Umbau von Bayer: 5500 Stellen weniger in einem Jahr

Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer kommt mit seinem Umbauprogramm voran, wenngleich das Unternehmen im abgelaufenen Quartal noch einen Verlust in dreistelliger Millionenhöhe auswies. Unter dem seit etwas mehr als einem Jahr amtierenden Vorstandsvorsitzenden Bill Anderson wurden bislang 900 Teams zusammengelegt. In seinem „Dynamic Shared Ownership“ genannten Programm werden vor allem Managementpositionen abgebaut, der Bayer-Vorstand hat Hierarchieebenen gestrichen und Führungspositionen gekappt. Die Leitung der Forschung und Entwicklung wurde etwa mit dem Marketing zusammengelegt.

Nachdem im vergangenen Jahr bereits die Pharmasparte betroffen war, wurden zuletzt auch Teams im Consumer-Geschäft vergrößert, wo rezeptfreie Produkte wie Aspirin, Iberogast oder Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden. Im Konzern gibt es heute 3200 Stellen weniger als zu Jahresbeginn, binnen Jahresfrist waren es 5500 weniger. Zum Ende des zweiten Quartals beschäftigte Bayer noch rund 96.500 Menschen. Weitere konkrete Zahlen zum Personalabbau wollte Anderson zur Vorlage der Halbjahreszahlen am Dienstag nicht nennen, auch nicht aufgeschlüsselt nach Regionen. „Aber wir kommen schneller voran, als ich erwartet habe“, sagte er. Von 2026 an will der Konzern so jährlich rund 2 Milliarden Euro sparen.

Der Konzernumbau ist eine von mehreren Baustellen für Bayer, mit dem Anderson die von manchen Investoren geforderte Zerschlagung des Dax-Konzerns vorerst verhindern will. Neben dem Bürokratieabbau will der Amerikaner den jahrelangen Rechtsstreit rund um Glyphosat beilegen, den freien Mittelzufluss verbessern und die Pharma-Pipeline stärken. Gerade hier mache das Unternehmen Fortschritte, sagte Anderson.

Neue Medikamente sollen Patentauslauf abfedern

Der Vorstandsvorsitzende bezeichnete es als „imponierend“, wie der Konzern mit dem Patentablauf seiner wichtigsten Umsatzbringer umgehe. So seien die Erlöse mit dem Gerinnungshemmer Xarelto im zweiten Quartal um 11 Prozent zurückgegangen. Das Medikament war in den vergangenen Jahren immer der größte Gewinnbringer und ist es auch heute noch. Doch in den nächsten Jahren läuft der Patentschutz aus, Nachahmerprodukte bringen den Umsatz dann schnell fast zum Erliegen. Gleichzeitig legten die Neueinführungen Nubeqa, ein Mittel gegen Prostatakrebs, und Kerendia, ein Medikament gegen chronisches Nierenversagen, um 70 Prozent zu. Ohne Xarelto wäre der Pharmaumsatz im ersten Halbjahr um 7 Prozent gestiegen. „Mit so einem Wachstum wären wir in unserer Branche vorne mit dabei“, sagte Anderson. Tatsächlich stieg der Umsatz von Bayer mit verschreibungspflichtigen Medikamenten in den ersten sechs Monaten währungsbereinigt um 4,5 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro – auch dank des guten Wachstums der Augenspritze Eylea, für die in den nächsten Jahren ebenfalls der Patentschutz ausläuft.

Mitarbeiter einer Arzneimittelproduktionsanlage von Bayer in Berlindpa

Ende des vergangenen Jahres hatte Bayer einen Rückschlag in der Pharmaforschung hinnehmen müssen, als ein Medikament in der wichtigen letzten Studienphase die Erwartungen nicht erfüllte. Allerdings hat der Konzern zuletzt einige ermutigende Fortschritte mit anderen Medikamenten gemacht. Erst am Montag wurden Studienergebnisse bekannt gegeben, die es ermöglichen könnten, auch Patienten mit Herzinsuffizienz mit dem Medikament Kerendia zu behandeln, das Bayer schon in 90 Ländern auf den Markt gebracht hat. „Die Pharma-Pipeline ist einer der größten Hebel für unsere Wertschöpfung“, sagte Anderson. Bayer könne optimistisch nach vorne schauen.

Agrarsparte steht unter Druck

Angespannter ist die Lage in der Agrarsparte. Dort sank das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) vor Sondereinflüssen um 27,7 Prozent auf 524 Millionen Euro. „Es ist kein Geheimnis, dass der Agrarmarkt eine Herausforderung darstellt. Das haben auch wir zu spüren bekommen“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Durch bessere Preise und höheren Absatz von Soja und Glyphosat sei der Druck auf die Marge aber abgefedert worden. Auch in seinen zwei anderen Sparten verdiente Bayer operativ weniger. So kam auf Konzernsicht im zweiten Quartal ein bereinigtes Ergebnis von 2,1 Milliarden Euro zusammen, was einem Rückgang um 16,5 Prozent entsprach. Der Umsatz hingegen ist im selben Zeitraum leicht auf 11,1 Milliarden Euro gestiegen. Unter dem Strich stand vor allem aufgrund der Kosten für den Konzernumbau ein Quartalsverlust von 34 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum war es noch ein Minus von 1,8 Milliarden Euro.

Die Zahlen waren etwas besser, als Analysten erwartet hatten. Der starke Gewinnrückgang zeige, in welch schwieriger Situation Bayer weiterhin stecke, sagte Markus Manns, Portfoliomanager von Union Investment. Gleichwohl zeigten sich auch Lichtblicke. „Es scheint so, als ob der Zyklus von Gewinnwarnungen und enttäuschenden Zahlen unter Bill Anderson nun endlich gestoppt wurde“, sagte Manns.

Bayer will seine Schulden reduzieren

Bayer hat den freien Mittelzufluss im ersten Halbjahr verbessert. Das habe auch in der zweiten Jahreshälfte Priorität, betonte Anderson. „Wir nähern uns unserem Ziel, in diesem Jahr einen Free Cashflow von 2 bis 3 Milliarden Euro zu erwirtschaften.“ Das Geld nutzt der Konzern vor allem, um seine hohe Verschuldung abzubauen; dafür können die Mittel fast vollständig verwendet werden, denn die Hauptversammlung stimmte dem Vorschlag zu, zunächst nur eine Minidividende von 10 Cent je Aktie auszuschütten.

Im zweiten Halbjahr rechnet Bayer für den gesamten Konzern mit höheren Margen als im Vorjahreszeitraum. Im Mai hatte das Unternehmen seine Jahresziele gesenkt und ein bereinigtes operatives Ebitda zwischen 10,2 und 10,8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Diese Ziele bestätigte Bayer nun. Allerdings erwartet der Konzern, dass das um Währungs- und Portfolioeffekte bereinigte Umsatzwachstum und die Ebitda-Marge zumindest für die Agrarsparte im unteren Bereich der Bandbreite liegen werden. Bayer peilt dort eine Umsatzentwicklung zwischen minus 1 und plus 3 Prozent und eine Ebitda-Marge zwischen 20 und 22 Prozent an. Hingegen soll sich die Pharmasparte nun besser entwickeln als bisher prognostiziert.

Der Aktienkurs von Bayer lag am Dienstag nach anfänglichen Gewinnen im Tagesverlauf leicht im Minus. Bayer-Aktien haben im vergangenen Jahr um fast die Hälfte an Wert verloren, seit der Monsanto-Übernahme im Jahr 2018 beträgt das Minus gar mehr als 70 Prozent. Der Dax-Konzern ist mit etwas mehr als 26 Milliarden Euro Marktkapitalisierung an der Börse derzeit weniger als die Hälfte dessen wert, was er einst für den amerikanischen Saatgutanbieter bezahlt hat.

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