Vonovia-Chef: „Wieder wie vor zehn Jahren“ – Die Zukunft des Bauens ist die Vergangenheit – WELT

Die Bauministerin hat Verfahren beschleunigt und Förderungen aufgelegt – die ganze Branche lobt sie. Trotzdem geht es nicht voran. Der Bau hängt zwischen Technik und Klimaschutz einerseits und Machbarkeit andererseits fest. Der Vonovia-Chef hat eine klare Forderung.

Die Bauministerin ist früh dran. Eine Viertelstunde eher als geplant steht Klara Geywitz (SPD) am Stand der Initiative „Zukunft Bau“ bei der Immobilienmesse Expo Real in München und spricht von den Widrigkeiten im deutschen Wohnungsbau.

„Wir bauen zu hochgezüchtete Häuser mit Fokus auf Energieeffizienz“, sagt Geywitz. Sie sei zwar dafür, CO₂ zu sparen, „aber es darf auch nicht zu kompliziert sein“.

Bezeichnenderweise steht die SPD-Politikerin dabei unter einer experimentellen Holzkonstruktion, die die Hochschule HTWG Konstanz im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung angefertigt hat: Puzzleförmige Bauteile aus Holz, digital per Algorithmus entworfen und zusammengesetzt mit einfachen Steckverbindungen.

Der Aufbau ist kinderleicht, Holz hilft beim CO₂-Sparen, und auf der Website von „Zukunft Bau“ heißt es: „Dieses Open-Source-Projekt setzt sich für die Reduzierung von Baukosten, die Demokratisierung des Bauens und eine stärkere Identifikation mit der Architektur ein.“

Mit solchen innovativen Projekten könnten in der Tat viele Probleme gelöst werden, mit steckbaren Bauteilen nicht zuletzt der zunehmende Fachkräftemangel am Bau. Allein: Es wird nicht dazu kommen.

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Die Holzkonstruktion, wenn auch ein hochinteressantes Experiment, würde gegen sämtliche Brandschutzverordnungen verstoßen, der Schallschutz wäre eher auf dem Niveau einer Strandbude, jedes Bauamt müsste dankend ablehnen. „Speed up Construction“ – so die Idee von Zukunft Bau bleibt vorerst eine Vision. Oder sie ist, wie die Ministerin, einfach zu früh dran.

Unauflösbarer Konflikt zwischen Ansprüchen und Bezahlbarkeit

Denn die deutsche Bau- und Immobilienwirtschaft steckt in einem unauflösbaren Konflikt aus hohen Ansprüchen hinsichtlich Technik und Klimaschutz einerseits und Bezahlbarkeit und Machbarkeit andererseits.

Die Fachleute beklagen auf dem Branchentreff in München unisono: Es ist alles zu kompliziert. „Ich wünsche mir, dass Bundes- und Landesregierungen für jede neue Bauregel, die sie einführen, mindestens zwei bestehende abschaffen“, sagt Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW).

Mit immer neuen Normen und Verordnungen hätten Beamte in Bund und Ländern ein „sich selbst nährendes System aus Normen und Kontrolle geschaffen“, sagt ein anderer langjähriger Kenner der Vorgänge in Bund und Ländern.

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Die Bauministerin selbst bekommt beim Messerundgang indes kaum Vorwürfe zu hören. Laut Bewertung der meisten Verbände und Fachleute hat Geywitz geliefert – Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung, neue KfW-Förderprogramme für Familien, mehr Geld für Sozialwohnungen und zuletzt eine neue Förderung für Neubauten nach dem etwas einfacheren Effizienzhaus-55-Standard im „Niedrigpreissegment“.

Der neue „Gebäudetyp E“, auf den ihr Ressort besonders stolz ist, soll es Auftragnehmern und Auftraggebern ermöglichen, sich auf niedrigere Standards zu einigen. Das Gesetz ist noch in der Abstimmung.

Und im kommenden Jahr werde es noch eine Förderung für den Umbau brachliegender Gewerbebauten in Wohnungen geben, so Geywitz. Sogar der sonst sehr Ampel-kritische Branchen-Dachverband ZIA ist milde gestimmt: „Frau Geywitz, Sie haben so viel angestoßen, jetzt ist es auch an den Ländern, das Bauen zu vereinfachen“, sagt Verbandspräsidentin Iris Schöberl.

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Geywitz hat fast die gesamte Agenda aus dem Ampel-Koalitionsvertrag und dem „Maßnahmenpaket“ aus dem Wohnungsbaugipfel 2023 abgearbeitet. Und trotzdem bleibt der Wohnungsbau im Krisenmodus.

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, prophezeite vergangene Woche mit Blick auf die Auftragslage: „Da wird nichts kommen 2025: Die Investitionen werden sogar weiter schrumpfen.“

Erst 2026 würden die niedrigen Zinsen angesichts der langen Planungszeiten im Wohnungsbau durchschlagen. Das lässt tief blicken: Nicht der Gesetzgeber sorgt nach Ifo-Sicht für einen Bau-Turbo, sondern die etwas niedrigeren Zinsen. Geywitz formuliert es so: „Bei den Bauanträgen hinkt es noch ein bisschen.“

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Baufirmen und Wohnungswirtschaft wissen einfach nicht, wie sie mit den immer neuen Regeln und den immer noch generell hohen Kosten für alles arbeiten sollen. Jedes Mal, wenn es irgendwo ansatzweise eine Vereinfachung beim Planen und Bauen gibt, kommt eine neue Auflage dazu.

Ein Beispiel ist die Baugesetz-Novelle: Demnach werden zwar Genehmigungszeiten verkürzt oder Umweltberichte verkleinert. Dafür aber können Kommunen neue Vorschriften machen für Versicherungsflächen und Fassadenbegrünung. Ein Schritt vor, ein halber zurück, so sehen viele Fachleute die aktuellen Baureformen.

Geywitz benennt selbst ganz offen das Problem mit den wachsenden Regel-Bergen: „Der Bund hat die Standards erhöht, die Länder haben die Grunderwerbsteuer erhöht, und die Gemeinden stellen in städtebaulichen Verträgen immer mehr Forderungen und verlangen vom Projektentwickler auch noch den Bau von Schulen und Kitas.“ Alle scheinen zu wissen, wo die Probleme liegen, aber sie werden nicht gelöst.

Vonovia-Chef: Die Standards müssen runter

Der Vorstandschef des größten deutschen Wohnungskonzerns Vonovia, Rolf Buch, sieht nur einen Ausweg: Die Standards müssen runter, und zwar deutlich. Im Gespräch mit WELT lobt Buch zunächst ebenfalls die Arbeit des Bauministeriums, nennt jedoch bei jedem Pluspunkt auch einen Minuspunkt:

„Das Anfang Oktober gestartete Neubau-Programm Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment werden wir auch bei Vonovia nutzen“, so Buch. „Es ist gut, dass hier der etwas einfachere Effizienzhaus-55-Standard gefördert wird und nicht noch höhere Standards verlangt werden. Aber das Volumen von zwei Milliarden Euro in zwei Jahren wird nicht viel ändern.“

Der Neubau von 400.000 weiterhin nötigen Wohnungen im Jahr koste grob gerechnet 100 Milliarden Euro. Die Sanierung im Bestand weitere 120 Milliarden Euro, wenn man die aktuellen Klimaziele erreichen wolle, rechnet der Dax-Vorstand vor. „Diese enormen Summen sind mit staatlicher Förderung nicht zu bewältigen“, sagt Buch.

„Wenn der Staat die Kosten für hohe Standards nun nicht übernehmen kann, wir aber weiterhin neu bauen müssen, kann die Schlussfolgerung doch nur sein: Wir müssen mit den Standards runter, wir müssen wieder bauen wie zum Beispiel noch vor zehn Jahren.“

Buch schildert bei seinen Auftritten zurzeit mit Vorliebe den technischen Stand seiner Mietwohnung in Bochum, die er vor gut zehn Jahren bezogen habe – und die er für ganz vorzüglich halte.

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„So etwas darf mit den heute geltenden Standards aber gar nicht mehr gebaut werden“, sagt Buch. „Innerhalb kurzer Zeit sind enorm komplizierte technische Regeln für Schallschutz entstanden“, nennt er ein Beispiel. Auch die inzwischen obligatorische Lüftungsanlage im Neubau findet er „zwar schön, aber sehr teuer“.

Bei der Forderung nach einfacheren Standards winken die Leute aus dem Bauministerium ab, so etwa der Bau-Staatssekretär Rolf Bösinger, ebenfalls in München: „Wir haben nun einmal Koalitionspartner, die auch ihre Interessen haben“, so Bösinger bei einer Diskussionsrunde mit ratlosen Verbandschefs.

Das Grünen-geführte Wirtschaftsministerium beharrt auf hohen Effizienzstandards bei Neubau und Sanierung, das FDP-geführte Justizministerium hängt an der Hoheit über das Mietrecht.

Auch hier hat Vonovia-Chef Buch einen Vorschlag, der schon ein wenig die Forderungslinien für die nächste Bundesregierung vorzeichnet: „Die Bauministerin hat vieles auf den Weg gebracht“, sagt er.

„Aber eigentlich müsste die gesamte Bau- und Wohnungspolitik aus einem Ministerium kommen. Damit meine ich die Förderung, das Gebäudeenergiegesetz, also Sanierungsvorschriften für den Bestand, und auch das Mietrecht.“ Mit den aktuell 550 Mitarbeitern würde das Ministerium dann allerdings nicht mehr auskommen.

Michael Fabricius beschäftigt sich schon seit einigen Jahrzehnten mit Immobilienthemen und schreibt für WELT über alles, was Eigentümer, Mieter und Investoren interessiert. Gemeinsam mit Michael Höfling ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ zuständig.

Source: welt.de

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