Prozent. „Das ist eher konservativ, aber realistisch geschätzt“, sagt Geyer. Ab Mitte der 2030er-Jahre sollen aber jährlich 10 Mrd. Euro aus dem Fonds in die Rente fließen. „Gehen wir bei einem Kapital von 200 Milliarden von diesen zehn Milliarden aus, läge die erforderliche Rendite aber wohl bei über fünf Prozent“, so Geyer. Zum Vergleich: Der Aktienindex MSCI World, der die nach Börsenwert größten Unternehmen der Industriestaaten bündelt, hat in den letzten zehn Jahren eine durchschnittliche Rendite von gut neun Prozent jährlich erzielt.
Geyer betont aber auch, dass solche Annahmen auf historischen Daten beruhen und niemand in die Zukunft blicken kann. „Das Generationenkapital ist mit mindestens zehn Jahren aber relativ langfristig angelegt und damit vermutlich recht stabil“, sagt Geyer. Die große Entlastung liefern die erwarteten zehn Milliarden aus den Renditen aber nicht. Schließlich gab die Rentenversicherung im Jahr 2022 stolze 354 Mrd. Euro aus. „Durch das Generationenkapital rechnet die Bundesregierung mit einer Entlastung von 0,3 Punkten beim Beitragssatz und ein paar Milliarden beim Zuschuss“, sagt Geyer.
Was bedeutet das konkret für Rentner und Beitragszahler?
Bis zur ersten geplanten Ausschüttung im Jahr 2035 ändert sich erst mal überhaupt nichts. „Und auch danach spüren die Menschen direkt wahrscheinlich ziemlich wenig vom neuen Generationenkapital“, vermutet Geyer. Eine große Entlastung der Angestellten wären nämlich auch die geplanten Beitragseinsparungen nicht: „Würde man die Beitragssätze um die 0,3 Prozent verringern, wären das bei einem Gehalt von 3000 Euro, von dem der Angestellte ja die Hälfte an Beitrag zahlt, etwa 4,5 Euro“, rechnet Geyer vor.
Ziel ist es, die Rente langfristig zu stabilisieren, nach dem Grundsatz: Keine Nachrichten sind gute Nachrichten. So sollen Rentner auch von nichts von möglichen Verlusten am Kapitalmarkt spüren. Nach den bisherigen Plänen bleiben die Rentenansprüche von der Anlageperformance unabhängig.
Source: stern.de