Der legendäre Kurator Kasper König war auch Kunstsammler. Mit dem Auktionshaus Van Ham hat er die Versteigerung seiner Sammlung noch selbst vorbereitet. Nun erlebt er nicht mehr, wie sie unter den Hammer kommt.
Vielleicht gibt es das ja wirklich, ein erotisches Verhältnis zur Kunst, eine Verfallenheit an die überwältigende Fülle ästhetischer Ansprüche. Kasper König muss früh gespürt haben, dass er aus dem Faszinationskreis nie mehr herausfinden wird, in den er 1962 als 18-jähriger Volontär beim Kölner Galeristen Rudolf Zwirner geraten war. Wie damals die Kritzeleien eines Cy Twombly als bedeutsame Malerei gefeiert wurden, das blieb die stimulierende Provokation eines langen Lebens als treuer Kunst- und Künstlerfreund.
Als der Ausstellungsmacher, langjährige Museumsdirektor und ehemalige Städelschulleiter Kasper König im August mit 80 Jahren verstarb, war längst bekannt, dass vom umtriebigen Leben auch eine riesenhafte Sammlung verblieben ist. König hat aus der Opulenz seiner Erwerbungen und Geschenke, die er bei sich verwahrte, nie einen Hehl gemacht.
Große Teile gingen schon vor Jahren ans Museum Ludwig. Ein Ausschnitt ist 2018 in der Galerie Thomas Fischer in Berlin zu sehen gewesen. Und jetzt kommen in zwei Tranchen bei Van Ham in Köln die Haupt- und Nebenstücke zur Auktion.
Wissenschaft vom Feinsten im Van-Ham-Auktionskatalog
Komplett soll die Sammlung „über 600 Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen von 179 Künstlerinnen und Künstlern“ umfasst haben, ein fast unübersehbares Konvolut, das in einem Zeitraum von 60 Jahren zusammengekommen ist. Das Kölner Auktionshaus hat einen vorzüglichen Katalog erstellt, in dem der Kunsthistoriker Günter Herzog unter tatkräftiger Erinnerungsunterstützung des Sammlers jedem Stück seine unverwechselbare Geschichte gegeben hat. Das ist Wissenschaft vom Feinsten und wird als Basistext der noch längst nicht geschriebenen Geschichte der Gegenwartskunst seine Bedeutung behalten.
Die großen, spektakulären Werke wird niemand in einer Kollektion erwarten, die nie eingelagert war, sondern immer in den Wohn- und Arbeitsräumen des Sammlers präsentiert wurde. Doch es muss in den frühen Jahren auch Erwerbungen gegeben haben, die die privaten Dimensionen gesprengt haben. So erfährt man erst jetzt, dass Kasper König wohl in den 1960er-Jahren beim Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela die eindrückliche „Schneefall“-Installation gekauft hat.
Heute ist es eines der zentralen Joseph-Beuys-Werke in der legendären Sammlung der Emanuel-Hoffmann-Stiftung im Museum für Gegenwartskunst in Basel. Dass König damals das Geld nicht hatte und es sich vom Kunsthändler Franz Dahlem lieh, gehört zu den kleinen Sammlergeheimnissen, die so wenig verraten worden sind, wie die Vermittlung an die potente Stiftung in der Schweiz.
Ihren wahren Charme bezieht die Sammlung aus dem wunderbaren Durcheinander der lauten und leisen künstlerischen Stimmen. Hanne Darbovens gestrenge Schreib-Etüden neben einer nebelzarten Waldskizze von Caspar David Friedrich. Ein karger Holzrahmen von Richard Artschwager neben dem „Glückskleeturm“ von Thomas Bayrle.
William Nelson Copleys Nacktschläferin neben einer „hochpigmentierten Acryl“-Maus von Katharina Fritsch. Eine „schwarze Wolke“ des scheuen Malers Bruno Goller und eine grün lederne Motorradkombi mit der Rückenaufschrift „Polizei“, die Christian Jankowski bei einer seiner Performances versteigern ließ.
Ein zauberhaftes Sammelsurium. Und am besten war es, wenn Kasper König vor den Dingen stand und die alten Storys erzählt hat. Tatsächlich war ihm die Sammlung so etwas wie ein Tagebuch, das all die Memorabilien eines hochmotivierten Lebens mit der Kunst enthielt.
Dabei ist ja doch wohl unvermeidlich, dass in einem langen Leben, das so leidenschaftlich den Fährten der Gegenwartskunst folgt, das eine oder andere Fundstück auch an der eigenen Wand bleibt. Jäger war Kasper König immer, strategischer Sammler war er nie. Und jetzt vollends beim Durchblättern des Katalogs wird die zuinnerst kommunikative Struktur der Sammlung deutlich.
Im Grunde war Sammeln für Kasper König wie ein unausgesetztes Gespräch mit den Künstlern. Dazu gehörte dann auch, dass er an einen unüberschaubaren Freundes- und Bekanntenkreis collagierte Postkarten verschickte und meist weniger fantasievolle Dankespost zurückerhielt.
Aber ohne diese Vielfach-Anschlüsse konnte er nicht sein. Bekennerisch fragend, rätselnd, verstehend wollte er dazugehören und gehörte er dazu, und die Künstlerinnen und Künstler honorierten die unbestechliche Nähe mit langjähriger Freundschaft. So zeugt diese Sammlung zugleich von einer enormen Sozialbegabung.
Rastloses Leben mit Kunst und Künstlern
Anfang der 1990er-Jahre hat ihn der chinesische Maler Yan Pei-Ming porträtiert. Monumental, grau in grau. So richtig nahe kommt der Maler seinem Modell nicht. Vielleicht war ja auch Scheu dabei. Respekt. Dass das Bildnis „die Gefühlswelt eines umtriebigen Kurators“ dokumentiere, wie es in der Beschreibung heißt, ist womöglich doch etwas kühn behauptet. Aber dass es als „Zeugnis der engen Verbindung zwischen König und Pei-Ming“ zu gelten hat, dem stimmt man gerne zu: „Als fast schon zeitgeschichtliches Dokument verschafft die Arbeit einen Eindruck von ihrer symbiotischen Zusammenarbeit“.
Gelassen hat es Kasper König hingenommen, dass nicht wenige Künstler, für die er sich engagiert hat, längst nicht mehr auf den vorderen Plätzen rangieren. Umso mehr, als er nie daran interessiert war, irgendetwas zu beweisen, keine Richtung, keinen Stil, keine Durchsetzungsstrategie.
Wohl liegt gerade darin die Bedeutung dieses rastlosen Lebens mit Kunst und Künstlern, dass die Bilanz so unangestrengt und so offen ausfällt. Königs Sammlung – genau besehen eine wunderbare Collage und mehr noch die genüssliche Zusammenfügung des Unzusammenhängenden – ist ein großartiger Lebens- und Arbeitsnachweis eines ebenso freien wie kunstbesessenen Menschen.
Alles, was er zeigen wollte, ging er aus einem unverhohlenen Erkenntnisinteresse heraus an. Der jungen Kuratoren-Generation mit ihren spekulativen Einsätzen muss es wie ein Rätsel vorkommen. Kasper König bewahrte sich eine Freiheit, wie es nur wenigen seiner Branche gelingt.
„The Kasper König Collection. His Private Choice“, 1. und 2. Oktober 2024, Auktionshaus Van Ham, Köln
Source: welt.de