US-Wahl: Wer hat Angst vorm nächsten US-Präsidenten?

Als Präsident brach Donald Trump mit transatlantischen Gewissheiten. Was würde seine erneute Wahl außenpolitisch bedeuten? Und wo fürchtet man einen Sieg von Kamala Harris? Ein Überblick

Deutschland und die EU

Schon vor der Wahl wird das Ende des transatlantischen Zeitalters beschworen. Auf der einen Seite steht Donald Trump mit seinen isolationistischen Positionen: Im Wahlkampf attackierte er Europa – und insbesondere Deutschland – wiederholt und explizit. So drohte der Republikaner etwa, Arbeitsplätze aus Deutschland in die USA zu holen. Trump und sein Running Mate J. D. Vance „betrachten Europa als wirtschaftlichen Konkurrenten und die europäischen Staaten als Nutznießer der amerikanischen Großzügigkeit“, schreibt die US-Expertin Rachel Tausendfreund in einer Analyse für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).  

Auf der anderen Seite steht Kamala Harris, die sich zwar zur internationalen Zusammenarbeit und der engen Partnerschaft mit Europa bekennt, aber – anders als Joe Biden – nicht als leidenschaftliche Transatlantikerin gilt.

Der Transatlantikkoordinator der Bundesregierung, Michael Link, sieht Deutschland auf jedes Szenario vorbereitet.  „Ein möglicher Präsident Trump wird natürlich auch gerade auf seine Unvorhersehbarkeit setzen. Aber anders als 2016 haben wir einen Erfahrungsschatz, kennen seine Methoden wesentlich besser“, sagt der FDP-Politiker. Er selbst habe in den vergangenen Jahren bewusst enge Kontakte in beide Parteien gepflegt und besonders die Kontakte zu den Republikanern ausgebaut – vor allem zu „vielversprechenden Gouverneuren“ im sogenannten Heartland der USA, also außerhalb von Washington, D.C., New York und Kalifornien.

Die größte Herausforderung einer weiteren möglichen Trump-Amtszeit sieht Link darin, Angriffe auf die Foren internationaler Kooperation abzuwehren: „Entscheidend wird sein, dass wir zum Beispiel im Falle einer zweiten Amtszeit Trumps in EU und Nato so eng wie möglich zusammenarbeiten und uns nicht intern von ihm spalten lassen.“  

Überzeugt zeigt sich Link davon, dass die aktuell enge Zusammenarbeit mit einer Präsidentin Harris im Weißen Haus weitergehen würde – „vielleicht weniger persönlich eingefärbt als mit Biden, aber in der Sache fest und belastbar“. Auch falls Harris gewinne, sei aber klar: „Deutschland muss seine – teils längst überfälligen – Hausaufgaben erledigen. Sowohl bei unserer Verteidigungsfähigkeit als auch in der Frage des Umgangs mit China müssen wir mehr leisten.“  

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Die Nato

Als Präsident drohte Donald Trump wiederholt mit dem Rückzug der USA aus der Nato. Im diesjährigen Wahlkampf sorgte er mit der Aussage für Entrüstung, er würde Partnerstaaten, die ihren Anteil nicht zahlten, nicht schützen – und Aggressoren wie Russland „ermutigen zu tun, was immer sie wollen“. Andere Äußerungen Trumps und ihm nahestehender Außenpolitiker lesen sich moderater. So sagte der ehemalige US-Botschafter in Deutschland und mögliche Außenminister einer künftigen republikanischen Regierung, Richard Grenell, Trump wolle die Nato stärken, „wenn sie stark sein will“. Voraussetzung dafür sei, dass „alle ihren gerechten Beitrag“ leisten.  

Dass die USA unter Trump die Nato verlassen könnten, halten Experten für unwahrscheinlich – wenn auch nicht ausgeschlossen. Die gesetzlichen Hürden dafür wären jedenfalls hoch: Ein im vergangenen Jahr vom US-Kongress gebilligtes Gesetz soll verhindern, dass ein künftiger US-Präsident einseitig die Aufkündigung des Nato-Vertrags beschließt – nötig wäre dafür die Zustimmung des Senats. Schaden könnte Trump der Nato indes auch ohne einen formellen Austritt, wenn er etwa die Beistandsverpflichtung innerhalb des Bündnisses weiter infrage stellen würde.

Kamala Harris hat sich in Reden wiederholt zum transatlantischen Verhältnis und zur internationalen Kooperation bekannt. Eine enge biografische Verbundenheit zu Europa, wie Joe Biden sie stets betonte, hat Harris allerdings nicht – und viele ihrer außenpolitischen Positionen bleiben relativ vage. 

Hoffnung machen dürften den Europäern deshalb Personen in Harris‘ unmittelbarem Umfeld: So gilt ihr außenpolitischer Berater Phil Gordon als Transatlantiker und sogar als „Europeanist“ – ein „zunehmend seltenes Wesen in Washington“, wie das US-Magazin Politico unlängst feststellte. Die Aussicht, dass Gordon, der unter anderem Deutsch und Französisch spricht, in einer Harris-Regierung eine bedeutende außenpolitische Rolle zukommen könnte, sorgt bei europäischen Diplomaten daher für Optimismus. Zugleich steht aber auch Gordon für eine Modernisierung des transatlantischen Verhältnisses und Forderungen an Europa, mehr Verantwortung zu übernehmen. Zum umstrittenen Vorstoß des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach einer strategischen Autonomie Europas soll er sich positiv geäußert haben.

Fest steht: Unabhängig vom Wahlsieger dürften die Erwartungen der USA an die Europäer steigen. So würde voraussichtlich sowohl unter einem Präsidenten Trump als auch unter einer Präsidentin Harris der Druck auf die Nato-Partner größer, das Zwei-Prozent-Ziel bei den Militärausgaben einzuhalten und mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen. Womöglich könnten die USA sogar einfordern, dass die europäischen Nato-Staaten den größten Teil der konventionellen Abschreckung auf dem Kontinent selbst übernehmen. Viele Expertinnen und Experten sehen aber keine Hinweise darauf, dass eine künftige US-Regierung den nuklearen Schutzschirm für Europa zurückziehen könnte – auch nicht im Falle eines Wahlsiegs von Trump

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Die Ukraine

Für kaum ein Land hat die US-Präsidentschaftswahl eine so große Bedeutung wie für die Ukraine. Seit Kriegsbeginn sind die USA der wichtigste Unterstützer des angegriffenen Landes.  

Trump hat bereits angekündigt, die Militärhilfen an die Ukraine einstellen zu wollen. Den Krieg will er nach eigenen Worten im Falle eines Wahlsiegs noch vor seinem offiziellen Amtsantritt am 20. Januar „beenden“ – eine Äußerung, die so interpretiert werden kann, dass die Ukraine zu Verhandlungen mit Russland gezwungen werden soll.  

Harris hat der Ukraine die andauernde US-Unterstützung zugesagt. In einem Interview in der TV-Sendung 60 Minutes schloss
sie Verhandlungen über ein Kriegsende mit Russlands Staatschef Wladimir
Putin aus, sofern daran nicht auch die Ukraine beteiligt ist. „Die Ukraine muss ein Mitspracherecht bei der Zukunft der Ukraine haben“, sagte Harris. Die Frage nach einer möglichen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine nach Kriegsende beantwortete sie nicht.  

Gefährdet sein könnte die militärische US-Unterstützung für die Ukraine aber auch im Falle von Harris‘ Wahlsieg – nämlich dann, wenn die Republikaner die parallel zur Präsidentschaftswahl stattfindenden Kongresswahlen gewinnen sollten. Bereits in den vergangenen zwei Jahren haben die Republikaner ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus genutzt, um von Präsident Biden geplante Ukraine-Hilfen zu blockieren. Wie die Mehrheitsverhältnisse in der Parlamentskammer nach der Wahl aussehen, ist unklar. Erwartet wird jedoch, dass die Demokraten ihre hauchdünne Mehrheit in der zweiten Kammer, dem Senat, verlieren. Die weitere US-Unterstützung für die Ukraine auf dem bisherigen Niveau ist daher fraglich.

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Israel und die Palästinenser

Als Präsident hatte sich Trump im israelisch-palästinensischen Konflikt deutlich auf die Seite Israels gestellt: Mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und der Anerkennung der Annexion der Golanhöhen stieß er nicht nur die Palästinenser, sondern auch westliche Verbündete vor den Kopf. Rhetorisch hielt Trump zwar an der Zweistaatenlösung fest, sein umstrittener „Friedensplan“ für den Nahen Osten aus dem Jahr 2020 ignorierte jedoch palästinensische Forderungen weitgehend. International begrüßt wurden dagegen die unter Trump vermittelten sogenannten Abraham Accords, die zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und arabischen Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain führten.  

„Trump würde nach einem Wahlsieg sicherlich den engen Kontakt mit Israel suchen, könnte Israel Zugeständnisse bei der Gestaltung einer Nachkriegsordnung im Gazastreifen machen und auch militärisch freiere Hand lassen“, sagt der Politikwissenschaftler und Nahost-Experte Steffen Hagemann von der TU Kaiserslautern. Der Experte sieht aber auch potenzielle Konflikte im US-israelischen Verhältnis während einer neuen Trump-Präsidentschaft. So habe es in der Vergangenheit ein Zerwürfnis zwischen Trump und dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu gegeben. „Beide haben zuletzt versucht, die Beziehung wieder zu kitten, es bleibt aber offen, wie belastbar das persönliche Verhältnis ist.“

Auch eine künftige Trump-Regierung würde zudem nicht aktiv in einen Krieg in der Region involviert werden wollen, glaubt Hagemann. Das Ziel würde stattdessen bleiben, die US-Präsenz in der Region zu reduzieren, um sich auf die Konfrontation mit China zu fokussieren. „Ein langanhaltender Konflikt im Nahen Osten könnte daher eine Belastung für Trump werden und zu Druck auf Israel führen“, sagt Hagemann: „Netanjahu kann sich nicht auf die Unterstützung Trumps verlassen.“

Zur Solidarität mit Israel und dessen Selbstverteidigungsrecht bekannt hat sich auch Kamala Harris. Im Vergleich zu Präsident Joe Biden äußerte sie sich aber kritischer über die israelische Kriegsführung im Gazastreifen. „Harris hat eine weniger enge Beziehung zu Israel als Biden“, sagt Hagemann. Ob dies auch zu einem Kurswechsel in der Nahost-Politik unter einer Präsidentin Harris führen könnte – etwa in Bezug auf Waffenlieferungen an Israel –, ist dem Experten zufolge allerdings ungewiss. „Die USA haben Druckmittel, um die israelische Politik zu beeinflussen. Biden hat diese bislang nicht genutzt, seine Politik ist erfolglos geblieben. Es ist unklar, wie sehr Harris bereit ist, Druckmittel einzusetzen.“

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China

Im polarisierten Politikbetrieb der USA sticht die Haltung gegenüber China heraus: Anders als in den meisten anderen Themenbereichen haben Demokraten und Republikaner hier deutliche Gemeinsamkeiten. Parteiübergreifend Konsens ist etwa, dass China internationaler Hauptgegner des Landes ist. Während Trumps China-Strategie vor allem auf wirtschaftlichem Druck basiert, setzten die Demokraten in den vergangenen Jahren verstärkt auf Sicherheitsbündnisse zur Eindämmung Chinas – etwa mit Partnern im Indopazifik.

Sollte Trump gewinnen, würde dessen konfrontativer Ansatz vor allem den kurzfristigen Druck auf China erhöhen, sagt der Politikwissenschaftler Claus Soong vom Mercator Institute for China Studies (Merics). „Angesichts der fragilen Wirtschaft Chinas und des hohen Anteils von Exporten am Bruttoinlandsprodukt könnten höhere Zölle und die US-Politik des De-Risking die wirtschaftliche Perspektive Chinas negativ beeinflussen und soziale Spannungen verstärken.“ Soong hält es deshalb für möglich, dass die Führung in Peking im Falle einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus die Nähe zu Europa suchen könnte. „Denn negative Auswirkungen durch Trumps höhere Zölle würden womöglich beide erleben.“

Eher langfristige Folgen hätte laut Soong ein Sieg von Harris für China. Der Politologe geht davon aus, dass Harris sich an Bidens China-Kurs orientieren würde. „Dieser Ansatz würde bedeuten, dass die USA ihr Engagement für die liberale Weltordnung stärken und damit eine robuste, US-geführte globale Struktur aufrechterhalten, die auf der Koordination mit Verbündeten basiert. Chinas Fähigkeit, seine alternative Vision einer Weltordnung auf der internationalen Bühne zu fördern, würde dadurch eingeschränkt.“  

Eine militärische Eskalation im US-chinesischen Konflikt – etwa durch eine chinesische Invasion Taiwans – hält Soong für unwahrscheinlich. „China fehlt die ausreichende Fähigkeit für eine direkte Konfrontation mit den Vereinigten Staaten oder für eine Invasion Taiwans, zumindest vorerst“, sagt er. Möglich sei aber, dass China Militärübungen oder Raketentests nutze, „um das Terrain auszuloten“.

Hinweise darauf, dass sich das Verhältnis beider Großmächte entspannen könnte, sieht Soong nicht – erst recht nicht im Fall einer zweiten Trump-Amtszeit. „Der starke parteiübergreifende Konsens, dass China eine Bedrohung für die nationale Sicherheit Amerikas ist, wird bestehen bleiben“, prognostiziert er.

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Als Präsident brach Donald Trump mit transatlantischen Gewissheiten. Was würde seine erneute Wahl außenpolitisch bedeuten? Und wo fürchtet man einen Sieg von Kamala Harris? Ein Überblick

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