Seit Monaten hat die deutsche Autoindustrie davor gewarnt, chinesischen Herstellern mit Importzöllen den Zugang nach Europa zu erschweren. Vergeblich. Von Freitag an treten die Zölle in Kraft. Aus Sicht der EU-Kommission ein Schritt, um im Kampf mit hochsubventionierten Unternehmen aus Fernost gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen.
In den Konzernzentralen in Wolfsburg, München und Stuttgart geht nun die Angst vor Gegenmaßnahmen um. „Ausgleichszölle sind generell nicht geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie langfristig zu stärken“, heißt es von Volkswagen . „Wir lehnen diese ab.“ Mercedes -Chef Ola Källenius fordert, Restriktionen für den Welthandel abzubauen, statt neue zu schaffen. „Was wir nicht gebrauchen können, als Exportnation, sind steigende Handelshindernisse.“ Auch BMW -Chef Oliver Zipse gehört zu den Kritikern und warnt vor einem Handelskrieg mit China. „Damit läuft man Gefahr, dass der Handelspartner mit Gegenmaßnahmen antwortet. Vielleicht wird dann plötzlich die Verfügbarkeit essenzieller Rohstoffe für Elektrofahrzeuge schwieriger“, mahnte er in der F.A.Z. schon vor sechs Wochen.
BMW mit weiteren Argumenten
Am Donnerstag legte Zipse in einer Stellungnahme des Konzerns nach: „Die Einführung zusätzlicher Importzölle führt in eine Sackgasse. Sie stärkt nicht die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller. Im Gegenteil: Sie schadet vielmehr dem Geschäftsmodell global agierender Unternehmen, schränkt das Angebot von E-Autos für europäische Kunden ein und kann damit sogar die Dekarbonisierung im Verkehrssektor verlangsamen. Solche Maßnahmen sind ein schwerer Eingriff in das auch von der EU propagierte Prinzip des Freihandels.“
BMW wäre von den Strafzöllen direkt betroffen, zum Beispiel mit seiner neuen Elektroversion des Mini Cooper, den die Bayern bei ihrem chinesischen Partner Great Wall in Zhangjiagang bauen lassen. Dabei greift eine Regelung, die aus Sicht der Industrie absurde Züge trägt. Da das Fahrzeug zum Zeitpunkt der europäischen Anti-Subventionsuntersuchung noch nicht vom Band lief, wird BMW zu den nicht kooperierenden Unternehmen gezählt, die den Fragebogen zu chinesischen Staatshilfen nicht ausreichend beantwortet haben. Für den elektrischen Mini fiele damit der Höchstsatz von 37,6 Prozent an, genauso viel, wie etwa der chinesische VW-Partner SAIC entrichten muss. Er exportiert vor allem Modelle seiner Marke MG von China nach Europa und hat Fragen laut EU-Kommission nicht oder nicht hinreichend beantwortet. BYD hingegen hat kooperiert und wird nun mit 17,4 Prozent an zusätzlichen Zöllen belegt.
Bei BMW befürchtet man, dass der neue E-Mini mit einem hohen Zollaufschlag auf dem europäischen Markt praktisch unverkäuflich wird – oder mit Verlust verkauft werden muss. Vor dem gleichen Problem steht VW mit seinem Elektroauto Cupra Tavascan, das erst seit Kurzem in der chinesischen Provinz Anhui produziert und von dort nach Europa verschifft wird. Bislang sind erst wenige Modelle der spanischen VW-Marke verkauft worden, doch mehrere Tausend sind dem Vernehmen nach schon auf Schiffen in Richtung Europa unterwegs. In Wolfsburg hofft man darauf, dass die EU-Kommission reagiert und die Rate für den Tavascan anpasst.
Schwerer wiegt zudem die Gefahr chinesischer Gegenmaßnahmen. Die Volksrepublik hat schon mit Importzöllen auf Fahrzeuge mit Motoren über 2,5 Liter Hubraum gedroht. Das träfe vor allem die deutschen Premiumhersteller. Besonders im Risiko steht die börsennotierte VW-Tochtergesellschaft Porsche, die anders als Mercedes, BMW oder Audi keine eigene Produktion in China hat und alle Modelle dorthin exportieren muss. Gleichzeitig geht die Angst vor einer Verknappung wichtiger Rohstoffe um, auch solcher, für die es außerhalb Chinas große Vorkommen gibt. Lithium, Kobalt oder Nickel werden für die Weiterverarbeitung oft in die Volksrepublik transportiert, weil andernorts die Raffinerien fehlen.
In der Industrie wird erwartet, dass Peking nicht unmittelbar mit größter Härte reagiert, sondern erst die weiteren Gespräche abwartet. Zunächst gelten die EU-Zölle für vier Monate. „Zum Showdown kommt es im November, wenn darüber abgestimmt wird, die Zölle dauerhaft für fünf Jahre einzuführen“, sagt ein Automanager. Noch hofft die Branche auf eine Beilegung des Streits. „Die aktuelle Gesprächsbereitschaft seitens der EU und China sehen wir als ein positives Zeichen und setzen weiterhin auf den politischen Dialog“, heißt es von Mercedes.
VW warnt davor, dass die Folgen des Konflikts über die Kaufpreise für Elektroautos aus China hinausgehen. „Wir werden den Hochlauf der E-Mobilität in Europa nur durch eine präzise, punktuelle Zusammenarbeit mit China weiter stärken können“, sagt Thomas Steg, Cheflobbyist des Konzerns in Berlin. Er verweist auf den noch immer hohen Anteil von Batteriezellen aus China. Auch die Produktion in den europäischen Batteriezellwerken hängt von der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern ab, die die Anlagen für die Zellfabriken liefern. Dass sich die Sicht der Verantwortlichen in Brüssel ändert und sich die Lage bald wieder entspannt, glaubt er nicht. „Es gibt viele Anzeichen dafür, dass die chinakritische Stimmung nicht so schnell abflauen wird“, sagt er. „Das Leitmotiv in Brüssel scheint sich zunehmend auf Resilienz, strategische Autonomie und Abkopplung zu konzentrieren.“