
Ein Land wie ein Kontinent: Chiles landschaftliche Vielfalt umfasst Vulkane, Wüsten und Salzseen, Inseln und immergrüne Regenwälder. Viel besuchten Höhepunkten stellen wir Orte und Regionen gegenüber, die genauso reizvoll sind, aber weniger überlaufen.
In der Nation, die der Dichter Pablo Neruda als „dünnes Land“ bezeichnete, sind die Entfernungen immens: Chile ist rund 4300 Kilometer lang, aber durchschnittlich nur 180 Kilometer breit. Die Rundreisen der Reiseveranstalter konzentrieren sich daher oft auf wenige ausgewählte Zwischenstopps. Doch wer die Highlights schon kennt oder abseits der Touristenpfade unterwegs sein möchte, findet zahlreiche Alternativen.
Nationalparks in Patagonien
Klassiker Torres-del-Paine-Nationalpark: Kein Wölkchen verdeckt das Massiv der bis zu 2850 Meter hohen Berge, die Gletscherseen schimmern karibisch-türkis und die Temperaturen erreichen mediterrane Höhen – sommerliches Bilderbuchwetter in Patagoniens Nationalpark Torres del Paine, den sich kein Wanderfan auf einer Chile-Reise entgehen lässt.
Neben einer Fülle von Tagestouren ist der W-Trek besonders beliebt: ein fünf- bis sechstägiges Trekking zu mehreren Naturwundern im südlichen Teil des Massivs, darunter das Valle Frances, der Grey-Gletscher und die markanten Torres. Übrigens: Die Chance, Pumas zu sehen, ist in diesem Schutzgebiet besonders hoch!
Geheimtipp Cerro-Castillo-Nationalpark: Nicht weniger spektakulär, aber international noch kaum bekannt ist das Massiv des Cerro Castillo mit seinen schneebedeckten Felszacken und Zinnen – einer von 17 Nationalparks entlang der neu gegründeten „Route der Parks“.
„Wir sind der neue Hotspot der chilenischen Bergsteiger- und Kletterszene“, sagt Bergführer Hugo Castañeda, der seit zehn Jahren am Fuße des Cerro Castillo lebt. Er führt Wanderer zum Gletschersee unterhalb des Gipfels, der Signature-Route der Region mit Ausblicken bis nach Argentinien. Ein Zusammenschluss von Guides ermöglicht Exkursionen in wilde, unerschlossene Berggebiete, wie man sie in Torres del Paine nicht mehr findet.
Weitere Informationen: Viele deutsche Reiseveranstalter haben den W-Trek im Torres-del-Paine-Nationalpark im Programm, z.B. Gebeco, Hauser Exkursionen, Papaya Tours und Ruppert Brasil. Cerro Castillo erkundet man am besten mit einem privaten Bergführer der Casa de Guías (Kontakt info@casadeguiasaysen.com oder Instagram @casadeguiasaysen).
Bunte Küstenstädte mit Weltkulturerbe
Klassiker Valparaíso: Aufzugfahren kann süchtig machen – zumindest in der Hafenstadt Valparaíso, wo mehr als ein Dutzend historische Standseilbahnen einige der umliegenden Hügel mit dem Zentrum verbinden. Trotzdem sollte man es nicht versäumen, sich einfach durch die verwinkelten Gassen und steilen Straßen treiben zu lassen.
Bunter geht’s nicht: Die Fassaden sind nicht nur in Bonbonfarben gestrichen, sondern dienen oft auch als Galerien für Streetart-Künstler, deren Werke man im Rahmen geführter Touren entdecken kann. Apropos Kunst: Ein Muss ist das Museum im Haus des Nationaldichters Pablo Neruda.
Geheimtipp Salpeterstadt Iquique: Schon die Anfahrt in die Küstenstadt Iquique ist atemberaubend: Kurz vor dem Pazifik bricht die Hochebene abrupt zum Meer hin ab und die Straße schlängelt sich über 800 Höhenmeter hinunter zur glitzernden Skyline und dem Ozean – vorbei an der riesigen Sanddüne Cerro Dragón.
Die bei Reisenden wenig bekannte 190.000-Einwohner-Stadt bietet neben langen Sandstränden auch Aktivitäten wie Surfen, Sandboarding oder Gleitschirmfliegen. Viele Sehenswürdigkeiten stammen aus der Zeit des Salpeterabbaus – darunter das Weltkulturerbe der historischen Humberstone-Mine, ein bizarrer Lost Place in der Wüste.
Weitere Informationen: Valparaíso ist von der Hauptstadt Santiago aus in anderthalb Stunden mit dem Mietwagen oder Bus erreichbar, z.B. mit Pullmanbus. Das Weltkulturerbe von Humberstone liegt eine Fahrstunde von Iquique entfernt und bietet täglich ab 9 Uhr geführte Rundgänge.
Vulkane und Inseln im Kleinen Süden
Klassiker Seenland: Frühmorgens schwebt der ebenmäßige Kegel des Vulkans Osorno über dem Llanquihue-See, umhüllt von Nebelschwaden. Mit Erkern geschmückte Holzhäuser mit verwitterten Schindeln säumen die Straßen – deutsche Einwanderer verwandelten den „Kleinen Süden“ einst in eine Kopie ihrer Heimat.
Die beliebte Urlaubsregion der Chilenen lässt sich unkompliziert mit dem Mietwagen erkunden. Abenteuerlustige besteigen den 2850 Meter hohen Vulkan Villarica, um einen Blick auf die brodelnde Lava im Krater zu werfen, und gleiten anschließend auf Schneerutschen wieder ins Tal. Wer es bequemer mag, fährt mit der Seilbahn auf den Gipfel des Osorno – mit Blick auf Gletscher, Seen und Wälder.
Geheimtipp Insel Chiloé: In derselben Region und doch fernab des touristischen Trubels schlummert seit Jahrhunderten das Archipel von Chiloé mit seinen rund 40 Inseln. Da die Bewohner sich traditionell nur im Schiffbau auskannten, errichteten sie auch ihre rund 150 Holzkirchen in Bootsbaumanier – 16 der prächtigen Gotteshäuser zählen heute zum Weltkulturerbe.
Sehenswert sind auch die farbenfrohen „Palafitos“, hölzerne Pfahlbauten in der Hauptstadt Castro, und die mystisch anmutenden Molen in Schneckenform, die ein Künstler an der dramatischen Küste der Hauptinsel errichtet hat. Nach einer indigenen Legende holte ein Fährmann hier die Seelen der Verstorbenen für die Reise ins Paradies ab.
Weitere Informationen: Die eintägige Besteigung des Vulkans Villarica ist bei mehreren Anbietern buchbar, zum Beispiel bei Ermitaño Expediciones. Chiloé: Individuelle Exkursionen zu den Holzkirchen und Molen veranstaltet Siempre Verde Turismo.
Atacama-Wüste und Aymara-Kultur im Norden
Klassiker Atacama-Wüste: Die weiß getünchte Plaza mit der kolonialen Kirche, die ungeteerten Straßen zwischen einstöckigen Lehmhäusern, die blumengeschmückten Innenhöfe und Gärten: San Pedro de Atacama hat sich viel Charme bewahrt – quillt aber als touristisches Zentrum des Nordens auch vor Besuchern über.
Unterkünfte vom Hostel bis zur Luxuslodge und rund 50 Touranbieter lassen kaum Wünsche offen. Besonders beliebt sind neben der Exkursion zum Sonnenuntergang ins Tal des Mondes auch Tagestouren zu den über 4000 Meter hoch gelegenen Lagunas Altiplánicas, den heißen Quellen von El Tatio und den Flamingos der Laguna de Chaxa.
Geheimtipp Aymara-Kultur: Die Spuren von 9000 Jahren indigener Geschichte und die Vielfalt von fünf Ökosystemen prägen den hohen Norden Chiles, der noch keine Besucherströme kennt. Bei einer Reise von Arica an der Küste bis in den Lauca-Nationalpark durchquert man fruchtbare Täler, in denen Kolibris schwirren, entdeckt Vulkanlandschaften und einsame Salzseen.
Dies ist das Land der Aymara-Ureinwohner, deren Lebensstil in den Dörfern noch erlebt werden kann. Lokale Anbieter vermitteln Unterkünfte bei Einheimischen sowie Besuche bei einem Lamahirten oder in einer Dorfschule und Wanderungen durch die raue Bergwelt, in der Alpakas, Lamas, Pumas und Vizcachas leben.
Weitere Informationen: In San Pedro de Atacama bieten rund 50 Touranbieter Exkursionen zu den Highlights der Wüste an, zum Beispiel Alabalti Atacama. Die Region des Aymara-Volkes kann mit einem englisch- oder spanischsprachigen Guide des Veranstalters Aventura Putre York erkundet werden.
Allgemeine Auskünfte:
Anreise: Flugverbindungen nach Santiago de Chile bieten u.a. Iberia (iberia.com) und Air France/KLM (klm.com). Das dichteste Netz an Inlandsflügen offeriert Latam (latamairlines.com), gefolgt von der günstigeren Sky Airline (skyairline.com) sowie JetSmart (jetsmart.com). Ein noch mindestens sechs Monate gültiger Reisepass ist zur Einreise erforderlich.
Reisezeit: Der Norden Chiles ist ganzjährig bei Höchsttemperaturen zwischen 15 und 30 Grad gut zu bereisen. Im Seenland und in Patagonien liegt die beste Reisezeit zwischen Dezember und März bei gemäßigtem, aber wechselhaftem Klima.
Gesundheit: Für Chile sind keine Impfungen vorgeschrieben, die Tropeninstitute empfehlen die klassischen Vorsorgemaßnahmen.
Veranstalter: Der Spezialveranstalter LatinTravels organisiert in Chile sowohl maßgeschneiderte Individualreisen als auch Gruppenreisen (latintravels.de), weitere Angebote bei Aventoura (aventoura.de) oder Miller (miller-reisen.de).
Chile-Tourismus: chile.travel/de
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt vom chilenischen Fremdenverkehrsamt Sernatur. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.
Source: welt.de