Überraschend kommt das nicht: In einer US-Studie belegen die meisten deutschen Bahnhöfe die hinteren Plätze in Sachen Wartezeit und Aufenthaltsqualität. Mehrere Nachbarländer machen den Deutschen vor, wie es gehen könnte.
Wer nur Bahnhof versteht, versteht nichts – oder möchte nichts verstehen. Wie die Deutsche Bahn. Ihr Krisenmanagement knirscht wie eine uralte Dampflok auf dem Weg zum Abstellgleis. Viel Rauch, noch mehr Lärm, aber wenig Tempo. Nun ist schon wieder einmal höchste Eisenbahn. Das Sprichwort, es stammt passenderweise von einem Berliner aus dem Jahr 1847, demütigt die Deutsche Bahn abermals erneut vor der ganzen Welt.
Dieses Mal ist es die inakzeptable Wartezeit auf den bundesdeutschen Bahnhöfen, hierzulande schmerzlich bekannt, aber zunehmend auch im Ausland als unangenehm empfunden. Da fragt man sich: Kann man überhaupt noch Touristen eine Bahnfahrt durch Deutschland empfehlen, und das ohne Warnung oder einen Hinweis auf unerwünschte Nebenwirkungen? Wäre das nicht grob fahrlässig? Denn im Europa-Vergleich der 50 meistfrequentierten Bahnhöfe ist 2024 das Bahnhofsnetz der DB der große Verlierer.
Das jährliche Ranking der US-Verbraucherschutzorganisation Consumer Choice Center bewertet die Deutsche Bahn an sich als problematisch: „Sie steht vor großen Hürden“. Die Analysten des „European Railway Station Index 2024“ stellen bei den Wartezeiten jetzt als Negativbeispiel den Berliner Hauptbahnhof bloß, der von Platz drei binnen eines Jahres auf den 13. Platz abstürzt. Dort müssen Bahngäste nun im Durchschnitt 14,8 Minuten warten; 55 Prozent aller Züge sind verspätet.
Da wundert es kaum, dass auch die drei letzten Plätze des Rankings in Deutschland liegen: Berlin Zoologischer Garten (48.), Bremen Hauptbahnhof (49.) und der Berliner Bahnhof Ostkreuz als Schlusslicht. Dabei geht es auch um die Aufenthaltsqualität und Bedingungen, wie man Wartezeiten gut überbrücken kann, etwa in Lounges, Cafés und Restaurants.
Die Schweiz und Frankreich liegen vorn
Bestnoten gibt es für all das in der Schweiz, in den Niederlanden, Frankreich, Österreich: Der Hauptbahnhof Zürich steht auf Platz eins, Bern auf Platz zwei und Utrecht Centraal auf Platz drei. Es folgt Paris mit Gare du Nord (4.), Gare de Lyon und Gare Montparnasse (beide 5.). Der Hauptbahnhof Wien (7.) punktet auch mit guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.
Dagegen wird die Liste der von der Deutschen Bahn abzuarbeitenden Unzulänglichkeiten immer länger. Wer hierzulande den Zug nimmt, kommt zügig zu spät. Wegen häufiger Stopps im Nirgendwo, Streckensperrungen, Umleitungen und Schienenersatzverkehr mit stundenlangen Verspätungen.
Als Fahrgast ist man unterwegs also schon dankbar, wenn der Zielbahnhof endlich in Sichtweite kommt. Doch selbst dann kann es vorkommen, dass der Zug dort nicht fahrplanmäßig hält, sondern durchrauscht (häufig betroffen: Wolfsburg und Berlin-Spandau).
Immerhin leuchtet ein kleines Licht im Dunkel der deutschen Bahnhofsmisere: Der gut organisierte Leipziger Hauptbahnhof schafft es zusammen mit dem Bahnhof London Bridge auf Platz zehn im Ranking. Da besteht dann doch noch Hoffnung, dass die Weichen gestellt werden für eine Bahn, auf die irgendwann einmal Verlass ist.
Kira Hanser ist verantwortliche Redakteurin im Ressort Stil, Leben und Reise. Sie berichtet über Freizeittrends, Tourismus, Reiseneuheiten, Outdoor und Mobilität, in der Heimat und in der Ferne.
Source: welt.de