US-Wahlkampf: Tim Walz ist ungewöhnlich armselig zu Händen verdongeln US-Politiker

Minnesotas Gouverneur Tim Walz, den Kamala Harris zu ihrem Vizepräsidentschaftskandidaten erkoren hat, ist eine Ausnahmeerscheinung: Er besitzt keine Aktie – anders als 62 Prozent der amerikanischen Erwachsenen. Ihm gehören auch keine anderen Wertpapiere, Investmentfondsanteile oder Unternehmensbeteiligungen. Selbst eine Immobilie hat die Familie nicht, was sie immerhin von knapp 66 Prozent der amerikanischen Haushalte unterscheidet. Walz hatte sein Haus in Mankato anderthalb Autostunden südwestlich von St. Paul/Minneapolis verkauft, als er in die Gouverneursvilla zog.

Noch nicht einmal ein Buch hat er geschrieben, das ihm Tantiemen sichern könnte. Sein Vermögen besteht aus Ansprüchen aus Pensionsplänen, Lebensversicherungen und einem Fonds für die Collegeausbildung seiner Kinder. Man weiß das, weil Walz als Kongressabgeordneter von 2007 bis 2019 und als Gouverneur von 2019 bis jetzt Berichte über seine Finanzverhältnisse öffentlich machen musste. Als Gouverneur verdient er 116.000 Dollar im Jahr. Das Gehalt erhöhte sich dieses Jahr automatisch, doch Walz beharrte auf seinem alten Lohn und überwies das Gehaltsplus an die Staatskasse, wie schon im Jahr davor.

Der Kontrast zu J.D. Vance, den Donald Trump zum Vizepräsidenten machen will, könnte größer kaum sein. ­Vance ist Multimillionär mit Beteiligungen an mehr als 100 Unternehmen als ehemaliger Wagniskapital-Investor. Ihm gehörten (Stand 2022) Kryptowährungen im Wert zwischen 100.000 und 250.000 Dollar. Er hat mehrere Immobilien, aus denen er Mieteinkünfte bezieht. Dazu kommen Tantiemen aus seinem Bestseller „Hillbilly Elegy“. Vances Vermögen, das er zusammen mit seiner Frau besitzt, wird auf 4 bis 10 Millionen Dollar beziffert. Die Immobilienwerte sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Amerikas politische Klasse ist alt und wohlhabend

Im Vergleich zu anderen Gouverneuren wirkt Walz wie eine arme Kirchenmaus. Der Gouverneur von Illinois, der Demokrat Jay Pritzker, wird auf 3,5 Milliarden Dollar geschätzt. Er ist Spross der Pritzker-Familie, die die Hyatt-Hotelgruppe aufgebaut hat und zum großen Teil noch besitzt. Der Demokrat Jared Polis, Gouverneur in Arizona, hat als Seriengründer rund 400 Millionen Dollar zusammengebracht. Virginias Gouverneur Glenn Youngkin (Republikaner), ehemaliger Ko-Chef der Private-Equity-Gesellschaft Carlyle, wird auf knapp eine halbe Milliarde Dollar taxiert. Jim Justice, republikanischer Gouverneur von West-Virginia, kam mit dem Verkauf von Kohleminen auf ein Vermögen von mehr als eine Milliarde Dollar, schätzte Forbes 2021. Andere schätzen, dass Justice eher 300 Millionen Dollar Vermögen habe. Milliardär ist auch Doug Burgum aus North Dakota. Der republikanische Gouverneur war erfolgreich als Software-Unternehmer und Tech-Investor.

Generell gilt für Amerikas politische Klasse, dass sie alt und wohlhabend ist. Die Hälfte aller Abgeordneten des Repräsentantenhauses, dem Walz lange angehörte, sind Millionäre, die meisten davon, weil sie vor ihrer Politikkarriere Unternehmer und Investoren waren. Manche haben reich geheiratet oder geerbt. Die Kongressabgeordneten verdienen 174.000 Dollar im Jahr und dürfen nur 15 Prozent ihres Einkommens mit Beschäftigungen außerhalb des Kongresses verdienen, passives Einkommen aus Wertpapieren oder anderen Beteiligungen fällt nicht darunter.

Das Vermögen einiger Abgeordneter ist in ihrer jeweiligen Amtszeit deutlich gestiegen. Ein Faktor waren Wertpapiergeschäfte. Die Analysegesellschaft Quiver Quantitative hat beispielsweise die Entwicklung des Vermögens der Chefin der Demokraten, Nancy Pelosi, aus offiziellen Quellen nachgezeichnet. Demzufolge hat sich ihr Vermögen seit 2013 von 121 Millionen Dollar auf 242 Millionen Dollar verdoppelt. Pelosi kaufte und verkaufte munter Aktien von Tesla, Apple oder Nvidia.

Tim Walz sah in seiner Zeit als Abgeordneter solche Geschäfte höchst kritisch, zumal manche Börsentransaktion nach Insiderhandel roch: Die Politiker nutzten Exklusivinformationen, um zu kaufen oder verkaufen. Walz setzte 2012 den STOCK Act durch, der Politikern und Spitzenbeamten Insiderhandel verbot und Wertpapiergeschäfte von Abgeordneten und Behördenchefs transparent machen sollte. Dem Gesetz zufolge müssen Politiker binnen 45 Tagen Wertpapiergeschäfte bekannt geben. 2023 berichtete „Business Insider“, mindestens 78 Abgeordnete hätten Meldepflichten verletzt. Eine Klage wegen Insiderhandel wurde nie erhoben.

Der Abgeordnete Richard Burr und andere hatten 2020 umfangreiche Wertpapierverkäufe getätigt, nachdem sie von Gesundheitsexperten der Regierung über das wahre Ausmaß der Covid-Pandemie unterrichtet worden waren. Doch Untersuchungen des Justizministeriums führten zu keinem Ergebnis. Die Beweislage ist schwierig, weil Unterrichtungen oft vertraulich sind. Viele Abgeordnete geben ihre Wertpapiergeschäfte dagegen an und sind so erfolgreich, dass inzwischen ETF konstruiert wurden, die die Geschäfte nachvollziehen. Nun gibt es eine Gesetzesinitiative, die Abgeordneten den Handel von einzelnen Wertpapieren komplett verbieten will. Das wäre das Modell Tim Walz. Er wäre dafür. Als Vizepräsident könnte er das Zünglein an der Waage sein.

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