Bertram Kawlath ist für die nächsten vier Jahre Präsident des Maschinenbau-Verbandes VDMA. Die deutsche Schlüsselbranche steht vor enormen Herausforderungen. Kawlath will nun für bessere Standort-Bedingungen kämpfen. Seine Wahl hat einen guten Grund.
Bertram Kawlath ist vorbereitet. „Ich habe ein Seminar besucht“, erzählt der Unternehmer augenzwinkernd. Der Titel: „Warum machen die nicht einfach, was ich sage?“ Gemünzt war der vor etlichen Jahren erlebte Workshop eigentlich auf das Thema Mitarbeiterführung.
Damals ist Kawlath als geschäftsführender Gesellschafter ins eigene Familienunternehmen Schubert&Salzer eingestiegen. Künftig will der 53-Jährige das erworbene Wissen aber auch an anderer Stelle nutzen: für den Austausch mit der Politik – und zwar als neuer Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Die Mitgliederversammlung des großen Industrieverbandes hat Kawlath als Nachfolger von Karl Haeusgen für die nächsten vier Jahre an die VDMA-Spitze gewählt. Und dort wartet reichlich politische Arbeit auf den in Hessen geborenen Unternehmer.
Denn die deutsche Schlüsselbranche, der Maschinenbau, steckt in einer Krise und schlittert mit jedem Monat noch tiefer in die Problemzone angesichts dauerhaft rückläufiger Auftragseingänge. Um stattliche acht Prozent auf 240 Milliarden wird die Produktion im laufenden Jahr einbrechen, prognostiziert der VDMA.
Und das Wirken der Bundesregierung spielt dabei nach Ansicht der Maschinenbau-Firmen eine bedeutende Rolle. „Das Geschäftsumfeld ist geprägt von zahlreichen Krisen“, erklärt Kawlath. Das sei für sich genommen zwar nichts Neues. „Doch es fehlt an politischer Entschlossenheit, an den richtigen Stellschrauben zu drehen, um diesen Krisen wirkungsvoll zu begegnen.“
Wo die Branche politischen Handlungsbedarf sieht, zeigt eine aktuelle Mitgliederbefragung. An erster Stelle steht demnach das Thema Bürokratieabbau, das 92 Prozent und damit fast jeder der knapp 1000 Befragten nennt.
Aber auch die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und die Modernisierung der Infrastruktur steht weit oben in der Bedarfsliste, ebenso höhere Bildungsausgaben und die Absenkung von Steuern und Abgaben. „Die Themen sind seit Jahren gleich“, kritisiert Kawlath.
„Ist das nicht schrecklich?“ Die Politik müsse endlich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen fürs Investieren und Innovieren verbessern, damit die heimischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb bestehen können.
„Die Geduld vieler Entscheidungsträger in den Unternehmen ist überstrapaziert, mehr noch: am Ende“, mahnt der neue Präsident, der mit seinen 53 Jahren einer der jüngsten in der gut 130-jährigen Geschichte des Verbands ist.
„Ich bin ein verhinderter Diplomat“
Neuland ist Verbandsarbeit gleichwohl nicht für Kawlath. Beim VDMA war er in den vergangenen vier Jahren bereits Vizepräsident, Vorsitzender des Landesverbands Bayern und zugleich Kuratoriumsmitglied der VDMA-Impuls-Stiftung. Zudem saß er über zwei Jahrzehnte im Mittelstandsausschuss des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und war von 2006 bis 2019 Mitglied des Gesamtpräsidiums der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DPAG).
„Ich bin ein verhinderter Diplomat“, scherzt Kawlath. „Diese Leidenschaft konnte ich dann aber bei der DPAG ausleben“, sagt der Unternehmer, der als junger Mann eigentlich ins Auswärtige Amt wollte und deswegen seine Abschlussarbeit im Fach Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg beim Historiker Michael Stürmer über Deutschlands Ostpolitik geschrieben hat. Zuvor hat sich Kawlath kurz an Betriebswirtschaftslehre probiert. „Dort habe ich aber gemerkt, dass ich besser mit Worten kann als mit Zahlen.“
Trotzdem führte der Weg des Historikers am Ende schnurstracks ins Unternehmen seiner Familie. Zu dem Ventilhersteller Schubert&Salzer mit Sitz in Ingolstadt gehörte damals das Eisenwerk Erla im Erzgebirge und später die Stahlgießerei Feinguss Lobenstein in Thüringen.
Und weil sich keine passenden Geschäftsführer fanden, die diese Unternehmen mit Sitz kurz vor der tschechischen Grenze führen wollten, wurde der damalige Junior des Hauses geschickt – und der blieb am Ende fast 20 Jahre.
Erst zu Jahresbeginn ist Kawlath in die Firmenzentrale in Ingolstadt zurückgekehrt. Weil dort schon seit Jahren zwei externe Manager das operative Geschäft führen, konzentriert sich der Gesellschafter auf die strategischen Themen – und in den kommenden vier Jahren auf die Lobbyarbeit für den VDMA. „Wer Zeit hat, ist gerne gesehen in Verbänden“, kommentiert er süffisant.
Die Wahl dürfte aber auch aus einem anderen Grund auf Kawalth gefallen sein. So ist Schubert&Salzer ein typisches Unternehmen im deutschen Maschinenbau: Mittelstand, familiengeführt, 200 Mitarbeiter, 60 Millionen Euro Jahresumsatz, 80 Prozent Exportquote.
„Regulierungsflut aus Berlin und Brüssel“
Damit haben die Bayern die gleichen Herausforderungen und Problemen wie die meisten anderen der insgesamt 3600 VDMA-Mitglieder. „Die Regulierungsflut aus Berlin und Brüssel erdrückt insbesondere kleinere Firmen, unser Steuersatz für Unternehmen ist deutlich höher als der OECD-Durchschnitt und es fehlen neue Freihandelsabkommen, die uns Märkte öffnen“, listet Kawlath auf. „All dies kann und muss jetzt angegangen werden, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.“
Einsetzen will sich Kawlath für die Belange der Kleinen, für Freihandel und gegen Zölle sowie für eine Verbesserung der Standortbedingungen in Deutschland und Europa. „Die Belastung internationaler Wertschöpfungsketten mit immer neuen bürokratischen Ideen ist nicht hilfreich“, kritisiert er Regulierungen wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, erweiterte Berichtspflichten für das Thema Nachhaltigkeit oder die vorerst ausgesetzte Entwaldungsverordnung.
Einsicht kommt von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein. „Wir brauchen aktive Wirtschaftspolitik“, fordert der CDU-Politiker auf der VDMA-Mitgliederversammlung an seinem Dienstsitz in Wiesbaden. „Konjunkturpaket statt Kiffergesetz“ müsse die Devise lauten, verteilt Rhein einen Seitenhieb in Richtung der Ampel-Koalition. Den Maschinenbau empfiehlt er der Bundesregierung dabei als Gradmesser.
„Die Branche ist Impulsgeber und Frühwarnsystem. Es wäre besser auf deren Warnsignale zu hören, statt sie als Klage des Kaufmanns abzutun.“ Die Probleme am Standort Deutschland hält Rhein vielfach für hausgemacht.
„Wir stehen an der Spitze bei den Belastungen“, begründet der Ministerpräsident. „Wir brauchen jetzt einen Mentalitätswandel.“ Man müsse die Wirtschaft auch mal machen lassen statt die dritte, vierte und fünfte Sicherheitsstufe und damit immer mehr Regulierung und Bürokratie einzuführen.
An der Seite von Kawalth stehen künftig als Vizepräsidenten zum einen Alexander Jakschik, Vorstandschef des Familienunternehmens ULT aus Löbau in Sachsen, einem Hersteller von Anlagen zur effektiven Beseitigung luftgetragener Schadstoffe oder zur Reduzierung der Luftfeuchte. Zum anderen engagiert sich Verena Thies, geschäftsführende Gesellschafterin des Textilmaschinenherstellers Thies aus Coesfeld in Nordrhein-Westfalen.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie über Recycling und Mittelstandsunternehmen.
Source: welt.de