Wandgemälde in London: Eine Botschaft von Banksy?

Stand: 22.12.2025 15:54 Uhr

Nahe der Oxford Street in London ist ein Wandgemälde aufgetaucht, das dem Streetart-Künstler Banksy zugeschrieben wird – er hat sich aber nicht dazu bekannt. Viele rätseln nun, ob dahinter eine tiefere Botschaft steckt.

Menschenmengen schieben sich im Weihnachtsrummel an dem kleinen unscheinbaren Mäuerchen vorbei, an der Kreuzung zwischen Tottenham Court Road und Oxford Street mitten in London. Am Wochenende ist auf der Mauer, unten auf Höhe der Füße, ein Graffiti aufgetaucht, in der grau-schwarzen Schablonen-Technik, die typisch ist für Streetart-Künstler Banksy. Das Wandbild zeigt zwei Kinder, die auf dem Boden auf dem Rücken liegen, eingemummelt in Winterjacken und Mützen mit Gummistiefeln. Beide gucken in den Himmel, ein Kind deutet mit dem Arm gen Himmel.

„Guckt Euch die Stadt an“

Obwohl Banksy sich noch nicht zu dem Werk bekannt hat, erklärte der Londoner Künstler Gareth Price gegenüber der BBC, er sei überzeugt, dass die Sprayerei von dem anonym arbeitenden Graffiti-Künstler stammt: Ich sah diesen grauen Schatten von der anderen Straßenseite, guckte mir das näher an und siehe da: ein Banksy.“

Was die beiden Kinder, die in den Himmel starren, ausdrücken sollen, dazu fällt den Passanten einiges ein. Positive Botschaften und natürlich Bedrückendes. Ein Passant sagt: „Wenn es ein Banksy ist, dann will er vielleicht sagen, guckt euch die Stadt an, bewundert die Sehenswürdigkeiten, was wir unseren Kindern zeigen.“ Ein anderer meint: „Vielleicht ein gefallener Soldat, dessen inneres Kind ihm den Weg gen Himmel weist.“

Ist es ein Banksy? Ein Mädchen posiert über dem Gemälde, das von dem Künstler stammen könnte.

Wohnhaus mit Luxus-Apartment neben dem Fundort

Doch schließlich könnte der Ort, an dem das Graffiti aufgetaucht ist, einen Hinweis auf die Botschaft geben. Neben dem Fundort der Malerei ragt das „Centre Point“-Hochhaus in die Höhe. Ein Wohnhaus mit Luxus-Apartments, von denen viele unbewohnt sind. Das war auch schon 1974 der Fall, als das 34-stöckige Gebäude von Aktivisten besetzt wurde, um auf den Wohnungsmangel in London und die Situation Obdachloser aufmerksam zu machen.

Heute heißt eine bekannte Organisation, die Wohnungslose unterstützt und deren Schirmherr Thronfolger Prinz William ist, „Centrepoint“. Benannt nach eben jenem Gebäude, mit dem Ruf, eine Schande für Wohnungslose zu sein, während Immobilienentwickler damit Geld verdienten.

Will Banksy Obdachlosigkeit thematisieren?

Dazu kommt: Auf den Bürgersteigen von Tottenham Court Road und Oxford Street schlagen jeden Abend, wenn die Läden in den glitzernden Einkaufsstraßen schließen, hunderte Obdachlose ihre Lager auf. Nach aktuellen Schätzungen der Londoner Behörden leben in der britischen Hauptstadt 210.000 Menschen ohne festen Wohnsitz, fast die Hälfte davon Kinder. Die Zahl steigt jedes Jahr.

Banksy-Fan Daniel Lloyd-Morgan zeichnet selbst und ist gekommen, um das neue Wandbild auf seinem Skizzenblock festzuhalten – bevor es verschwindet oder entfernt wird. Er ist sich sicher, dass es um Obdachlosigkeit geht: „Ich finde das sehr bezeichnend, dass die Leute an diesem Wandbild vorbeihasten, so wie sie an Obdachlosen vorbeihasten, die sie nicht sehen wollen. Ich denke, dass Banksy uns darauf aufmerksam machen will.“

Inzwischen gibt es Berichte, dass ein zweites identisches Graffiti entdeckt wurde, versteckt in einem deutlich abgelegeneren Teil von London. Die Schablone mit den zwei liegenden Kindern wurde an die Wand eines scheinbar verlassenen Gebäudes im Stadtteil Bayswater gesprüht. 

Source: tagesschau.de