Ich halte davon nichts. Der Gedanke, die AfD werde sich nur in einer Koalition entzaubern, ist gefährlich und macht die Rechtsextremen salonfähig. Aus meiner Sicht darf es keine Koalition und keine Kooperation mit der AfD geben – in keiner Regierung, in keinem Parlament dieses Landes. Der Start-up Verband hat sich immer klar und deutlich gegen die AfD positioniert.
Es war kein Sinneswandel. Wir waren hier immer klar. Bereits im Europawahlkampf haben wir uns klar gegen die AfD positioniert, weil die Inhalte für unsere Start-ups schädlich sind und weil sie unsere Demokratie kaputt machen. Mir geht es darum, das jetzt noch einmal in aller Deutlichkeit zu betonen: Ich halte diese Debatte für falsch und gefährlich. Das sind Einzelmeinungen, sie sind nicht repräsentativ für das Start-up-Ökosystem. Die AfD löst keine Probleme, sie ist ein Problem.
Sie sprechen von Einzelmeinungen. Das heißt, Christian Rebers Aussagen sind nicht repräsentativ, nicht mal für einen Teil der deutschen Gründerszene?
Nein, sind sie nicht. Das zeigen mir auch die vielen entsetzten Reaktionen aus dem Start-up-Ökosystem, die ich in den vergangenen Tagen erhalten habe. Da war nullkommanull Zustimmung, nicht mal ansatzweise, sondern viel Unverständnis und Verärgerung dabei. Wir erheben jedes Jahr im Deutschen Start-up-Monitor, der größten Umfrage unter Start-ups in Deutschland, auch die Sonntagsfrage. Da kam die AfD in diesem Jahr gerade einmal auf drei Prozent. Für mich persönlich sind das immer noch 3 Prozent zu viel, um ehrlich zu sein. Aber das zeigt: Die AfD fällt bei Gründerinnen und Gründern durch.
Also ich kenne in der deutschen Branche sehr viele Menschen – inklusive mir selbst – die total skeptisch beobachten, was in den USA passiert. Und die es alles andere als gut finden, wie sich die Tech-Milliardäre um Trump scharen. Ich kann mir nicht im Ansatz vorstellen, dass das unser Weltbild hier in Deutschland ist: Da geht von einigen wenigen sehr viel Macht aus und in gewisser Weise wird auch die Demokratie untergraben. Ich sehe nicht die Gefahr von Nachahmern in der deutschen Tech-Szene.
Im Jahr 2021 veröffentlichte der Beirat Junge Digitale Wirtschaft – angesiedelt beim Wirtschaftsministerium – ein von hochrangigen Gründern und Investoren unterzeichnetes Papier, in dem es hieß, der Staat solle im Umfeld von Börsengängen für die „Gewährleistung einer ausgewogenen Berichterstattung“ sorgen. Die Presse solle zu „sachlicher, richtiger und vollständiger Information“ diszipliniert werden. Das offenbarte ein merkwürdiges Verhältnis zur Pressefreiheit. Hat die deutsche Gründerszene ein problematisches Verständnis von Demokratie?
Nein. Diese Forderungen waren auch damals eine Einzelmeinung, die im gesamten Start-up-Ökosystem viel Kopfschütteln ausgelöst hat. Der Verfasser des Papiers hat die Verantwortung übernommen und ist aus dem Beirat ausgeschieden. Er hat sich für seine Formulierung entschuldigt. Zwischen diesen beiden singulären Ereignissen jetzt eine Querverbindung herzustellen, halte ich für weit hergeholt und zeichnet ein Bild, dass das Start-up-Ökosystem in Deutschland in eine Ecke mit Autokratien rückt. Damit werden wir unseren weltoffenen Gründerinnen und Gründern nicht gerecht.
Welche Auswirkungen auf das deutsche Start-up-Ökosystem hätte eine Regierungsbeteiligung der AfD Ihrer Meinung nach?
Die AfD will genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Die AfD will Deutschland abschotten und würde mit ihrem anti-europäischen Kurs unseren Wohlstand gefährden. Wir als Start-up-Szene sind für einen starken europäischen Binnenmarkt als Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Wir kämpfen für eine Kapitalmarktunion, um mehr Kapital für Gründerinnen und Gründer zu mobilisieren. Die AfD will raus aus dem Euro. Wir brauchen – wie alle anderen in Deutschland – dringend qualifizierte Fachkräfte aus aller Welt. Die AfD sabotiert das mit ihrer Fremdenfeindlichkeit. 21 Prozent unserer Gründerinnen und Gründer haben einen Migrationshintergrund, gut 30 Prozent der Beschäftigten in Start-ups und Scale-ups kommen aus dem Ausland. Die AfD zeichnet ein Bild, dass Menschen mit Migrationshintergrund hier nicht willkommen sind. Wir sind setzen uns dafür ein, dass mehr Frauen Start-ups gründen. Die AfD hält an einem Frauen- und Familienbild aus den 50er-Jahren fest. Das sind nur einige Beispiele von vielen. Ich finde keinen Politikbereich, in dem uns die AfD helfen würde.
Hinter der Forderung nach einer Zusammenarbeit mit der AfD steckt auch der Wunsch, dass sich nach der Ampelkoalition politisch grundlegend etwas ändert. Können Sie das nachvollziehen?
Klar kann ich das grundsätzlich nachvollziehen, seinem Ärger Luft zu machen, gehört in einer Demokratie dazu. Deswegen ist es mir auch wichtig zu differenzieren: Ich bin klar gegen die AfD, aber ich stelle ihre Wählerinnen und Wähler nicht in die Ecke. Ich kann verstehen, wenn Menschen unzufrieden und frustriert sind. Mich frustriert es auch massiv, wenn in deutschen Schulen der Putz von den Wänden bröckelt oder wir im PISA-Ranking immer weiter zurückfallen. Oder dass die Digitalisierung viel zu langsam vorangeht. Aber niemals liegt die Lösung dieser Probleme in einer rechtsextremen Partei, die den Menschen suggeriert, sie hätte auf alles einfache Antworten. Im Gegenteil: Das Programm und das Personal der AfD sind Gift für unser Land.
Hat die Ampelkoalition denn eine gute Politik für Start-ups gemacht?
Da ist zumindest mehr passiert, als durch den ganzen Streit sichtbar geworden ist: Zum ersten Mal gab es eine Start-up-Strategie der Bundesregierung. Beim Thema Mitarbeiterbeteiligung gab es Fortschritte, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist in Kraft getreten, wir haben einen Wachstumsfonds, digitale Arbeitsverträge und zuletzt die WIN-Initiative, die ein echtes Pfund ist. Dadurch sollen bis 2030 12 Milliarden Euro von privaten institutionellen Investoren in das deutsche Start-up-Ökosystem fließen. Das sind alles wichtige Meilensteine, um Start-ups zu stärken. Es ist bei weitem nicht alles schlecht in diesem Land, und die Lichter gehen nicht aus – in vielen Bereichen haben wir die Lichter noch gar nicht angemacht.
Ihr Vorgänger als Vorsitzender des Start-up-Verbandes, Christian Miele, hat die aktuelle Debatte angestoßen, indem er auf X schrieb, dass die Bürger sich mehrheitlich eine bürgerlich-rechte Politik wünschten. Er äußerte Sorge, dass es sonst „abermals vier Jahre faule Kompromisse geben wird“ und die AfD womöglich 2029 als stärkste Kraft an die Macht komme. Hat er mit dieser Sorge Recht?
Erstmal ist mir wichtig zu betonen, dass Christian der AfD eine ganz klare Absage erteilt hat. Seine Sorge um eine AfD-geführte Bundesregierung im Jahr 2029 war ja Auslöser der Gedankenspiele. Hinzu kam sein Frust über die aktuelle politische Situation. Was ich an Christians Analyse teile: Wir brauchen einen unternehmerischen Aufbruch. Mit internationaler Spitzen-Forschung, herausragenden Talenten, einer starken industriellen Basis und genug privatem Kapital haben wir in Deutschland alle Zutaten, um global erfolgreich zu sein. Da sind die kommenden vier Jahre jetzt entscheidend, um dieses Potential zu heben. Der Start-up-Verband und ich als Vorstandsvorsitzende sind überparteilich. Deswegen spreche ich ganz sicher keine Wahlempfehlung aus. Wenn überhaupt, dann nur die, die AfD nicht zu wählen.
Was erwarten Sie denn von der kommenden Regierung?
Ich wünsche mir, dass wir jetzt schnell eine handlungsfähige Regierung haben, dass wir über Inhalte reden, was unser Zielbild ist und wie wir es erreichen wollen. Und mir ist es wichtig, dass die nächste Regierung geschlossen auftritt und die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes in den Mittelpunkt stellt. In unserer „Innovationsagenda 2030 – Weltklasse Made in Germany“ haben wir dafür konkrete Vorschläge gemacht. Für die kommende Legislaturperiode braucht es u.a. eine „Startup-Strategie 2.0“ mit einem klaren Fokus auf DeepTech, Innovation und Skalierung sowie eine Finanzierungsoffensive, die mehr privates Kapital mobilisiert. Damit bauen wir ein starkes Sprungbrett für Deutschland. Das ist aus meiner Sicht die beste Antwort auf den Populismus der AfD.