Vorrang des EU-Rechts: Europäischer Gerichtshof rügt Urteile von Polens Verfassungsgericht

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat der EU-Kommission im Streit um die polnische Justizreform Recht gegeben. Das polnische Verfassungsgericht habe mit zwei Urteilen aus dem Jahr 2021 gegen EU-Recht verstoßen, teilten die Luxemburger Richter mit. Das Gericht in Warschau hatte damals unter der Regierung der nationalkonservativen PiS-Partei den Vorrang des EU-Rechts vor nationaler Rechtsprechung infrage gestellt.

Hintergrund des Falls sind zwei Urteile des polnischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2021. Damals weigerte er sich, Entscheidungen des höchsten europäischen Gerichts als verbindlich anzuerkennen, weil sie aus seiner Sicht gegen die polnische Verfassung verstoßen. Die EU-Kommission hatte Polen deshalb vor dem EuGH verklagt. 

Die Richterinnen und Richter in Luxemburg entschieden, dass Polen durch die Missachtung der EuGH-Rechtsprechung gegen tragende Grundsätze wie den Vorrang, die Autonomie und die einheitliche Anwendung des EU-Rechts verstoßen habe. Nach Ansicht des EuGH stellte Polen mit den Urteilen von 2021 „die wesentlichen Merkmale der Unionsrechtsordnung infrage“. Nationale Gerichte müssten das EU-Recht anwenden und könnten nicht selbst bestimmen, in welchem Umfang sie dies tun.

Polen könne sich nicht auf seine Verfassungsidentität berufen, um sich gemeinsamen EU-Werten wie Rechtsstaatlichkeit, effektivem Rechtsschutz und richterlicher Unabhängigkeit zu entziehen, stellte der EuGH klar. Diese Werte seien für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union rechtlich bindend. 

Verfassungsgericht laut EuGH weiterhin nicht unabhängig

Unter der PiS-Regierung wurde das Justizsystem des Landes stark umgebaut. Insbesondere die Einführung einer
Disziplinarkammer für Richter untergrub dabei nach Ansicht der EU-Kommission die Gewaltenteilung. Die EU
leitete deshalb im Dezember 2021 ein Vertragsverletzungsverfahren ein.
Die aktuelle polnische Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk erkannte die Verstöße vollumfänglich an und bemüht sich seit zwei Jahren, die Reformen der Vorgängerregierung
rückgängig zu machen. Allerdings haben PiS-nahe polnische Präsidenten diese Bemühungen durch ihre Vetomacht wiederholt untergraben – zunächst Andrzej Duda, seit
diesem Sommer Karol Nawrocki.

Der EuGH urteilte zudem, dass das polnische Verfassungsgericht weiterhin nicht unabhängig sei. Es genüge nicht den Anforderungen an ein durch Gesetz errichtetes, unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne des Unionsrechts. Die Richter verwiesen dabei auf die Ernennung von drei Verfassungsrichtern im Dezember 2015 und der Gerichtspräsidentin im Dezember 2016, bei denen gegen die Grundregeln für Ernennungsverfahren verstoßen worden sei.

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