UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft und WFP warnen: Hungersnöte in mehr qua 20 Ländern

Zwei Organisationen der Vereinten Nationen, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und das Welternährungsprogramm (WFP) mit Sitz in Rom, warnen vor einer Ausweitung von Hungerkrisen in mehr als zwanzig Ländern der Welt. In einem neuen Bericht benennen sie besonders bedrohte Territorien, in der sich die Lage bis Oktober dieses Jahres verschlechtern werde. Der Großteil der Krisen sei menschengemacht. „Bewaffnete Gewalt und Konflikte bleiben die Hauptursachen für akute Ernährungsunsicherheit in zahlreichen Hunger-Hotspots“, schreiben die Organisationen.

An einer der vordersten Stellen steht dabei der Gazastreifen: Mit Verweis auf Zahlen der von Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden „sowie israelischer Behörden“ berichten die UN-Organisationen von über 35.000 getöteten Palästinensern seit Beginn des Krieges bis Mitte Mai. 1,7 Millionen oder 75 Prozent der Bevölkerung wurden innerhalb des Gebiets vertrieben.

Den direkten Schaden an der Infrastruktur im Gazastreifen schätzen die Vereinten Nationen auf 97 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes (BIP) des Gazastreifens sowie des Westjordanlandes im Jahr 2022. Die Schäden werden durch schwere Engpässe bei Treibstoff, Strom und importierten Handelsgütern, einschließlich Nahrungsmitteln und Wasser, verschärft. Der Konflikt führte im ersten Quartal 2024 zu einem Anstieg des Verbraucherpreisindex um gut 120 Prozent, das BIP im Gazastreifen ist im vierten Quartal 2023 im Jahresvergleich um mehr als 80 Prozent eingebrochen.

Gaza-Krieg zieht Region in Mitleidenschaft

Humanitäre Hilfe sei seit Anfang Oktober die Hauptquelle für lebenswichtige Güter, da weiterhin starke Einschränkungen für den Import von Handelswaren bestünden. Im Gaza-Streifen werde die Hälfte der Bevölkerung, 1,1 Millionen Menschen, bis Mitte Juli „katastrophale Bedingungen erleben“, schätzen die Hilfsorganisationen. Die gesamte Bevölkerung sei mit „akuter Ernährungsunsicherheit“ konfrontiert.

Die UN-Organisationen weisen auch darauf hin, dass der Konflikt im Gazastreifen sich direkt auf das Westjordanland und Ostjerusalem auswirke. Im Westjordanland sei es zu einem drastischen Anstieg gewalttätiger Vorfälle, Mobilitätseinschränkungen und Grenzschließungen gekommen, die das BIP im vierten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 22 Prozent schrumpfen ließen. Zudem hätten im Libanon zunehmende Feindseligkeiten an der Südgrenze zu einer Unterbrechung der Handelsströme und zu Binnenvertreibungen geführt. In Syrien verschlechtere sich die humanitäre Lage ebenso.

Nicht zu vergessen sind darüber hinaus andere Hungerregionen, in denen oft noch viel mehr Menschen leiden. In die Kategorie der Länder mit den höchsten Ernährungsrisiken gehören neben den palästinensischen Gebieten auch Mali, Südsudan und Sudan sowie neuerdings Haiti, wo die Gewalt durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen eskaliert. Diese Länder erforderten größte Aufmerksamkeit, fordert vor allem das Welternährungsprogramm, das für akute Nothilfe zuständig ist.

Im Sudan etwa sprang der Anteil der von Hungersnöten bedrohten Bevölkerung im vergangenen Jahr von 24 auf 42 Prozent. Das sind mehr als 20 Millionen Menschen. Auch im Tschad, in den östlichen Provinzen der Demokratischen Republik Kongo, in Myanmar, Syrien sowie im Jemen herrsche akute Ernährungsunsicherheit, wodurch sich „voraussichtlich in den kommenden Monaten lebensbedrohliche Bedingungen der Menschen weiter verschärfen werden“, heißt es.

Unwetter machen die Menschen arm

In Jemen würden wahrscheinlich steigende Fracht- und Versicherungskosten aufgrund der Krise im Roten Meer die Kosten für Grundnahrungsmittel und andere Importe erhöhen. Gleichzeitig lasse im Jemen aufgrund der Gewalt die humanitäre Hilfe nach oder werde „zunehmend unvorhersehbar“. In Mali, der Demokratischen Republik Kongo und Somalia werde der Abzug der UN-Friedensmissionen „voraussichtlich ein Sicherheitsvakuum schaffen, das von bewaffneten Gruppen ausgenutzt werden könnte“, befürchten die Vereinten Nationen.

Als Krisenverstärker wirkt dabei das allgemeine Schrumpfen des Wirtschaftswachstums in Schwellen- und Entwicklungsländern. Weiterhin hohe Schuldenstände hindert viele Regierungen daran, die gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu schützen. Hohe Energie- und Transportkosten sowie Währungsabwertungen erhöhten den Druck auf die Inlandspreise.

Extreme Wetterlagen wie übermäßige sturzartige Regen, tropische Stürme, Zyklone, Überschwemmungen und Dürre verschärfen die Ernährungsunsicherheit ebenfalls. Die UN-Organisationen erwarten, dass das vorherrschende Wetterphänomen La Niña mit seinen hohe Luftdruckunterschieden zwischen August 2024 und Februar 2025 Niederschlag und Temperaturen erheblich beeinflussen werde. Damit könnten sich einerseits die landwirtschaftlichen Aussichten verbessern, heißt es, doch gleichzeitig steige das Risiko von Überschwemmungen in Teilen des Südsudan, im Sudan, Somalia, Äthiopien, Haiti, Tschad, Mali und in Nigeria.

Vor diesem Hintergrund rufen die Vereinten Nationen die wohlhabenden Länder zur Finanzierung weiterer Nothilfe auf. Schon jetzt seien viele arme Regionen von „Kürzungen und Lücken“ betroffen. Ein frühzeitiges Eingreifen sei besser, denn es könne „Nahrungsmittellücken verringern und Vermögenswerte und Lebensgrundlagen zu geringeren Kosten schützen“. Wie in vielen anderen Berichten beenden die UN-Organisationen ihre Analyse pflichtschuldig mit dem Aufruf zu Investitionen in „integrierte Lösungen“ über die Nothilfe hinaus. Sie seien unabdingbar, um mittel- und langfristig die Abhängigkeiten der Länder von externer Unterstützung zu verringern.

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