An diesem Montag beginnt in der Nationalversammlung die Debatte über den Haushaltsentwurf der französischen Regierung. Doch schon jetzt hagelt es Kritik von allen Seiten, auch aus den eigenen Reihen. Nach Justizminister Didier Migaud drohte am Freitag auch Agnès Pannier-Runacher indirekt mit Rücktritt, sollte ihr Budget wie geplant gekürzt werden.
„Wenn ich nicht über die Mittel verfüge, die ich für mein Handeln brauche, werde ich die Konsequenzen daraus ziehen“, sagte die Ministerin für den ökologischen Übergang, Energie, Klimaschutz und Risikoprävention im Lichte der aktuellen Überschwemmungen, die vor allem den Südwesten Frankreichs betreffen. „Ich weiß nicht, ob man noch auf Dramen warten muss, um zu verstehen, dass es eine absolute Notwendigkeit ist, in die Anpassung an den Klimawandel sowie in die Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu investieren“, mahnte Pannier-Runacher im Fernsehsender BFM TV.
Die Kritik entzündet sich aber nicht nur an den geplanten staatlichen Ausgabenkürzungen, sondern auch an den anvisierten Mehrbelastungen für Unternehmen und Spitzenverdiener. Allein der Umfang der Mehrbelastungen wurde schon kurz nach Vorstellung des Haushaltsentwurfs vergangene Woche infrage gestellt. Die Regierung sprach von rund 20 Milliarden Euro, was einem Drittel des insgesamt rund 60 Milliarden Euro umfassenden Sparpakets entspräche, während die verbleibenden zwei Drittel aus Ausgabenkürzungen bestehen sollen.
„Das klingt nicht sehr seriös“
In Wahrheit beläuft sich die Summe an höheren Steuern, Beiträgen und Abgaben jedoch auf knapp 30 Milliarden Euro. Das zeigt ein im Anhang zum Haushaltsentwurf vom Finanzministerium veröffentlichter Bericht. So hat die Regierung gegenüber der Öffentlichkeit beispielsweise das Abschmelzen von Abgabenerleichterungen als Ausgabenkürzung deklariert statt als Mehrbelastung für Unternehmen. Die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ sprach von „fragwürdigen Tricks“.
Hinzu kommen Zweifel, ob die erhofften Einnahmen überhaupt seriös kalkuliert sind. Das betrifft unter anderem die geplante „Mindeststeuer“ von 20 Prozent für Franzosen mit einem Einkommen von mindestens 250.000 Euro (500.000 Euro bei Paaren). Hieß es zunächst, dass sie zu höheren Belastungen für jene rund 65.000 Haushalte führt, die schon einen unter Nicolas Sarkozy vorgeblich vorübergehend eingeführten Steuerzuschlag zahlen, ist neuerdings nur noch von 24.300 Haushalten die Rede.
„Das klingt nicht sehr seriös, und die erwarteten zwei Milliarden werden nicht erreicht“, monierte der zentristische Generalberichterstatter für den Haushalt, Charles de Courson, in „Le Monde“. Mit Blick auf den geplanten Körperschaftssteuerzuschlag für die 440 größten französischen Unternehmen äußerte er sich skeptisch. Auch weil die Gewinnspannen der Konzerne deutlich sinken dürften, seien die im Haushaltsentwurf veranschlagten acht Milliarden Euro an Mehreinnahmen ungewiss.
Tatsächlich spricht einiges dafür, dass das Sparpaket die Investitionstätigkeit, Wirtschaftsaktivität und Gewinne mindert und damit auch zu geringeren Steuereinnahmen führt. Die von der Regierung im Haushaltsentwurf unterstellten 1,1 Prozent Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr sind in jedem Fall optimistisch. Das Pariser Forschungsinstitut OFCE bezeichnete in neuen Berechnungen von dieser Woche eher 0,8 Prozent als realistisch.
Missratene Finanzplanung
Der Chefvolkswirt der Privatbank Oddo BHF, Bruno Cavalier, ist noch pessimistischer. „Ein derart massiver Haushaltsschock wird zwangsläufig die Binnennachfrage dämpfen“, meint er. Es stehe zu befürchten, dass die Sparpläne der französischen Regierung die Wirtschaftsleistung so stark schmälern, dass die Wachstumsrate im kommenden Jahr „bestenfalls“ bei 0,5 Prozent liegen werde.
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich eine Regierung unter Präsident Emmanuel Macron in der Finanzplanung verkalkuliert. Noch immer ist nicht aufgearbeitet, wie es in den zurückliegenden Monaten zu einer solch drastischen Verschlechterung der französischen Staatsfinanzen kommen konnte, dass der neue Premierminister Michel Barnier einen Sparhaushalt schnüren muss.
So war die Vorgängerregierung von Premierminister Gabriel Attal noch bis April der Auffassung, das Haushaltsdefizit werde in diesem Jahr 4,4 Prozent betragen, ehe es erst auf 5,1, dann auf 5,6 und von der neuen Regierung nun auf 6,1 Prozent korrigiert werden musste – und ohne die 60 Milliarden Euro an Einsparungen im kommenden Jahr auf sieben Prozent zu steigen droht. Dagegen hatte die Vorgängerregierung einst einen Rückgang des Defizits auf 3,7 Prozent prognostiziert. „Als ob sich in weniger als neun Monaten ein gigantisches Loch von 100 Milliarden Euro in den öffentlichen Finanzen aufgetan hätte“, bilanzierte „Les Echos“.
Licht ins Dunkel der missratenen Finanzplanung soll nun ein Untersuchungsausschuss bringen. Er wurde diese Woche eingesetzt und wird geleitet vom Vorsitzenden des Finanzausschusses der Nationalversammlung, Eric Coquerel. „Es gab Unaufrichtigkeit oder Blindheit, beides ist schwerwiegend“, zeigte sich der Politiker von der Linkspartei LFI im Fernsehsender France 2 bereits überzeugt. Der bis September amtierende Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire teilte mit, dass er „alle Fragen in völliger Transparenz“ beantworten werde.
Villeroy: Inflationsziel wird früher erreicht
Der französische Notenbankgouverneur François Villeroy de Galhau ist zuversichtlich, das Inflationsziel in der Eurozone früher zu erreichen als bislang angenommen. „Nach einigen vorübergehenden monatlichen Anstiegen dürften wir unser Ziel von zwei Prozent im Jahr 2025 früher als erwartet erreichen“, sagte er am Freitag im Gespräch mit Journalisten. Ob das Frühjahr, Sommer oder Herbst meint, wollte Villeroy nicht präzisieren. Die EZB, die am Donnerstag zum dritten Mal in diesem Jahr die Leitzinsen gesenkt hat, erwartete bislang erst Ende 2025 die Rückkehr der Inflationsrate auf das Niveau von zwei Prozent. Der französische Gouverneur betonte, dass der Rückgang der Inflationsrate auf 1,7 Prozent im September deutlicher stärker ausgefallen war als erwartet. Er mahnte, dass die EZB ihrem Mandat und der „Symmetrie“ um das Inflationsziel treu bleiben müsse. „Das Risiko, unser Ziel dauerhaft zu verfehlen, ist nun ebenso groß wie das Risiko, es zu übertreffen“, sagte Villeroy.