Warum gleichwohl Angelina Jolie diesen Film nicht sichern kann

Zumindest hier hat die Diva einen großen Abgang: Pablo Larraíns Biopic „Maria“ mit Angelina Jolie zeichnet ein schmerzhaft-elegisches Bild der letzten Tage der Jahrhundert-Sängerin. Doch am Ende bleibt es bei altbekannten Klischees.

Die Divendämmerung geht als Strategie der Kulturindustrie auf ewig weiter, genauso wie die Verehrung der Primadonna als schier göttliches Wesen. Ja, sie bedingen sich vermutlich. Denn was wir emporheben, das wollen wir Menschen auch wieder fallen sehen. Um uns unserer eigenen Sterblichkeit zu versichern.

Und so geistert seit Jahrzehnten Maria Callas – deren 100. Geburtstag 2023 groß begangen wurde – durch die Gemüter nicht nur der Kunstsinnigen. Schließlich ist die griechische Sängerin vor allem durch ihren frühen Tod mit 53 Jahren am 16. September 1976 zur übergroß nachhaltigen tragischen Legende geworden. Starb sie doch gewissermaßen an „gebrochenem Herzen“, die Stimme kaputt gesungen, von den Männern, bis auf ein paar Schwule, verlassen, von den Fans schon halb vergessen.

Nachzügler des Gedenkjahrs 2023

Seither freilich erstrahlen vor allem ihre unvergleichlichen Aufnahmen wieder in hellstem Licht. Immer neu aufpoliert und der nach wie vor ergiebigen Verwertungskette zugeführt, für neue Fans, die diese gerade in ihrer charaktervollen Imperfektion einzigartige Stimme entdecken. Als Nachzügler des Callas-Gedenk- wie Geschäftsjahres vor zwei Jahren kommt nun Pablo Larraíns supermelodramatisches Biopic „Maria“ in die Kinos.

Und der chilenische Regisseur, der schon 2016 Jacqueline Kennedy und 2021 Princess Diana als Leinwandlegenden verewigt hat, fährt jetzt für die gewaltige Griechin das ganz große Hagiografie-Besteck auf – mit ziemlich viel Routine und ohne großen Mehrwert an Erkenntnis. Mit dem gemeinsamen Geliebten Aristoteles Onassis gibt es sogar einen inhaltlichen Berührungspunkt zwischen Maria Callas und Jackie O., die als „Ihre Frau wartet draußen“ in Aris Sterbezimmer angekündigt wird, wo sich gerade die Callas von ihm verabschiedet.

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„Poussières d’amour“ – „Liebesabfall“, so hieß 1996 ein vom Divenversteher Werner Schroeter gedrehter, semidokumentarischer Film mit damals noch lebenden Sängerinnenlegenden wie Martha Moedl, Rita Gorr oder Anita Cerquetti, die fiktiv von Isabelle Hubert „interviewt“ wurden. Das war eine originelle Verlebendigung. Larraín hingegen stochert in seinem opulenten Kammerspiel nur in längst kalter Asche herum.

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So wie selbst dem Callas-Vertrauten Franco Zeffirelli in seinem ebenfalls die finalen Jahre thematisierenden „Callas Forever“ (2002) mit Fanny Ardant nicht gelungen ist, aus dem eigentlich faszinierenden Stoff cinematografische Funken zu schlagen.

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„Maria“ beginnt mit der toten Callas auf dem Boden ihres luxuriösen Appartements in der Rue Georges Mandel 36, und es endet hier auch wieder. Dazwischen wird eine Woche zurückgeblendet, in der wir eine tablettensüchtige Frau sehen, ein verfallendes Denkmal ihrer selbst, die sich unter den liebenden Augen ihres Butlers Ferruccio (Pierfrancesco Favino) und ihrer Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher) immer mehr in Illusionen wiegt und selbst zerstört.

Der von Rückenschmerzen geplagte Hausdiener muss andauernd den Flügel verschieben, die Zofe muss Omelette zubereitend ihre brüchige „Casta Diva“-Gesangseinlage loben. Zwei Pudel tollen herum. Mit einem offenbar nur in der Diven-Fantasie existierenden, unverschämten Journalisten, der nach ihrem Lieblingsmedikament Mandrax benannt ist (blässlicher Hänfling: Kodi Smit-McPhee) reist sie in die Vergangenheit zurück.

Angelina Jolie spielt das erstaunlich ähnlich und rollendeckend. Sogar das Singen nimmt man ihr zumindest optisch ab, aber dass in den typischen Callas-Sound auch nur Prozente von deren eigener Stimmproduktion untergemischt sein sollen, das mag man nicht glauben. Und so tönt also in voller Dröhnung die wundervoll verletzlich-dominante Callas-Stimme durch die bekannten Arien von Bellini, Cherubini, Donizetti, Verdi und Puccini, die Kamera saust durch sepiagefärbte Opernauditorien, schwelgt im Kostümprunk, der am Ende von der Callas in einem (fiktiven) Fanal verbrannt wird.

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Trotzdem bleibt dies ein gemäldehaft starres, letztlich lebloses Konstrukt, gefangen in seinen Bildmetaphern: La Callas zwischen antiken Büsten, in einer privaten Künstlerinnengarderobe, zwischen poetisch-absurden „Madama Butterfly“-Schnipseln im strömenden Regen und in einem lächerlichen Tosca-„Vissi d’arte“-Sterbefinale vor einem Hausorchester in der eigenen Wohnung, wo sie bei geschlossenem Fenster auf die Straße hinaustönt und die Passanten zum Innehalten zwingt. Zumindest im Film hat Maria Callas also einen großen Abgang als opernhaftes Todesfinale.

Dabei glaubt sie nicht einmal selbst, mit harter Übe- wie Überzeugungsarbeit durch den damals als Repetitor arbeitenden, späteren Stardirigenten Jeffrey Tate (Stephen Ashfield) wieder zu alter Vokalform zurückfinden zu können. Das müde Kreiseln um eine egoistische Neurotikerin wird allenfalls dann lebendig, wenn der vitale Aristoteles Onassis (Haluk Bilginer) sie umschwirrt und als Beute nimmt, oder in einer animierenden Auseinandersetzung mit der ungeliebten Schwester Yakinthi (Valeria Golino).

Sogar mit John F. Kennedy trifft sie – fiktiv –zusammen. Doch letztlich ist diese filmische Wiedergeburt nur ein weiterer Tod. Sie hat dem Konstrukt Callas nichts hinzuzufügen und badet in Klischees. Ihr klangliches Erbe kratzt das nicht an.

Source: welt.de

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